OGH 9ObA49/22d

OGH9ObA49/22d31.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Manfred Joachimsthaler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Christian Lewol (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Prof. Ing. M* P*, vertreten durch Pallauf, Meißnitzer, Staindl & Partner, Rechtsanwälte (OG) in Salzburg, gegen die beklagte Partei Land *, vertreten durch Dr. Harald Schwendinger, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 1. 10.434,90 EUR brutto sA und 2. Feststellung (Streitwert: 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 15. März 2022, GZ 12 Ra 18/22m‑18, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht vom 2. Dezember 2021, GZ 32 Cga 65/21f‑13, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00049.22D.0831.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Der am * 1979 geborene Kläger absolvierte die HTL für Informatik in Braunau und war von 1. 8. 2000 bis 31. 12. 2014 als IT‑Techniker bei der Ö* GmbH & Co KG beschäftigt, und zwar bis 30. 9. 2012 in Vollzeit und anschließend in Teilzeit. Etwa drei Viertel dieser Tätigkeit stand im Zusammenhang mit IT‑Tätigkeiten.

[2] Großteils berufsbegleitend absolvierte der Kläger das Lehramtsstudium für Mathematik sowie für Geographie und Wirtschaftskunde an der PH S* und schloss dieses am 15. 6. 2015 ab. Ein Lehramtsstudium für Informatik wurde zu dieser Zeit an der PH S* noch nicht angeboten.

[3] Der Kläger ist seit dem Wintersemester 2015/16 an der Praxismittelschule der Pädagogischen Hochschule (PH) S* als Vertragsbediensteter beschäftigt. In seinem ersten Schuljahr unterrichtete der Kläger acht Wochenstunden Geographie und Wirtschaftskunde, acht Wochenstunden Mathematik und fünf Wochenstunden elektronische Datenverarbeitung und Informatik. Darüber hinaus unterstützte er den IT‑Kustos (EDV‑Betreuer) der Schule und übernahm dessen Tätigkeit in der Folge zur Gänze. Weil diese Tätigkeit damals noch nicht in der Lehrfächerverteilung abbildbar war, wurden zwei Stunden Teambesprechungen und eine Stunde fachbezogene Lernzeit in die Lehrfächerverteilung des Klägers aufgenommen, um einen Teil seiner Tätigkeit im Bereich des IT‑Kustodiats abzubilden. Tatsächlich war der Kläger jedoch mehr als drei Stunden wöchentlich mit der EDV-Betreuung in der Schule beschäftigt. Nunmehr ist eine Abbildung in der Lehrfächerverteilung möglich. Im Schuljahr 2021/22 wurde die Tätigkeit des Klägers als IT‑Kustos in der Lehrfächerverteilung mit 10,5 Wochenstunden abgebildet. Lehrer, die mit dem IT‑Kustodiat betraut sind, sind verantwortlich für die gesamte IT in der Schule, somit für sämtliche Schüler- und Lehrergeräte. Durch die schulinternen EDV-Betreuer ist die Beauftragung externer EDV‑Spezialisten großteils vermeidbar.

[4] Ohne seine Vortätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG wäre es dem Kläger nicht möglich gewesen, Informatik und elektronische Datenverarbeitung zu unterrichten. Auch wenn im Bereich der Mittelschulen häufig Lehrer Fächer unterrichten müssen, die nicht ihrer fachbezogenen Ausbildung entsprechen, so ist dies gerade im Bereich Informatik und elektronische Datenverarbeitung nur mit entsprechenden Vorkenntnissen möglich, zumal diese Fächer noch nicht so lange im allgemeinen Lehrplan enthalten sind, dass alle Lehrer selbst durch ihre Schulausbildung eine Grundausbildung in diesem Bereich haben. Dies unterscheidet den Bereich Informatik und elektronische Datenverarbeitung von anderen Fächern.

[5] Auch für seine Tätigkeit im Bereich des IT‑Kustodiats war die Arbeit des Klägers bei der Ö* GmbH & Co KG entscheidend, weil dafür nicht nur Grundkenntnisse im IT‑Bereich, sondern fundierte und umfangreiche Kenntnisse im Bereich Datenverarbeitung, Netzwerkbetreuung, Hardware und Software notwendig sind. Derartige fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten sind in diesen Bereichen nur durch eine mehrjährige Tätigkeit in diesem Zusammenhang zu erwerben. Die Vordienstzeiten des Klägers im Ausmaß von sechs Jahren bei der Ö* GmbH & Co KG waren für diese Tätigkeit des Klägers in der Praxismittelschule der PH S* daher erforderlich.

[6] Die Beklagte rechnete dem Kläger zu Beginn seines Dienstverhältnisses an Vordienstzeiten nach § 26 Abs 2 Z 4 VBG sechs Monate Präsenzdienst sowie gemäß § 26 Abs 3 VBG zwei Jahre aufgrund seiner Tätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG an. Da der Kläger kein Master-Studium, sondern lediglich ein Bachelor-Studium mit weniger als 240 ECTS‑Anrechnungspunkten abgeschlossen hatte, erfolgte gemäß § 15 VBG ein Vorbildungsausgleich von zwei Jahren (unstrittig). Weil infolge einer Novelle des Dienstrechts die Deckelung der Anrechenbarkeit des Präsenzdienstes von sechs Monaten entfiel, rechnete die Beklagte dem Kläger im Jahr 2021 weitere zwei Monate Präsenzdienst an. Sein neuer Besoldungsstichtag wurde mit 1. 1. 2015 festgesetzt (unstrittig). Bis einschließlich August 2018 erhielt der Kläger das Monatsentgelt für vollbeschäftigte Vertragsbedienstete im pädagogischen Dienst gemäß § 18 LVG der Entlohnungsstufe pd1 und ab September 2018 jenes der Entlohnungsstufe pd2 bezahlt. Durch die Anrechnung weiterer zwei Monate des Präsenzdienstes als Vordienstzeiten wurde der Kläger bereits mit 1. 7. 2018 in die Entlohnungsstufe pd2 eingereiht. Die Gehaltsdifferenzen für Juli und August 2018 wurden ihm im August 2021 nachbezahlt.

[7] Der Kläger begehrt wegen unrichtiger Einstufung für den Zeitraum August 2018 bis August 2021 eine Entgeltdifferenz in Höhe von insgesamt 10.434,90 EUR brutto samt gestaffelten Zinsen sowie die Feststellung, dass er nach der Gehaltsstufe pd3 zu entlohnen sei und die nächste Gehaltsvorrückung in die Gehaltsstufe pd4 mit 1. 7. 2024 stattzufinden habe. Aufgrund seiner bei der Ö* GmbH & Co KG erworbenen Fachkunde habe eine fachliche Einarbeitung als Informatiklehrer sowie in den mit IT‑Technik in Zusammenhang stehenden Bereichen überwiegend unterbleiben können. Aufgrund seiner Expertise habe er nicht nur seine Unterrichtstätigkeiten (M/GW/IT), sondern auch das IT‑Kustodiat ohne Einarbeitungsphase antreten und – im Überausmaß – erfüllen können. Außerdem sei durch seine bei der Ö* GmbH & Co KG erworbene Routine ein erheblich höherer Arbeitserfolg gegeben gewesen. Wären ihm richtigerweise sechs Jahre (anstelle von zwei Jahren) an Vordienstzeiten angerechnet worden, wäre er bereits seit Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten in der Entlohnungsstufe pd2 einzustufen gewesen. Die nächste Gehaltsvorrückung in die Gehaltsstufe pd4 habe mit 1. 7. 2024 zu erfolgen.

[8] Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte zusammengefasst ein, dass eine Anrechnung von Vordienstzeiten ohne abgeschlossenes Lehramtsstudium nach der Anrechnungsverordnung nicht möglich sei. Aufgrund des geringen Anteils der Informatiktätigkeiten des Klägers bei der Ö* GmbH & Co KG sowie seiner nur eingeschränkten Verwendung in den ersten sechs Monaten als Informatik-Lehrperson habe weder eine fachliche Einarbeitung auf den neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben können noch sei ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten gewesen. Die vom Kläger begehrte Anrechnung zusätzlicher Vordienstzeiten sei daher weder nach § 26 Abs 3 VBG noch nach der Anrechnungsverordnung möglich.

[9] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren (mit Ausnahme eines Teils des Zinsenbegehrens) statt. Die Tätigkeit des Klägers bei der Ö* GmbH & Co KG sei im Umfang von sechs Jahren für einen erheblich höheren Gesamtarbeitserfolg des Klägers in seinen Funktionen als Lehrer im Bereich IT und EDV sowie als EDV-Beauftragter von maßgeblicher Bedeutung gewesen.Er habe daher diese Funktionen ohne Einarbeitungszeit und übergangslos ausüben können. Der Klägerhabe bei Dienstantritt einen im Vergleich zu einem durchschnittlichen Berufseinsteiger wesentlich höheren Arbeitserfolg erbringen können, der ohne seine Vorkenntnisse in diesem Bereich nicht erzielbar gewesen wäre. Dem Kläger seien daher nach § 26 Abs 3 VBG iVm § 1 Abs 1 der Anrechnungsverordnung die gesamten Vordienstzeiten im Ausmaß von sechsJahren anzurechnen. Wären dem Kläger also weitere vier Jahre an Vordienstzeiten angerechnet worden, wäre er von Beginn seines Dienstverhältnisses an bei der Beklagten in die Entlohnungsstufe pd2 und gemäß § 18 Abs 3 LVG ab 1. 7. 2019 in die Entlohnungsstufe pd3 einzureihen gewesen. Mit 1. 7. 2024 rücke er in die Entlohnungsstufe pd4 vor. Dem Kläger seien daher die geltend gemachten und richtig berechneten Entlohnungsdifferenzen zuzusprechen und dem Feststellungsbegehren stattzugeben gewesen.

[10] Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das gesamte Klagebegehren ab. Die Qualifikation der Vortätigkeit des Klägers bei der Ö* GmbH & Co KG als „einschlägig“ im Sinne der Anrechnungsverordnung scheide schon grundsätzlich aus, weil dem Kläger – ausgehend von einer Unterrichtstätigkeit in den Fächern Geographie und Wirtschaftskunde sowie Mathematik im Ausmaß von 16 Stunden und seiner Tätigkeit im „EDV-Bereich“ von acht Stunden – der Nachweis seiner überwiegenden Verwendung im „EDV-Bereich“ nicht gelungen sei. Eine Anrechnung nach § 4 Anrechnungsverordnung scheitere schon am inhaltlich engen Zusammenhang zwischen der Berufspraxiszeit und „dem Fach des abgeschlossenen Lehramtsstudiums“.

[11] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revisiondes Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem auf Wiederherstellung des Ersturteils gerichteten Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[12] Die Beklagte beantragt in ihrer vom Senat freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision des Klägers ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

[14] 1.1. Zwischen den Parteien ist unstrittig, dass das Dienstverhältnis des Klägers zum beklagten Land dem Landesvertragslehrpersonengesetz 1966 (LVG 1966) idgF unterliegt (§ 1) und die Bestimmungen des VBG 1948 idF BGBl I 2015/65 anzuwenden sind.

[15] 1.2. Gemäß § 26 Abs 3 Satz 1 VBG 1948 in der hier anzuwenden Fassung sind über die in § 26 Abs 2 angeführten Zeiten hinaus „Zeiten der Ausübung einer einschlägigen Berufstätigkeit oder eines einschlägigen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar“. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist gemäß Abs 3 Satz 2 leg cit einschlägig, „insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die 1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder 2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist“.

[16] 1.3. Gemäß § 18 Abs 3 Satz 1 LVG 1966 ist § 26 Abs 3 VBG 1948 mit der Maßgabe anzuwenden, dass mit Wirkung für die Dauer der Zugehörigkeit zur Entlohnungsgruppe pd nach dieser Bestimmung Zeiten bis zum Höchstausmaß von zwölf Jahren berücksichtigt werden können. Gemäß § 18 Abs 3 Satz 2 LVG 1966 können durch Verordnung der zuständigen Bundesministerin oder des zuständigen Bundesministers berufliche Tätigkeiten, die wegen ihrer Einschlägigkeit die inhaltlichen Erfordernisse des § 26 Abs 3 VBG 1948 erfüllen, festgelegt werden.

[17] 1.4. Aufgrund des § 18 Abs 3 LVG 1966 – sowie des § 46 Abs 3 VBG 1948 – erging die Verordnung der Bundesministerin für Bildung und Frauen über die Berücksichtigung von Berufspraxiszeiten für Vertragsbedienstete im Pädagogischen Dienst, BGBl II 2015/283 (in der Folge: Anrechnungsverordnung).

[18] 1.4.1. Nach § 1 Abs 1 Anrechnungsverordnung sind einschlägige Berufstätigkeiten als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter gemäß § 26 Abs 3 VBG 1948 „anrechenbar, insoweit durch die damit vermittelte fachliche Erfahrung eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist“. Einschlägigkeit liegt gemäß § 1 Abs 3 Anrechnungsverordnung vor, „wenn die Berufspraxis ihrem Inhalt nach einschlägig in Bezug auf den überwiegenden Teil der vorgesehenen Verwendung ist“. Anrechenbare Berufspraxiszeiten im Sinne der Verordnung sind gemäß deren § 1 Abs 5 Zeiten, die zum Zeitpunkt des Beginns des Dienstverhältnisses nicht mehr als 20 Jahre zurückliegen.

[19] 1.4.2. Für sogenannte „Quereinsteiger“ sind gemäß § 3 Abs 1 Anrechnungsverordnung über die gemäß § 2 (Anrechnung von Zeiten einer vorgeschriebenen Berufspraxis) anzurechnenden Berufspraxiszeiten hinaus weitere die Begriffsbestimmungen des § 1 erfüllende einschlägige Berufspraxiszeiten soweit anzurechnen, als diese in Verbindung mit den gemäß § 2 anzurechnenden Zeiten das Ausmaß von zwölf Jahren nicht überschreiten. Nach Abs 2 Z 5 leg cit kommen als gemäß Abs 1 anzurechnende Berufspraxiszeiten für die Verwendung zB im Unterrichtsgegenstand Informations- und Officemanagement an Lehranstalten für wirtschaftliche Berufe einschlägige Tätigkeiten in Unternehmen in Betracht.

[20] 1.4.3. § 4 Anrechnungsverordnung enthält Bestimmungen über die Anrechnung von Berufspraxiszeiten für Absolventinnen und Absolventen eines Lehramtsstudiums im Bereich der Allgemeinbildung (§ 38 Abs 2 und 7 VBG, § 3 Abs 2 und 7 LVG). Nach dessen Abs 2 sind für Lehrkräfte mit dem Fach des abgeschlossenen Lehramtsstudiums inhaltlich in engem Zusammenhang stehende einschlägige Berufspraxiszeiten (gegebenenfalls zusätzlich zu Zeiten gemäß Abs 1) bis zum Gesamtausmaß von sechs Jahren als Vordienstzeit anzurechnen. Als einschlägige Berufspraxiszeiten im Sinne des Abs 2 gelten nach Abs 3 ua die in § 3 Abs 4 Anrechnungsverordnung genannten, also nach dessen Z 4 für die Verwendung im Unterrichtsgegenstand Mathematik einschlägige Tätigkeiten in der Forschung oder Analytik oder im Versicherungs- und Bankenwesen.

[21] 2. Bereits zu früheren Fassungen des § 26 Abs 3 VBG hat der Oberste Gerichtshof festgehalten, dass die Frage der Vollberücksichtigung der anrechenbaren Zeiten in jedem Einzelfall aufgrund der konkreten Gegebenheiten nach dem Gesetz zu lösen ist, wobei es auf einen Vergleich mit Laufbahnen anderer Bediensteter nicht ankommt. Entscheidend ist vielmehr, ob die Vortätigkeit von einer derart qualifizierten Bedeutung ist, dass der durch sie verursachte Erfolg der Verwendung ohne die Vortätigkeit nur in einem beträchtlich geringeren Ausmaß gegeben wäre (RS0059620). Anrechenbar sind nur Zeiten, die ua nicht ohnehin von der Mehrheit der potentiellen Bewerber vorgewiesen werden können. Maßgeblich für die Beurteilung ist nicht der Kreis der tatsächlichen Bewerber, sondern jener Personenkreis, auf den eine entsprechende Ausschreibung typischerweise zutreffen würde (objektiver Maßstab). Praktisch geht es daher vor allem um Zeiten, durch welche sich der Bedienstete hinsichtlich seiner Verwendbarkeit deutlich von typischen Berufseinsteigern abhebt. Eine Berufstätigkeit kann im Ergebnis nur dann einschlägig sein, wenn sie zu einer erheblich besseren Verwendbarkeit im Vergleich zu einem durchschnittlichen Berufseinsteiger führt. Dieser Vergleich ist zur Beurteilung stets anzustellen. Eine bloß fachverwandte Vortätigkeit genügt für sich alleine nicht für eine Anrechnung. Maßgeblich ist vielmehr stets die Frage der besseren Verwendbarkeit. Ein Indiz zur Beurteilung der Verwendbarkeit ist dabei vor allem die Frage, ob der Bedienstete deutlich schlechter verwendbar wäre, wenn man sich die zu beurteilende Vordienstzeit wegdenkt – also ob dann zB längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem neuen Arbeitsplatz notwendig wäre, oder ob der Bedienstete die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnte (8 ObA 26/18h Pkt 1. zu den Materialien zu § 26 Abs 3 VBG 1948 bzw § 12 Abs 3 GehG idF BGBl I 2015/65, RV 585 BlgNR 25. GP  8.).

[22] 3. Zwischen den Parteien ist zunächst strittig, auf welchen Zeitraum bei der Prüfung der Anrechnung von Vordienstzeiten abzustellen ist.

[23] 3.1. Mit Art 3 Z 9 der Dienstrechts‑Novelle 2020, BGBl I 2020/153 wurde folgender Satz in § 26 Abs 3 VBG 1948 eingefügt: „Für den Vergleich ist der Arbeitsplatz maßgebend, mit dem die oder der Vertragsbedienstete in den ersten sechs Monaten des vertraglichen Bundesdienstverhältnisses überwiegend betraut ist.“ Diese in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (461 BlgNR 27. GP  10) nicht weiter kommentierte Ergänzung des § 26 Abs 3 VBG (und auch des inhaltsgleichen § 12 Abs 3 GehG) hat insofern inhaltlich keine Änderung der Rechtslage vor der Dienstrechts-Novelle 2020 bewirkt. Nach der bereits davor ergangenen Rechtsprechung des Oberste Gerichtshofs war bei der Prüfung der Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten nach § 26 Abs 3 VBG 1948 (hier iVm § 18 LVG 1966) nicht auf allfällige zukünftige Verwendungen abzustellen, sondern auf die mit dem Einstiegsarbeitsplatz verbundenen Tätigkeiten (8 ObA 26/18h [Pkt 3, 4.1]; 9 ObA 47/19f [Pkt.3.2.]; Steininger, Vertragsbedienstetengesetz 1948 § 26 E 2).

[24] 3.2. Ausgangspunkt der hier vorzunehmenden Beurteilung ist daher hier die Verwendung des Klägers im Wintersemester 2015/2016, in dem er nach den Feststellungen acht Wochenstunden Geographie und Wirtschaftskunde, acht Wochenstunden Mathematik und fünf Wochenstunden elektronische Datenverarbeitung bzw Informatik unterrichtet hat und daneben „mehr als drei Stunden wöchentlich“ in der EDV‑Betreuung (IT‑Kustodiat) tätig war.

[25] 4.1. Uneins sind sich die Parteien auch darüber, ob die Einschlägigkeit der Berufstätigkeit in Bezug auf den „überwiegenden Teil“ der vorgesehenen Verwendung erfolgen muss. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, der Kläger habe nicht nachweisen können, dass er in seinem ersten Schuljahr mehr als acht Stunden im EDV-Bereich eingesetzt worden sei, weshalb er unter Berücksichtigung von je acht Unterrichtsstunden Mathematik sowie Geographie und Wirtschaftskunde nicht überwiegend im Sinne des § 1 Abs 3 Anrechnungsverordnung im EDV‑Bereich eingesetzt worden sei, wird vom Senat nicht geteilt.

[26] 4.2. Mit der Anrechnungsverordnung sollen zufolge ihrer Erläuterungen die für die Festlegung des Besoldungsdienstalters jedenfalls zu berücksichtigenden einschlägigen beruflichen Tätigkeiten klargestellt werden und damit die Personalstellen bei der Vollziehung des § 26 Abs 3 VBG unterstützt sowie zugleich ein einheitlicher Vollzug bei der Anrechnung von einschlägigen Berufspraxiszeiten sichergestellt werden (Vorblatt, Allgemeiner Teil). Da nichtunterrichtliche Tätigkeiten sich im Regelfall erheblich von Lehrtätigkeiten unterscheiden, genügt für die Einschlägigkeit der betreffenden Tätigkeit für die Verwendung im Lehrberuf, dass diese inhaltlich zumindest überwiegend den Aufgabenbereich der vorgesehenen Lehrtätigkeit betreffen (Besonderer Teil zu § 1). Die Bestimmungen des § 26 Abs 3 VBG und § 18 Abs 3 LVG 1966 sind inhaltsgleich mit der Bestimmung des § 1 Abs 1 Anrechnungsverordnung; diese entfaltet „keine einschränkende Bindung“ (9 ObA 47/19f [Pkt 3.1. f]).

[27] 4.3. Der Oberste Gerichtshof hat zu § 26 Abs 3 VBG bereits wiederholt im Sinne einer Gleichbehandlung öffentlich Bediensteter mit den Vertragsbediensteten den Gleichklang mit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur gleichlautenden Bestimmung des § 12 Abs 3 GehG beachtet (RS0059610). Diese kann auch hier nutzbar gemacht werden.

[28] 4.4. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs(VwGH 92/12/0206; 98/12/0151 ua) muss zwar die besondere Bedeutung der Vortätigkeit nicht für den gesamten Tätigkeitsbereich des Beamten gegeben sein; wenn aber die konkrete Vortätigkeit und die dadurch gewonnene spezifische (nicht allgemeine) Berufserfahrung von vornherein nur für einen kleinen Teil der beruflichen Aufgabenstellung des Beamten sachlich überhaupt in Frage kommt, kann im Regelfall nicht davon ausgegangen werden, dass diese Vortätigkeit für die erfolgreiche Verwendung des Beamten von besonderer Bedeutung gewesen ist. § 1 Abs 3 Anrechnungsverordnung, wonach Einschlägigkeit vorliegt, wenn die Berufspraxis ihrem Inhalt nach einschlägig in Bezug auf den überwiegenden Teil der vorgesehenen Verwendung ist, ist daher so zu verstehen, dass eine Vortätigkeit im Hinblick auf die zu dieser Vortätigkeit dazugehörende vorgesehene Verwendung überwiegend einschlägig sein muss, also hier die EDV‑Vortätigkeit des Klägers zur Verwendung als Lehrer für Informatik und elektronische Datenverarbeitung bzw im Rahmen des IT‑Kustodiats. § 1 Abs 3 Anrechnungsverordnung stellt somit eine inhaltliche Schranke der Einschlägigkeit in Bezug auf das vorgesehene Unterrichtsfach bzw die vorgesehene Verwendung auf, nicht aber in Bezug auf das vorgesehene Verwendungsausmaß. Dass der Kläger in den ersten sechs Monaten seiner Verwendung an der PH S* wöchentlich acht Wochenstunden Geographie und Wirtschaftskunde, acht Wochenstunden Mathematik, nach den Feststellungen jedoch lediglich fünf Wochenstunden elektronische Datenverarbeitung bzw Informatik unterrichtete und mehr als drei Stunden wöchentlich mit Aufgaben des IT‑Kustodiats befasst war, schließt die Anrechnung seiner EDV‑Vortätigkeit nicht von vornherein aus. Davon ging offenbar auch die Beklagte aus, hat sie ihm doch zwei Jahre dieser Vortätigkeit bei Beginn des Dienstverhältnisses angerechnet.

[29] 5.1. Die Frage, ob und inwieweit durch die dem Kläger bei der Ö* GmbH & Co KG vermittelte fachliche Erfahrung eine fachliche Einarbeitung auf seinem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben konnte oder ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten war, kann aufgrund des bislang festgestellten Sachverhalts aber noch nicht abschließend beantwortet werden. Der Rechtsansicht des Erstgerichts, eine fachliche Einarbeitung des Klägers als Lehrer im Bereich IT und EDV sowie als IT‑Beauftragter habe sich wegen seiner Vortätigkeit zur Gänze erübrigt, liegt keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage zugrunde.

[30] 5.2. Wie bereits unter Pkt 2. dargelegt, kann eine Berufstätigkeit nur dann einschlägig sein, wenn sie zu einer erheblich besseren Verwendbarkeit im Vergleich zu einer durchschnittlichen Berufseinsteigerin oder einem durchschnittlichen Berufseinsteiger führt. Dieser stets anzustellende Vergleich kann aber derzeit mangels entsprechender Feststellungen nicht angestellt werden. Die Feststellung, dass es dem Kläger ohne seine Vortätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG nicht möglich gewesen wäre, Informatik und elektronische Datenverarbeitung zu unterrichten, genügt für diese Einschätzung nicht. Ein Indiz zur Beurteilung der Verwendbarkeit ist dabei vor allem die Frage, ob der Bedienstete deutlich schlechter verwendbar wäre, wenn man sich die zu beurteilende Vordienstzeit wegdenkt – also ob dann zB eine längere fachliche Einarbeitung und Einschulung auf dem neuen Arbeitsplatz notwendig wäre, oder ob der Bedienstete die Aufgaben für einen beachtlichen Zeitraum mangels Routine nur deutlich langsamer oder deutlich fehleranfälliger erfüllen könnten (vgl 8 ObA 26/18h). In diesem Zusammenhang fehlen auch konkretere Feststellungen zur Tätigkeit des Klägers im Rahmen des IT‑Kustodiats in den ersten sechs Monaten seiner Beschäftigung bei der Beklagten.

[31] 5.3. Wird davon ausgegangen, dass sich der Kläger durch seine Vortätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG hinsichtlich seiner Verwendbarkeit deutlich von typischen Berufseinsteigern – das ist jener Personenkreis, auf den die gegenständliche Ausschreibung typischerweise zutreffen würde – abhebt, ist weiters zu beurteilen, ob für diese erheblich bessere Verwendbarkeit des Klägers – wie von der Beklagten behauptet – weniger als sechs (nämlich ihrer Ansicht nach zwei) Vordienstjahre genügten. Es fehlen daher auch konkrete Feststellungen dazu, in welchem Umfang die Vordienstzeiten für den erheblich höheren Gesamtarbeitserfolg des Klägers tatsächlich erforderlich waren bzw ob der erheblich höhere Gesamtarbeitserfolg im gleichen Ausmaß auch bei einer kürzeren Vorverwendung eingetreten wäre (vgl 8 ObA 26/18h Pkt 4.2.). Erst aufgrund dieser noch zu treffenden Feststellungen wird beurteilt werden können, ob die Vordienstzeiten des Klägers zur Gänze oder bloß zum Teil als einschlägig nach § 18 Abs 3 LVG 1966 iVm § 26 Abs 3 VBG 1948 idF BGBl I 2015/65 und §§ 1, 3 Anrechnungsverordnung im höchstzulässigen Ausmaß oder nur teilweise (zeitlich begrenzt) anzurechnen sind.

[32] 5.4. Im vorliegenden Fall kann nach den Feststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass die Vortätigkeit und die dadurch gewonnene spezifische Berufserfahrung des Klägers von vornherein nur für einen kleinen Teil seiner Verwendung bei der Beklagten von Bedeutung ist. Allerdings wird beim Ausmaß einer allfälligen Anrechnung zu berücksichtigen sein, dass die vom Kläger durch seine Vortätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG gewonnene Berufserfahrung nicht für seine gesamte Verwendung, sondern (gegebenenfalls) nur für einen Teil davon (jedenfalls für seine Unterrichtstätigkeit elektronische Datenverarbeitung bzw Informatik) von besonderer Bedeutung war (vgl VwGH 98/12/0151; VwGH Ra 2019/12/0045).

[33] 6. Ob der Kläger mit seinem Berufungsvorbringen zurEinschlägigkeit seiner Vordienstzeiten bei der Ö* GmbH & Co KG im Hinblick auf seine Lehrtätigkeit im Fach Mathematik gegen das Neuerungsverbot verstoßen hat (so das Berufungsgericht), kann hier dahingestellt bleiben. Der Kläger hat jedenfalls bislang kein (hinreichendes) Vorbringen dahin erstattet, wonach davon ausgegangen werden könnte, dass zwischen seiner Tätigkeit bei der Ö* GmbH & Co KG und seiner Unterrichtstätigkeit im Fach Mathematik der nach § 4 Abs 2 Anrechnungsverordnung geforderte inhaltlich enge Zusammenhang gegeben wäre.

[34] In Stattgebung der Revision des Klägers waren die Entscheidungen der Vorinstanzen daher aufzuheben.

[35] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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