European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:009OBA00038.17D.0420.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag der beklagten Partei auf Zuspruch der Kosten der Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
1. Die Klägerin war von 3. 12. 2012 bis 28. 2. 2015 beim beklagten Verein als kaufmännische Angestellte beschäftigt. Sie beendete das Dienstverhältnis unmittelbar nach einer Auseinandersetzung über einen nicht gewährten Urlaubswunsch. In ihrer außerordentlichen Revision bekämpft sie die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass das Verhalten des Obmanns der Beklagten nicht den einen Schadenersatzanspruch begründenden Tatbestand der sexuellen Belästigung iSd §§ 6, 12 Abs 11 GlBG erfüllt habe.
Rechtliche Beurteilung
2. Sexuelle Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG liegt vor, wenn ein der sexuellen Sphäre zugehöriges Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht, unangebracht oder anstößig ist und eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt. Die Frage, ob ein Verhalten die Kriterien der sexuellen Belästigung nach dieser Bestimmung erfüllt, ist einzelfallbezogen und begründet in der Regel, außer bei krasser Fehlbeurteilung, keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (jüngst 8 ObA 6/17s mwN).
3. Der erkennende Senat ist nicht der Ansicht, dass die Intensität der Äußerungen und Bemerkungen des Obmanns des Beklagten objektiv noch gering war. Die Annahme einer allgemeinen Ablehnungspflicht der belästigten Person wird im einschlägigen Schrifttum (Posch in Rebhahn, GlBG §§ 6–7 Rz 26 ff; Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG § 6 Rz 26) zutreffend verneint. Dort angestellte abschwächende Überlegungen zu einer wenn auch eingeschränkten „Ablehnungsobliegenheit“ belästigter Personen sind im Ergebnis aber nicht zielführend, – vor allem, wenn man Obliegenheiten als „Rechtspflichten minderer Art“ (Koziol-Welser/Kletečka, Bügerliches Recht I14 Rz 169) oder als „Verhaltensregeln“ (Bollenberger in KBB4 § 859 Rz 5) qualifiziert – werden doch „Ablehnungsobliegenheiten“ von potentiellen Belästigern nur allzu leicht als Rechtfertigung ihrer Aktivitäten missbraucht oder missverstanden. Es ist daher klarstellend festzuhalten, dass die ausdrückliche oder stillschweigende Zurückweisung oder Ablehnung eines sexuell belästigenden Verhaltens durch die betroffene Person keine Tatbestandsvoraussetzung der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG ist. Eine allenfalls erfolgte Ablehnung eines Verhaltens kann natürlich im Einzelfall ein Element des zu beurteilenden Sachverhalts sein, das ebenso wie eine allfällige Zustimmung zu einem Verhalten, je nach Vorbringen der Parteien, bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen zu bewerten ist. Eine weitere Auseinandersetzung mit diesem Thema kann hier aber unterbleiben, weil der Diskriminierungstatbestand der sexuellen Belästigung iSd § 6 Abs 2 Z 1 GlBG auch voraussetzt, dass durch das der sexuellen Sphäre zugehörige Verhalten eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person geschaffen oder dies bezweckt wird.
4. Im konkreten Fall steht fest, dass sich der Obmann gegenüber seinen Mitarbeiterinnen eines lockeren, teils freizügig‑scherzhaften Umgangstones mit zum Teil sexuell konnotierten Bemerkungen bediente, auf den die Klägerin auch einstieg und ihn teilweise erwiderte. Zum Teil verfasste sie auch von sich Nachrichten mit sexuellem Bezug an den Obmann (betreffend Pornoseiten), die nach den bindenden Feststellungen nicht von diesem veranlasst waren. Da im konkreten Fall nach der Art der Kommunikation zwischen der Klägerin und dem Obmann des Beklagten nicht zutage liegt, dass sein Verhalten eine für die Klägerin einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt bezweckt oder auch nur geschaffen hätte, ist es hier im Ergebnis noch vertretbar, wenn das Berufungsgericht den Tatbestand des § 6 Abs 2 Z 1 GlBG nicht als erfüllt ansah.
5. Die außerordentliche Revision der Klägerin ist danach mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.
Da eine Rechtsmittelbeantwortung nicht freigestellt war, diente die vom Beklagten eingebrachte Revisionsbeantwortung nicht der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung und ist nicht zu honorieren (§ 508a Abs 2 ZPO; RIS‑Justiz RS0043690).
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