OGH 9ObA32/89

OGH9ObA32/8922.2.1989

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Robert Müller und Wolfgang Neumeier als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ingrid H***, Arzthelferin, Pöchlarn, Lacherfeldstraße 32, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Helmut B***, praktischer Arzt, Pöchlarn, Manker Straße 16, vertreten durch Dr. Hans Pucher, Rechtsanwalt in St.Pölten, wegen S 66.000,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. Oktober 1988, GZ 31 Ra 100/88-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. Juni 1988, GZ 32 Cg 20/87-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 3.706,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 617,70 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war beim Beklagten seit 13. März 1978 als Ordinationshilfe beschäftigt. Am 25. August 1986 trat sie mit seiner Zustimmung einen Urlaub an, in dem sie ihre Schwiegereltern in Namibia besuchte. Ursprünglich wollte die Klägerin bis 28. September 1986 Urlaub haben. Der Beklagte bestand jedoch auf einem Dienstanstritt der Klägerin am 15. September 1986, weil er an diesem Tage nach Beendigung seines eigenen Urlaubes seine Ordination wieder eröffnen wollte und einen Andrang von Patienten erwartete (Beilage G). Die Klägerin stimmte der (kürzeren) Festsetzung des Urlaubes zu (Beilage H). Sie erschien aber am 15. September 1986 nicht zum Dienst, sondern schickte dem Beklagten am 12. September 1986 ein Telegramm, wonach sich ihre Ankunft krankheitshalber verzögere. Der Beklagte bezweifelte die behauptete Erkrankung und teilte der Klägerin mit Schreiben vom 15. September 1986 unter anderem mit:

" ........ Ich kann der Mitteilung einer Erkrankung keine dienstrechtliche Bedeutung zumessen und sehe in Ihrer Handlung einen vorzeitigen Austritt. Ich habe Sie daher am 15. 9 bei der N.Ö. K*** abgemeldet. Der zuviel konsumierte Urlaub bzw. eventuelle Restanspruch aus dem Dienstverhältnis könnte jederzeit nach Ihrer Rückkehr verrechnet werden. Zudem sehe ich mich genötigt, umgehend eine neue Ordinationshilfe einzustellen und mache die dadurch entstehenden Mehrkosten grundsätzlich geltend."

Dieses Schreiben sandte der Beklagte als eingeschriebene Briefsendung am 17. September 1986 an die Anschrift der Klägerin in Österreich ab.

Mit Schreiben vom 24. September 1986 sprach der Beklagtenvertreter die Entlassung der Klägerin aus. am 26. September 1980 kehrte die Klägerin mit ihrer Familie über Frankfurt nach Wien zurück und meldete sich am 29. September 1986 beim Beklagten, der ihr bekanntgab, daß er bereits eine andere Ordinationshilfe habe.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten Kündigungsentschädigung und Abfertigung im außer Streit gestellten Gesamtbetrag von S 66.000,- sA mit der Behauptung, ungerechtfertigt entlassen worden zu sein.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, die Klägerin habe die Erkrankung nur vorgetäuscht, um ihren Urlaub, wie ursprünglich geplant, verlängern zu können. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es kam bei der Würdigung der aufgenommenen Beweise zum Ergebnis, daß der Klägerin der Beweis, daß sie am 11. September 1986 in Südafrika eine Gallenkolik erlitten hat, die sie an einem rechtzeitigen Rückflug nach Österreich am 12. September 1986 hinderte, nicht gelungen sei. Gegen die Darstellung der Klägerin bestünden schwerwiegende Bedenken. Damit habe aber die Klägerin den ihr obliegenden Beweis für das Vorliegen eines rechtmäßigen Hinderungsgrundes iS des § 27 Z 4 AngG nicht erbracht. Der Beklagte habe die Entlassung rechtzeitig ausgesprochen.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Klägerin, soweit mit ihr Nichtigkeit geltend gemacht wurde und gab im übrigen dem Rechtsmittel keine Folge. Es nahm die geltend gemachten Verfahrensmängel erster Instanz nicht als gegeben an und hielt die Beweiswürdigung des Erstgerichtes für unbedenklich. Das Schreiben des Klägers vom 15. September 1986 könne nur als Entlassung gewertet werden. Der Beklagte habe die Entlassung sofort ausgesprochen. Er habe das Schreiben an die österreichische Anschrift der Klägerin richten dürfen, da er nicht damit rechnen habe müssen, daß sich die Klägerin noch längere Zeit in Namibia aufhalten werde. Beim Entlassungsgrund des § 27 Z 4 erster Fall AngG habe der Dienstgeber das Unterbleiben der Dienstleistung, der Dienstnehmer aber das Vorliegen eines Rechtfertigungsgrundes zu beweisen. Die Klägerin erhebt gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes Revision wegen Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Sie beantragt, das angefochtene Urteil als nichtig aufzuheben oder dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Soweit die Klägerin Nichtigkeit des Verfahrens aus Gründen geltendmacht, die bereits vom Berufungsgericht verworfen wurden, ist sie darauf zu verweisen, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, auch dann, wenn er in die Berufungsentscheidung aufgenommen wurde, weder mit Revision noch mit Rekurs bekämpft werden kann (§ 519 Abs 1 Z 2 ZPO).

Die Klägerin macht als Nichtigkeitsgrund neu geltend, daß das Erstgericht im Zeitpunkt der Fällung seiner Entscheidung nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Sie schließt das allein aus dem Umstand, daß die letzte Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung am 14. April 1988 stattgefunden hat, das Urteil aber erst am 27. Juni 1988 gefällt worden sei. Aus dem beim Akt befindlichen Beratungsprotokoll ergibt sich jedoch eindeutig, daß das Ersturteil noch am 14. April 1988 von dem in dieser Rechtssache verhandelnden Fachsenat gefällt wurde und das Datum "27. 6. 1988" nur jenes der späteren Ausfertigung des gefällten Urteiles ist (vgl Rz 1984/83). Von einer Nichtigkeit des Ersturteils nach § 477 Abs 1 Z 2 ZPO kann daher keine Rede sein.

Die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin wiederholt die bereits in erster Instanz erfolglos geltend gemachte Mängelrüge und bekämpft in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung.

Auch die in Ausführung des Revisionsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rüge, das Erstgericht hätte zuerst nach § 307 Abs 1 ZPO vorgehen müssen und erst nach dem Ergebnis dieses Zwischenverfahrens die Weigerung der Klägerin, ihren Reisepaß vorzulegen, nach § 307 Abs 2 ZPO würdigen dürfen, betrifft einen vermeintlichen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens. Im übrigen ist aber diese Rüge auch inhaltlich verfehlt. Daß die Klägerin die Urkunde, deren Vorlage der Beklagte beantragt hatte, nämlich ihren Reisepaß, besaß, war nicht strittig. Das Verfahren nach § 307 Abs 1 ZPO kommt aber nur in Betracht, wenn der Gegner den Besitz der Urkunde leugnet. Auch ein berechtigter Grund für die Verweigerung der Vorlage des Reisepasses ist nicht erkennbar, so daß es gemäß § 307 Abs 2 ZPO dem durch sorgfältige Würdigung aller Umstände geleiteten richterlichen Ermessen überlassen blieb, den Einfluß der Weigerung der Klägerin entsprechend zu beurteilen.

Das am 17. September 1986 eingeschrieben an die österreichische Anschrift der Klägerin abgesendete Schreiben des Beklagten vom 15. September 1986 enthält hinreichend deutlich dessen Willen, das Dienstverhältnis mit der Klägerin sofort zu beenden. Der Beklagte wirft der Klägerin in diesem Schreiben vor, daß er an die telegrafisch bekanntgegebene Erkrankung nicht glaube und darin eine einseitige Urlaubsverlängerung sehe. Er teilte ihr die Abmeldung bei der Krankenkasse mit, kündigte die Rückverrechnung des zuviel verbrauchten Urlaubs sowie Schadenersatzansprüche an. Ein verständiger Erklärungsempfänger konnte das Schreiben nur als sofortige Lösung des Dienstverhältnisses verstehen. Selbst wenn aber die Wendung "sehe in ihrer Handlung einen vorzeitigen Austritt" noch Zweifel am Willen des Beklagten übrig ließe (§ 863 Abs 1 ABGB), wurden diese durch das Entlassungsschreiben des Beklagtenvertreters vom 24. September 1986 beseitigt. Da die Klägerin erst am 26. September 1986 aus Südafrika zurückkehrte, dürften ihr beide Schreiben gleichzeitig zugekommen sein. Ein verspäteter Ausspruch der Entlassung wurde mit Schreiben vom 24. September 1986 schon deshalb nicht vorgenommen, weil die Unterlassung der Dienstleistungen ein Dauertatbestand ist, der während der Dauer der Begehung des Entlassungsgrundes geltend gemacht werden kann (DRdA 1988/14).

Wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, trägt der Arbeitnehmer die Beweislast für einen Rechtfertigungsgrund, der das Entlassungsrecht des Arbeiters wegen des ansonsten pflichtwidrigen Fernbleibens des Arbeitnehmers von der Entlassung aufhebt, (Arb. 9.672 = SZ 51/28; RdW 1988, 328 ua). Dieser Beweis ist der Klägerin nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Verfahrensergebnissen der Tatsacheninstanzen mißlungen, so daß ihrer Revision ein Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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