Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, die bei der Gemeinschuldnerin schon früher (27. 7. 1987 bis 30. 9. 1990 und vom 8. 3. bis 4. 5. 2004) beschäftigt gewesen war, wurde ab 1. 10. 2004 (neuerlich) als Angestellte eingestellt. Dabei wurde weder ausdrücklich vereinbart, dass der erste Monat als Probemonat gilt, noch wurde eine Probezeit ausgeschlossen. Nach der Konkurseröffnung über das Vermögen der Gemeinschuldnerin am 15. 10. 2004 erklärte die Klägerin am 27. 10. 2004 die vorzeitige Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses durch Austritt.
Strittig ist, ob ein unbefristetes Dienstverhältnis begründet wurde und der Klägerin beendigungsabhängige Ansprüche zustehen, die sie im Konkursverfahren angemeldet hat.
Die Klägerin begründete ihr Begehren auf Feststellung des Bestehens der angemeldeten Konkursforderung im Wesentlichen damit, sie sei deshalb wieder eingestellt worden, weil Ende September ein Arbeitnehmer aus dem Betrieb der Gemeinschuldnerin ausgeschieden sei und die Fähigkeiten der bereits eingearbeiteten Klägerin dringend benötigt worden seien. Die Berufung auf eine nach dem anzuwendenden Kollektivvertrag im Regelfall geltende Probezeit für den ersten Monat eines Beschäftigungsverhältnisses verstoße in einem Fall wie dem vorliegenden gegen Treu und Glauben. Es würde gegen den Zweck des § 19 Abs 2 AngG verstoßen, im vorliegenden Fall die Möglichkeit anzunehmen, das Dienstverhältnis während der Probezeit lösen zu können.
Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen ein, die Klägerin sei zwecks Vorbereitung der Arbeiten für die bevorstehende Konkursantragstellung aufgenommen worden. Sie habe gewusst, dass die Konkurseröffnung in Kürze beantragt werde. Es wäre sinnwidrig, entgegen dem Kollektivvertrag kein Probemonat zu vereinbaren, wenn die Vorbereitungen zur Einleitung des Konkursverfahrens bereits laufen.
Das Erstgericht gab dem Feststellungsbegehren statt. Nach dem zur Anwendung kommenden Kollektivvertrag für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben gelte für alle Angestellten der erste Monat als Probemonat iSd § 19 Abs 2 AngG, soweit keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Der Sinn eines Probemonats liege allerdings darin, dem Arbeitgeber die Möglichkeit zu geben, sich davon zu überzeugen, ob der Arbeitnehmer sich für die zugedachte Stellung eigne, bevor er ihn endgültig in den Dienst nimmt; andererseits solle auch der Arbeitnehmer Gelegenheit haben, die Verhältnisse im Betrieb kennenzulernen. Eine derartige Interessenlage habe im vorliegenden Fall nicht bestanden, habe die Klägerin doch nicht nur ihre gesamte Lehrzeit bei der Gemeinschuldnern absolviert, sondern sei auch im Frühjahr 2004 nochmals bei dieser tätig gewesen. In Konstellationen, in denen Arbeitsverhältnisse von nur kurzer Unterbrechungsdauer geprägt seien und sich auch aus den sonstigen Umständen keine Zweifel an den Fähigkeiten des Arbeitnehmers ergeben, habe die Regelung des Kollektivvertrags über den Probemonat keinen Anwendungsbereich. Ein allenfalls nur kurzfristig bestehender Bedarf nach einer Arbeitskraft hätte durch ein befristetes Dienstverhältnis oder einen Arbeitsvertrag zum vorübergehenden Bedarf gemäß § 20 Abs 5 AngG befriedigt werden können. Im vorliegenden Fall habe die erste Zeit des (neuen) Dienstvertrags eindeutig weder einer „Probe", einem „Kennenlernen" oder der „Prüfung der Eignung" gedient, sodass ein unbefristetes Dienstverhältnis ohne die Vereinbarung einer Probezeit zustandegekommen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Nach dem Wortlaut der kollektivvertraglichen Bestimmung wäre jedes Dienstverhältnis innerhalb des ersten Monats jederzeit lösbar. Es bestehe auch kein Zweifel, dass mangels anderslautender Vereinbarung bei erstmaliger Begründung eines Arbeitsverhältnisses eine einmonatige Probezeit als vereinbart gelte. Dies sei jedoch nicht ohne Weiteres auf ein späteres, neuerliches Dienstverhältnis zwischen denselben Vertragspartnern zu übertragen. Das Erstgericht habe zutreffend den Zweck der Probezeit dargelegt. Dass eine Probezeit auch im Anschluss an ein bereits beendetes Arbeitsverhältnis vereinbart werden könne, habe der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 59/63 zu einem besonderen Sachverhalt ausgesprochen, in dem der Arbeitgeber feststellen habe wollen, ob sich Arbeitsweise und Arbeitseinstellung des Arbeitnehmers seit der Beendigung des früheren Dienstverhältnisses gebessert haben. Ohne eine derartige besondere sachliche Rechtfertigung sei die Vereinbarung einer Probezeit grundsätzlich nur zu Beginn des erstmaligen Dienstverhältnisses möglich. Eine nach ihrem Wortlaut überschießende Regelung sei teleologisch zu reduzieren. Die kollektivvertragliche Regelung gelte daher bei aufeinanderfolgenden, inhaltlich gleichen Dienstverhältnissen nur für das erste, nicht aber für Folgedienstverhältnisse, sofern nicht besondere Umstände die neuerliche Erprobung erforderlich machten. Derartige Umstände habe die Beklagte gar nicht behauptet. Es sei auch nicht Sinn und Zweck der Probezeit, die Zeit bis zu einer absehbaren Konkurseröffnung zu überbrücken und dafür eine erleichterte Lösbarkeit des Dienstverhältnisses zu gewährleisten. Die Probezeit diene nicht der Umgehung arbeitsrechtlicher Beendigungsvorschriften. Zutreffend habe das Erstgericht bereits auf die Möglichkeiten der Vereinbarung eines Dienstverhältnisses für die Zeit eines vorübergehenden Bedarfs oder eines befristeten Dienstverhältnisses hingewiesen. Die ordentliche Revision sei zulässig, da zur Auslegung der einschlägigen Bestimmung des Kollektivvertrags in Bezug auf gleichartige, aufeinanderfolgende Dienstverhältnisse keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht berechtigt. Soweit sich die Revisionswerberin mit der grundsätzlichen Frage der Zulässigkeit einer teleologischen Reduktion auseinandersetzt und dabei insbesondere damit argumentiert, ein solches methodisches Vorgehen sei unzulässig, wenn die strikte Einhaltung der konkreten Vorschrift durch ein vorrangiges Interesse an der Rechtssicherheit geboten sei, übersieht sie, dass die kollektivvertragliche Vorschrift die Fiktion („gilt") der Vereinbarung eines Probemonats gemäß § 19 Abs 2 AngG nur für den Fall vorsieht, dass keine andere Vereinbarung getroffen wurde. Eine solche abweichende Vereinbarung kann aber nicht nur ausdrücklich, sondern auch schlüssig getroffen werden, bzw sich aus ergänzender Vertragsauslegung ergeben. Im vorliegenden Fall ist zu beachten, dass die Revisionswerberin das Vorbringen der Klägerin, sie sei deshalb (kurzfristig) eingestellt worden, weil ein Arbeitnehmer aus dem Betrieb ausgeschieden sei und ihre Fähigkeiten dringend benötigt worden seien, inhaltlich nicht bestritten hat. Unter diesen Umständen muss jedoch schon deshalb ein - zumindest schlüssiges - Abbedingen einer Probezeit angenommen werden, weil es dem Dienstgeber ganz offensichtlich besonders wichtig war, sich die Arbeitsleistungen der Klägerin zu sichern, und er ihr keinesfalls die Möglichkeit einräumen wollte, ihre Tätigkeit bereits nach wenigen Tagen wieder zu beenden. Insoweit weicht der vorliegende Sachverhalt erheblich von dem zu 8 ObA 42/05t beurteilten ab. Kann nun ein Probedienstverhältnis bereits im Wege der Auslegung des Einzeldienstvertrags ausgeschlossen werden, stellt sich die Frage nicht mehr, in welchen Fallkonstellationen ein neues Dienstverhältnis mit einem früheren Dienstnehmer entgegen der generellen kollektivvertraglichen Anordnung allenfalls nicht mit einem Probemonat beginnt.
Da weder eine Befristung noch ein Dienstverhältnis gemäß § 20 Abs 5 AngG vereinbart wurde, liegt ein Dienstvertrag auf unbestimmte Zeit vor. Selbst wenn die Klägerin - was nicht festgestellt wurde - Kenntnis von der bevorstehenden Konkurseröffnung gehabt haben sollte, kann von einem sittenwidrigen Vertrag schon deshalb nicht gesprochen werden, weil nicht absehbar war, wie lange das Unternehmen allenfalls auch im Konkurs fortbetrieben werden würde. Die Formulierung in der Revision, es sei „mit einer Anfechtung vorzugehen", ist unverständlich, weil die beklagte Masseverwalterin das Rechtsgeschäft nicht angefochten hat. Ob bzw inwieweit der Klägerin Ansprüche nach dem IESG zustehen bzw diese erfolgreich abgewehrt werden können, ist in diesem Verfahren nicht zu prüfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 51 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO.
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