OGH 9ObA42/24b

OGH9ObA42/24b23.7.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Gerald Fida (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in Graz, gegen die beklagte Partei Land Steiermark, 8010 Graz, Burgring 4, vertreten durch Mag. Bernd Wurnig, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1.) 28.201,35 EUR brutto sA und 2.) Feststellung, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse: 17.313,24 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. März 2024, GZ 7 Ra 31/23t‑13, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 15. Juni 2023, GZ 58 Cga 36/23p‑8, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00042.24B.0723.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.410,90 EUR (darin 235,15 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger ist seit 17. 4. 2000 als Vertragsbediensteter der Beklagten beschäftigt und der Steiermärkischen Krankenanstaltengesellschaft mbH (KAGes) zum Dienst zugewiesen. Er wurde in die Entlohnungsgruppe sIII/2 nach dem (damaligen) Landes‑Vertragsbedienstetengesetz (§ 2 L‑VBG 125/1974 iVm dem VBG 1948) eingestuft und ist seither als Diplomsozialarbeiter im gehobenen Dienst der Sozialarbeit im Zentrum für Suchtmedizin des LKH *, tätig.

[2] Seit 1. 1. 2003 ist auf das Dienstverhältnis des Klägers das Dienst- und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (L‑DBR) anwendbar. Nachdem für die im Gesundheitswesen des Landes Steiermark tätigen neu eintretenden Sozialarbeiter mit § 212a Z 1 idF LGBl 66/2017 die neue Entlohnungsgruppe sII/1 geschaffen wurde, optierte der Kläger in das neue Gehaltsschema nicht, sondern verblieb im bisherigen Gehaltsschema sIII, das gemäß § 306 Abs 32 L‑DBR noch bis 31. 12. 2020 galt, weil er sich von einem Umstieg finanzielle Nachteile erwartete.

[3] Mit LGBl 112/2020 wurde das L‑DBR mit Wirksamkeit ab 1. 1. 2021 (§ 306 Abs 32 L‑DBR) wiederum novelliert: Dabei wurde ua das in § 216 L‑DBR geregelte Entlohnungsschema sIII neu gestaltet und die Entlohnungsstufen sIII/1 bis sIII/13 geschaffen. Ziel der Novelle war es (ua), die bisherigen Gehaltsschemata sIII, sIV, SV und k3 im neuen Gehaltsschema sIII zusammenzufassen und die bestehenden Gehaltskurven unter Berücksichtigung eines attraktiven Einstiegsgehalts anzupassen (vgl Vorblatt und Erläuterungen Stmk LT 18. GP EZ/OZ 956/1, 2). Mit der Übergangsbestimmung des § 300 l L‑DBR wurde demnach die Überführung der bestehenden Einreihungen in neue Entlohnungsgruppen entsprechend einer genau festgelegten Umschlüsselung angeordnet.

[4] § 300 l L‑DBR trägt die Überschrift „Übergangsbestimmung zur Novelle LGBl. Nr. 112/2020 – Überführung in die Entlohnungsgruppen sIII/1 bis sIII/13“ und lautet:

(1) Die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des IV. Abschnitts des Hauptstückes III in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 112/2020 bestehenden Einreihungen in die Entlohnungsgruppen der Entlohnungsschemata SIII, SIV und SV werden entsprechend nachstehender Umschlüsselung in die neuen Entlohnungsgruppen sIII/1 bis sIII/13 überführt:

 

Alte Entlohnungsgruppen

Neue Entlohnungsgruppe

sIII/1a

SIII/1

sV/1

sIII/2

sIII/1, sV/2

sIII/3

sV/3

sIII/4

sV/4, sIII/2a

sIII/5

sIII/2, sIV/1, sV/5, sV/6, K3

sIII/6

sIII/3a, sIV/2, sIV/3

sIII/7

sIII/3,

sIII/8

sIV/4, sIV/5,

sIII/

sIV/6

sIII/10

sIII/4, sIII/4a

sIII/11

sIV/7, sIII/5

sIII/12

sIV/9, sIV/8

sIII/13

 

 

  

 

(2) Die bestehenden Vorrückungsstichtage nach § 256 bleiben durch die Überführung nach Abs 1 unberührt.

(3) Ergibt sich im Rahmen der Überführung in die neue Entlohnungsgruppe ein geringeres Entgelt als im Rahmen der bisherigen Entlohnungsgruppe, so ist der Vertragsbedienstete so in der neuen Entlohnungsgruppe einzureihen, dass sich kein geringeres Entgelt als bisher ergibt.

[5] Entsprechend der Einstufung des Klägers in der Entlohnungsgruppe sIII/2 zum 1. 1. 2021 wurde der Kläger in die neue geschaffene Entlohnungsgruppe sIII/6 überführt und danach entlohnt.

[6] Der Kläger begehrt mit Wirksamkeit vom 1. 1. 2021 auf Basis seiner tatsächlichen Tätigkeit die Neueinstufung in die Entlohnungsgruppe sIII/4 und macht dies mit einem Leistungsbegehren von 28.201,35 EUR (Entgeltdifferenz von Jänner 2021 bis April 2023) und mit einem Feststellungsbegehren (Einstufung in die Entlohnungsgruppe sIII/4 ab Mai 2023) geltend. Seine „Eventualbegehren“ beziehen sich auf eine niedrigere Einstufung und eine geringere Entlohnungsdifferenz (10.436,99 EUR) nach der (niedrigeren) Entlohnungsgruppe sIII/5, weil er bereits zum Zeitpunkt seiner Überführung in die Entlohnungsgruppe sIII/6 falsch eingestuft gewesen sei. Wäre er richtigerweise in der Entlohnungsgruppe sIII/2a (Funktionslaufbahn) eingestuft gewesen, hätte er zum 1. 1. 2021 in die Entlohnungsgruppe sIII/5 überführt werden müssen.

[7] Die Beklagte beantragte Klagsabweisung, weil die Novelle LGBl Nr 112/2020 keine Rechtsgrundlage für eine Neueinstufung bereits beschäftigter Vertragsbediensteter biete. Der Kläger sei vor seiner Überführung richtig eingestuft gewesen.

[8] Das Erstgericht wies die Klagebegehren ab. Der Kläger sei entsprechend seiner damaligen richtigen Einstufung in der Entlohnungsgruppe sIII/2 gemäß § 300 l L‑DBR mit 1. 1. 2021 richtig in die Entlohnungsgruppe sIII/6 überführt worden. Eine Neueinstufung sei nach der Übergangsbestimmung nicht vorzunehmen gewesen.

[9] Das Berufungsgericht bestätigte mit Teilurteil die Abweisung des Klagebegehrens im Umfang von 17.313,24 brutto sA (Entgeltdifferenz Jänner 2021 bis Juni 2022), hob die Entscheidung im Übrigen im Umfang des Leistungsbegehrens von 10.888,11 EUR brutto sA und des Feststellungsbegehrens) auf und verwies die Rechtssache insofern an das Erstgericht zur Fällung eines Endurteils zurück. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass mit § 300 l L‑DBR idF LGBl 112/2000 lediglich die Überführung bisheriger Entlohnungsgruppen in neue Entlohnungsgruppen entsprechend einer bestimmten Umschlüsselungstabelle vorgenommen worden sei und der Landesgesetzgeber mit dieser Novelle keine Änderung der Entlohnung der – den Gesundheitsberufen zuzuordnenden – Sozialarbeiter:innen beabsichtigt habe. Der Kläger sei als Diplomsozialarbeiter und Absolvent der Akademie für Sozialarbeit auch ursprünglich korrekt in der Entlohnungsgruppe sIII/2 (alt) eingestuft gewesen. Hinsichtlich der übrigen vom Kläger geltend gemachten Ansprüche sei das Ersturteil jedoch aufzuheben, weil mit der 2. Dienstrechtsnovelle 2023, LGBl Nr 100/2023, mit Wirksamkeit vom 1. 7. 2022 das Steiermärkische KAGes‑Zuweisungs-, Dienst- und Besoldungsrecht (StKDBR) erlassen und das stmk L‑DBR (neuerlich) geändert worden und diese neue Rechtslage mit den Parteien vor Fällung eines Endurteils zu erörtern sei. Das Berufungsgericht hat die Revision mit der Begründung zugelassen, dass der Auslegung des § 300 l iVm § 216 stmk L‑DBR in der jeweils bis 31. 8. 2023 geltenden Fassung (ungeachtet der mittlerweile erfolgten Aufhebung dieser Bestimmungen) über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme und dazu höchstgerichtliche Judikatur fehle.

[10] Gegen das klageabweisende Teilurteil richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

[11] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[12] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt dann keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656). Dies ist hier der Fall. Die Entscheidung kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).

[13] 1. Am Anfang jeder Gesetzesauslegung steht die wörtliche (sprachliche, grammatikalische) Auslegung, die nach dem Wortsinn der Norm und innerhalb des durch den äußerst möglichen Wortsinn abgesteckten Rahmens nach der Bedeutung eines Ausdrucks im allgemeinen Sprachgebrauch oder dem des Gesetzgebers und in seinem Zusammenhang innerhalb der Regelung fragt (RS0008896 [T4]). Die Gesetzesauslegung darf aber bei der Wortinterpretation nicht stehen bleiben. Der Sinn einer Bestimmung ist unter Bedachtnahme auf deren Zweck zu erfassen (objektiv-teleologische Interpretation; RS0008836 [T4]). Zur systematischen Interpretation gehört auch das Postulat, dass Gesetze in der Regel so auszulegen sind, dass sie ihren Anwendungsbereich nicht vollständig verlieren (Kodek in Rummel/Lukas, ABGB4 § 6 Rz 85 mwN). Dem Gesetzgeber kann nämlich nicht unterstellt werden, eine überflüssige und damit inhaltslose Regelung getroffen zu haben (RS0008792). Bleibt nach der Wortinterpretation und logischer Auslegung die Ausdrucksweise des Gesetzes noch zweifelhaft, dann ist die Absicht des Gesetzgebers zu erforschen (RS0008836 [T2]).

[14] 2. Im konkreten Fall ergibt sich schon aus dem Gesetzeswortlaut („Überführung“, „überführt“) eindeutig, dass § 300 l L‑DBR (ausschließlich) an die bisherige Einreihung des Vertragsbediensteten anknüpft und gerade keine neue Einstufung nach den Kriterien des § 216 L‑DBR nF vorzunehmen ist. Nach § 300 l Abs 1 L‑DBR werden die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des IV. Abschnitts des Hauptstückes III in der Fassung der Novelle LGBl Nr 112/2020 bestehenden Einreihungen in die Entlohnungsgruppen der Entlohnungsschemata sIII, sIV und sV entsprechendeiner konkret angeordnetenUmschlüsselung in die neuen Entlohnungsgruppen sIII/1 bis sIII/13 überführt. Gegenteiliges lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen. Müsste mit 1. 1. 2021 ohnehin eine Neueinstufung (oder „Überprüfung“) anhand der neu normierten Kriterien stattfinden, dann wäre die Norm des § 300 l L‑DBR überdies weitestgehend überflüssig bzw ihres Anwendungsbereichs beraubt.

[15] 3. Richtig ist zwar, dass es für die Einstufung von Vertragsbediensteten auf die tatsächlich geleisteten Dienste ankommt (RS0082007). Damit wird aber nur klargestellt, dass sich die Einstufung von Vertragsbediensteten – im Übrigen nur dort wo der rechtliche Inhalt der im Entlohnungsschema für die einzelnen Entlohnungsgruppen verwendeten Bezeichnungen in der Norm nicht näher bestimmt ist und außerdem Vorschriften über die Einstufungsvoraussetzungen fehlen (RS0081501 [T10]) – nach den konkret von diesen verrichteten Tätigkeiten und nicht nach dem Dienstvertrag richtet (RS0082007). Da der Kläger mit 1. 1. 2021 richtigerweise gemäß § 300 l L‑DBR in die Entlohnungsgruppe sIII/6 überführt wurde, muss auf seine Rechtsansicht, er wäre neu in das Entlohnungsschema sIII/4 oder zumindest sIII/5 nach § 216 L‑DBR einzustufen gewesen, nicht weiter eingegangen werden. Erwähnt sei nur, dass Sozialarbeiter nach § 212a Z 1 L‑DBR im Entlohnungsschema sII eingereiht wurden. Die Richtigkeit seiner ursprünglichen Einstufung in die Entlohnungsgruppe sIII/2 nach dem zum Zeitpunkt seines Dienstantritts am 17. 4. 2000 in Geltung gestandenen Landesvertragsbedienstetengesetz wird vom Kläger nicht in Zweifel gezogen.

[16] 4. Auch die weiteren Argumente des Revisionswerbers überzeugen nicht. Die Überführung der zum Zeitpunkt 1. 1. 2021 bei der Beklagten beschäftigten Vertragsbediensteten erfolgte nach der gesetzlich festgelegten „Umschlüsselungstabelle“. Weshalb aus der Norm des § 300 l Abs 3 L‑DBR, die sicherstellt, dass es durch die Überführung in das neue Gehaltsschema zu keinen Gehaltseinbußen kommen konnte, abzuleiten sei, dass die Überführungskriterien allgemein „nicht so dermaßen zwingend“ seien, entbehrt einer sachlichen Grundlage und ist nicht verständlich. Mit der Situation eines privaten Arbeitgebers, der seine Arbeitnehmer unterkollektivvertraglich entlohnt und sich dabei auf eine entsprechende Vereinbarung im Dienstvertrag stützt, ist die hier zu beurteilende Fallgestaltung nicht vergleichbar. Soweit der Revisionswerber meint, jedes andere Ergebnis wäre gleichheitswidrig, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie sich mit der Argumentation des Berufungsgerichts, der Kläger sei durch die Neuregelung nicht benachteiligt worden, nicht näher auseinandersetzt (vgl RS0043603 [T9]).

[17] Da die Revision des Klägers damit insgesamt keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO aufweist, ist sie zurückzuweisen.

[18] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 4150 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte