Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst dahin zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 812,47 (= ATS 11.171,80, darin EUR 135,41 = ATS 1.863,30 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde am 2. 1. 1984 als Vertragsbediensteter der Landeshauptstadt Klagenfurt aufgenommen und bei den Stadtwerken Klagenfurt als Busfahrer eingesetzt. Mit 1. 7. 1989 wurde er unkündbar gestellt. Alle Bediensteten, die - wie auch der Kläger - zum 30. 9. 2000 in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zur Landeshauptstadt Klagenfurt standen und bei den Stadtwerken organisatorisch eingegliedert waren, wurden von der beklagten Partei mit allen Rechten und Pflichten übernommen. Grundlage der Dienstverhältnisse waren und blieben die Bestimmungen der den Einzelverträgen als Vertragsschablone zugrunde gelegten Vertragsbedienstetenordnung der Landeshauptstadt Klagenfurt. Diese ist somit auch Vertragsgrundlage des Dienstverhältnisses zwischen Kläger und beklagter Partei. Die Disziplinarkommission der Landeshauptstadt Klagenfurt verhängte mit Disziplinarerkenntnis vom 3. 10. 2000 über den Kläger die "Disziplinarstrafe" der Entlassung, wobei ihm eine Reihe schuldhafter Dienstpflichtverletzungen vorgeworfen wurde. Der dagegen erhobenen Berufung des Klägers gab die Disziplinaroberkommission beim Magistrat Klagenfurt für unkündbare Vertragsbedienstete keine Folge und erachtete mit Disziplinarerkenntnis vom 22. 1. 2001 die Entlassung "als Disziplinarstrafe" als angemessen. Der Betriebsrat gab keine Zustimmungserklärung, und kam einer Aufforderung des Klägers zur Anfechtung der Entlassung nicht nach.
Mit seiner als "Anfechtungsklage" bezeichneten Klage vom 30. 1. 2001 begehrte der Kläger, dass "das durch die Disziplinaroberkommission beim Magistrat Klagenfurt für unkündbar gestellte Vertragsbedienstete mit Disziplinarerkenntnis vom 22. 1. 2001 bestätigte Erkenntnis der Disziplinarkommission vom 3. 10. 2000, womit über den Kläger die Disziplinarstrafe der Entlassung als schuldangemessen verhängt wurde, für rechtsunwirksam erklärt werde".
Die Kündigung bzw Entlassung sei sozial ungerechtfertigt, es würden wesentliche Interessen des Klägers beeinträchtigt, insbesondere sein Interesse am Erhalt eines unkündbaren Arbeitsplatzes als Vertragsbediensteter. Es gebe weder Gründe in der Person des Klägers noch betriebliche Interessen der beklagten Partei, welche einer Weiterbeschäftigung des Klägers entgegenstünden. Es werde der Anfechtungsgrund gemäß § 105 Abs 3 Z 1 lit e ArbVG geltend gemacht, da im Zuge des Disziplinarverfahrens hervorgekommen sei, dass die beklagte Partei dem Kläger erst Schwierigkeiten gemacht habe, als sie erfahren habe müssen, dass der Kläger als Betriebsrat bzw Personalvertreter kandidieren wolle. Sämtliche ihm zur Last gelegten Verstöße habe er überhaupt nicht begangen, bzw rechtfertigten diese keine Entlassung. Die Entlassung sei rechtswidrig.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Dieses sei schon im Ansatz verfehlt, weil eine Anfechtungsklage eine wirksame Beendigung des Dienstverhältnisses voraussetze. Infolge des vertraglichen Kündigungsschutzes könne daher eine - wie vom Kläger behauptete - unberechtigte Entlassung keine wirksame Beendigung des Dienstverhältnisses herbeigeführt haben. Eine solche Unwirksamkeit sei aber nicht mit Rechtsgestaltungs- sondern mit Feststellungsklage zu bekämpfen.
Im Übrigen sei die Entlassung zu Recht erfolgt, weil der Kläger die ihm vorgeworfenen Verstöße schuldhaft gesetzt habe.
Dem hielt der Kläger entgegen, dass er ein rechtliches Interesse daran habe, dass festgestellt werde, dass die ihm gegenüber ausgesprochene Entlassung "als rechtsunwirksam festgestellt werde". Um so größer sei das Interesse, dass die rechtswirksam erfolgte Entlassung durch die Disziplinaroberkommission für rechtsunwirksam erklärt werde, zumal keine Kündigungsmöglichkeit bestehe. Ein "berechtigtes rechtliches Interesse an der Feststellung der Rechtsunwirksamkeit" des gegen den Kläger gefällten Disziplinarerkenntnisses ergebe sich auch daraus, dass die dem Kläger vorgeworfenen Verstöße gar nicht mehr hätten herangezogen werden dürfen, weil diese Verfehlungen jedenfalls auch verjährt seien. Ergänzend wurde vorgebracht, dass der Kläger dem Kreis der begünstigen Behinderten im Sinn des § 2 Abs 1 Behinderteneinstellungsgesetz angehöre. Die beklagte Partei habe es unterlassen, die im Behinderteneinstellungsgesetz vorgesehene Vorgangsweise bei der Beendigung des Dienstverhältnisses einzuhalten. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ausgehend vom unstrittigen Sachverhalt erachtete es die Rechtssache für spruchreif im Sinne einer Abweisung. Sei nämlich - wie im vorliegenden Fall - ein Arbeitsverhältnis unkündbar, könne eine unberechtigte Entlassung nie zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses führen. Voraussetzung für eine Rechtsgestaltungsklage nach §§ 105, 106 ArbVG sei aber, dass die Beendigung des Arbeitsverhältnisses an sich wirksam gewesen sei. Eine unwirksame Entlassung sei daher nicht mit Rechtsgestaltungs-, sondern mit einer Feststellungsklage betreffend das aufrechte Bestehen des Arbeitsverhältnisses zu bekämpfen. Dies gelte auch für eine unberechtigte Entlassung gegenüber einem durch das Behinderteneinstellungsgesetz kündigungsgeschützten Arbeitnehmer. In seiner Berufung legt sich der Kläger dahin fest, dass "er ein rechtliches Interesse daran habe, dass mit der vorliegenden Rechtsgestaltungsklage das nach wie vor im Rechtsbestand befindliche Disziplinarerkenntnis .... aus dem Rechtsbestand entfernt werde". Seine Anfechtung hielt er überdies nur wegen einer "Motivkündigung", nicht jedoch auch wegen Sozialwidrigkeit oder wegen einer Unwirksamkeit auf Grund des Behinderteneinstellungsgesetzes aufrecht. Das Berufungsgericht hob das angefochtene Urteil auf und wies die Arbeitsrechtssache zur Verhandlung und Urteilsfällung an das Erstgericht zurück. Es erklärte weiters den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Urteil des Erstgerichtes an einem Feststellungsmangel infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung leide. Wenngleich sich nach den erkennbaren Rechtsschutzzielen des Klägers ein Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit der Disziplinarerkenntnisse in Verbindung mit einem Begehren auf Feststellung des aufrechten Bestandes des Dienstverhältnisses angeboten habe, könne nicht übersehen werden, dass nach der Rechtsprechung auch Disziplinarerkenntnisse überprüfbar seien, und zwar sowohl in Bezug auf die tatsächliche Begehung angelasteter Verfehlungen als auch auf Mängel im Zuge des Disziplinarverfahrens. Das Erstgericht hätte sich daher nicht auf die sachliche Prüfung eines Anspruches nach §§ 105, 106 ArbVG bzw des Behinderteneinstellungsgesetzes beschränken dürfen. Für die Beurteilung des darüber hinaus gehenden Begehrens mangle es aber an den erforderlichen Feststellungen.
Die Zulassung des Rekurses an den Obersten Gerichtshofes sei zweckmäßig, weil für den Fall, dass lediglich eine Entlassungsanfechtung im Sinne der §§ 106, 105 ArbVG bzw nach den Behinderteneinstellungsgesetz vorliege, bereits eine abschließende Beurteilung möglich wäre und diesfalls ein erheblicher Prozessaufwand vermieden werden könnte.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde. Der Kläger beantragte, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist berechtigt.
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, wonach eine Umdeutung des nicht sehr präzisen Klagevorbringens möglich gewesen wäre, kann allenfalls noch für das Verfahren erster Instanz gelten. Spätestens in seiner Berufung hat sich der Kläger darauf festgelegt, mit seiner Klage das Disziplinarerkenntnis "aus dem Rechtsbestand entfernen lassen zu wollen".
Einem solchen Begehren kann aber schon im Ansatz kein Erfolg beschieden sein:
Die Bestimmungen des 5. Hauptstückes ("Die Betriebsvereinbarung") des I. Teiles des ArbVG sowie des II. Teiles des ArbVG ("Betriebsverfassung") gelten auch für Betriebe der Gemeinden. Damit scheidet aber infolge der Möglichkeit, Betriebsvereinbarungen zu schließen, die einzelvertragliche Einführung einer Disziplinarordnung aus (DRdA 1995/23 [Strasser]). Eine nichtige Disziplinarordnung kann aber keine Rechtswirkungen entfalten, sodass eine Rechtsgestaltungsklage verfehlt ist. Für eine Feststellungsklage mangelt es wiederum am rechtlichen Interesse, weil, worauf noch einzugehen ist, die Beschwer nicht durch das Disziplinarerkenntnis, sondern durch die Entlassung selbst gegeben ist.
Selbst dann, wenn man eine wirksam vereinbarte Disziplinarordnung unterstellen wollte, bliebe das Ergebnis einer verfehlten Klage dasselbe:
Der Kläger bekämpft nämlich nicht eine durch den Arbeitgeber ausgesprochene Entlassung, sondern die "Vorstufe" des auf Entlassung lautenden Disziplinarerkenntnisses. Abgesehen davon, dass strittig ist, ob sich der Arbeitgeber in Fällen einer wirksamen Disziplinarordnung für den Ausspruch einer Entlassung überhaupt an den Entscheid einer Disziplinarkommission binden kann, steht jedenfalls fest, dass nicht die Entscheidung der Kommission, sondern erst der Ausspruch durch den Arbeitgeber die Entlassung und somit die Auflösung des Arbeitsverhältnisses bewirken kann (vgl SZ 64/154). Für einen rechtsgestaltenden Eingriff in die Entscheidung der Disziplinarkommission durch das Gericht mangelt es an einer Rechtsgrundlage, für ein Feststellungsbegehren am erforderlichen gesonderten rechtlichen Interesse.
Somit erweist sich die Arbeitsrechtssache als entscheidungsreif im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO. Obwohl der Kläger das Klagebegehren nicht nur auf betriebsverfassungsrechtliche Ansprüche gestützt hat, verzeichnete die beklagte Partei keine Kosten für ihre Berufungsbeantwortung. Somit hat eine Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens zu unterbleiben.
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