OGH 9ObA30/92

OGH9ObA30/9226.2.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon-Prof.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K***** G*****, Hilfsarbeiterin, ***** vertreten durch ***** Sekretär *****, dieser vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei S***** KG, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wegen S 86.725,62 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. November 1991, GZ 13 Ra 66/91-11, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 7. Februar 1991, GZ 14 Cga 223/90-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Arbeitsrechtssache wird an das Prozeßgericht erster Instanz zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 6. Dezember 1988 als angelernte Arbeiterin beschäftigt. Sie erfuhr am 11. Juni 1990 von ihrer Schwangerschaft und gab dies der Beklagten unverzüglich bekannt. Mit Schreiben vom 31. Juli 1990 wurde sie an diesem Tag entlassen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt sie insgesamt

S 86.725,62 brutto sA an fälligem Entgelt, Urlaubsentschädigung und Kündigungsentschädigung. Die Entlassung sei ungerechtfertigt sowie verspätet erfolgt und daher unwirksam. Dementsprechend habe sie ihre Arbeitsbereitschaft erklärt und die Weiterzahlung des Lohnes gefordert. Obwohl die Beklagte den Weiterbestand des aufrechten Arbeitsverhältnisses schließlich anerkannt habe, seien bis zur gesetzten letzten Nachfrist keine Zahlungen erfolgt. Daraufhin habe sie ihren berechtigten vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklärt.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin habe in der Zeit vom 2. bis 14. Juli 1990 vereinbarungsgemäß Urlaub gehabt. Sie habe die Arbeit aber nach dem Urlaub nicht wieder aufgenommen, sondern sei erst wieder am 30. Juli 1990 im Betrieb erschienen, ohne einen berücksichtigungswürdigen Grund für ihre Abwesenheit anzugeben. Daraufhin sei die Klägerin vorerst dienstfrei gestellt und nach Einholung einer Rechtsauskunft am 31. Juli 1990 entlassen worden. Im Zuge von Vergleichsgesprächen habe die Beklagte die Entlassung telegraphisch zurückgenommen und die Klägerin zum unverzüglichen Arbeitsantritt aufgefordert. Auf dieses Telegramm habe die Klägerin mit der Erklärung ihres vorzeitigen Austritts geantwortet. Bei dieser Sachlage könne keine Rede davon sein, die Beklagte habe der Klägerin ungebührlich Entgelt vorenthalten.

Dazu brachte die Klägerin ergänzend vor, daß ihr Sohn am 12. Juli 1990 am Urlaubsort erkrankt und erst gegen Ende der

30. Woche 1990 wieder reisefähig geworden sei. Da ihr Gatte die Pflege des Sohnes nicht habe übernehmen wollen, habe sie telegraphisch um Urlaubsverlängerung ersucht, die ihr auch stillschweigend genehmigt worden sei.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Die Klägerin war bereits vom 12. bis 17. März 1990 zur Pflege ihres dreijährigen Sohnes Gökhan vom Dienst freigestellt. Sie hatte ursprünglich vor, ihren Urlaub mit Zustimmung des Beklagten in der Zeit vom 16. bis 28. Juli 1990 zu nehmen. Da ihr Ehegatte aber bereits ab 2. Juli 1990 - allerdings für vier

Wochen - Urlaub hatte, ersuchte sie den Betriebsleiter der Beklagten um Verlegung ihres Urlaubs auf die Zeit vom 2. bis 14. Juli 1990, womit dieser einverstanden war.

Anfang Juli 1990 fuhr die Familie mit dem PKW nach Gebze, einem Ort in der Nähe von Istanbul, wo die Eltern des Ehemannes ein Haus haben. Der Aufenthaltsort der Klägerin war bei der Beklagten nicht bekannt. Am Ende der zweiten Juliwoche erkrankte der Sohn. Der Ehemann der Klägerin gab in ihrem Namen am 13. Juli 1990 ein Telegramm in türkischer Sprache an die Beklagte auf, dem sinngemäß zu entnehmen war: "Ich kann wegen der Heirat meines Schwagers nicht kommen. Ich bitte, meinen Urlaub um zwei Wochen zu verlängern." Die Aufenthaltsanschrift war nicht angegeben. Zum Zeitpunkt des Einlangens des Telegramms war auch der Betriebsleiter der Beklagten auf Urlaub.

An der Hochzeit des Schwagers, die am 14. Juli 1990 stattfand, nahm die Klägerin nicht teil, da sie ihren kranken Sohn pflegen mußte. Dieser wurde in der Poliklinik von Gebze behandelt. Am 23. Juli 1990 stellte der behandelnde Arzt bei einer Kontrolle fest, daß der Sohn wieder gesund ist. Die Klägerin verblieb jedoch mit dem Kind noch während des Restes der Woche bei ihrem Ehemann; sie wollte ihre Arbeit bei der Beklagten erst wieder am 30. Juli 1990 antreten. Am 30. Juli 1990 erschien sie in Begleitung ihres Mannes, der eine (nachträgliche) Verlängerung des Urlaubs erwirken wollte, wieder an ihrem Arbeitsplatz. Der Betriebsleiter der Beklagten war jedoch selbst erst vom Urlaub zurückgekehrt und kannte das Telegramm der Klägerin noch nicht. Er erkundigte sich im Lohnbüro und ließ das Telegramm von einem türkischen Arbeitnehmer übersetzen. Da er sich erst Klarheit verschaffen wollte, stellte er die Klägerin vorerst dienstfrei. Auch bei diesem kurzen Gespräch erwähnte der Gatte der Klägerin die Erkrankung des Sohnes nicht; er sagte nur, daß die Klägerin nicht hätte kommen können, da ihr Schwager (sein Bruder) geheiratet habe.

Erst nachdem der Betriebsleiter der Klägerin das Entlassungsschreiben vom 31. Juli 1990 ausgehändigt hatte, machte der Ehegatte der Klägerin geltend, diese habe deshalb nicht rechtzeitig aus dem Urlaub zurückkommen können, weil das Kind krank und pflegebedürftig gewesen sei. Die Klägerin hielt in der Folge mit den Schreiben vom 13. und 16. August 1990 fest, daß die Entlassung unwirksam sei und erklärte ihre Arbeitsbereitschaft. Zugleich machte sie im Sinne des § 1155 ABGB Lohnansprüche vom 30. Juli 1990 bis zum Wiederantritt der Arbeit geltend. Für den Fall der Nichtzahlung bis 31. August 1990 drohte sie ihren vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis an. Mit Schreiben vom 29. August 1990 übersandte der Vertreter der Klägerin dem Vertreter der Beklagten eine Kopie der ärztlichen Bestätigung und erstreckte die Frist "bis zum Einlangen einer schriftlichen Stellungnahme" bis spätestens 28. September 1990. Da der für diese Angelegenheit zuständige Referent der Handelskammer bis 7. Oktober 1990 (Sonntag) auf Urlaub war, wurde letztlich die "Frist für die Stellungnahme" einvernehmlich telefonisch bis 8. Oktober 1990 (Montag) verlängert. Am 11. Oktober 1990 sandte die Beklagte der Klägerin ein Telegramm folgenden Inhalts:

"Wir nehmen unsere Entlassung vom 31. Juli 1990 zurück und fordern Sie zum unverzüglichen Arbeitsantritt auf. Weiters ersuchen wir Sie um Vorsprache im Lohnbüro, damit Ihre ausständigen Ansprüche ordnungsgemäß abgerechnet werden können.

......."

Mit Schreiben vom selben Tag teilten die Vertreter der Klägerin der Beklagten mit, daß sie namens ihrer Mandantin, "mangels Zahlung Ihrerseits den berechtigten vorzeitigen Austritt aus dem Dienstverhältnis erklären".

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin zufolge ihrer willkürlichen Urlaubsverlängerung im Sinne des § 12 Abs 1 MuttSchG zu Recht entlassen worden sei. Ihr Nichterscheinen am Arbeitsplatz sei zwar teilweise auf die Pflege ihres kranken Kindes zurückzuführen gewesen, so daß für die Zeit bis zum 23. Juli 1990 ein rechtmäßiger Hinderungsgrund anzunehmen sei; den weiteren Verbleib in der Türkei für den Rest der Woche habe die Klägerin aber als schuldhafte Pflichtwidrigkeit zu vertreten. Einen weiteren Anspruch auf Pflegefreistellung im Sinne des § 16 UrlG habe die Klägerin nämlich nicht mehr gehabt. Da der Beklagten die Anschrift der Klägerin an ihrem Urlaubsort nicht bekannt gewesen sei, hätte sie auch nicht annehmen dürfen, diese habe ihrer Bitte um Urlaubsverlängerung durch Stillschweigen zugestimmt.

Die Beklagte habe andererseits durch das Anbot, die Entlassung zu widerrufen, kein Anerkenntnis dahin abgegeben, daß die Ansprüche der Klägerin zu Recht bestünden. Die Rücknahme von Auflösungserklärungen sei nur im beiderseitigen Einvernehmen möglich. Die Klägerin habe aber das Angebot der Beklagten nicht angenommen, sondern lediglich ihren Austritt erklärt. Infolge der gerechtfertigten Entlassung am 31. Juli 1990 habe dieser Austritt aber nicht wirksam werden können.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es billigte die Rechtansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß die Klägerin ihrer Verpflichtung, unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes die Arbeit wieder aufzunehmen, auch dann nicht nachgekommen sei, wenn man die erforderliche Reisezeit in Rechnung stelle. Jeder Arbeitnehmer habe Vorsorge für seine rechtzeitige Rückkehr aus dem Urlaubsort zu treffen. Bei Benützung eines Liegewagens hätte die schwangere Klägerin bei Antritt der Reise mit der Bahn ihre Arbeit jedenfalls am Donnerstag, dem 26. Juli 1990, wieder antreten können. Sie hätte zudem auch mit einem Linienflugzeug zurückkehren können, was sie ursprünglich ohnehin vorgehabt habe. Da sie der Arbeit zumindest an zwei Tagen ohne rechtmäßigen Hinderungsgrund ferngeblieben sei, habe sie den Entlassungstatbestand des § 12 Abs 1 Z 1 MuttSchG verwirklicht. Die Entlassung sei auch rechtzeitig erfolgt, so daß das Arbeitsverhältnis mit 31. Juli 1990 endgültig aufgelöst worden sei.

Die einverständliche Rücknahme einer Auflösungserklärung sei zwar möglich, doch habe die Klägerin das Angebot der Beklagten in ihrem Telegramm vom 11. Oktober 1990 zur Gänze abgelehnt. Die Austrittserklärung der Klägerin habe somit ein bereits beendetes Arbeitsverhältnis betroffen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Die geltend gemachten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen zwar nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO), doch kommt der Rechtsrüge Beachtlichkeit zu.

Rechtliche Beurteilung

Da im Hinblick auf den auf die Klägerin zutreffenden besonderen Entlassungsschutz des § 12 MuttSchG eine dieser Bestimmung nicht entsprechende Entlassung das Arbeitsverhältnis der Klägerin nicht hätte beenden können, ist vorerst zu prüfen, ob die Entlassung der Klägerin im Sinne des § 12 Abs 1 Z 1 MuttSchG überhaupt gerechtfertigt war (vgl Knöfler-Martinek MuttSchG9 188 f; Arb 10.264 ua). Nach den Feststellungen der Vorinstanzen nahm die Klägerin nur für die beiden ersten Juliwochen Urlaub, obwohl ihr Ehegatte, den sie in die Türkei begleitete, vier Wochen Urlaub hatte. Sie mußte daher von vorneherein damit rechnen, die Rückreise vom Urlaubsort allenfalls allein antreten zu müssen und hatte daher entsprechende Vorsorge zu treffen. Wie sie selbst bekundete, hatte sie vor, nach dem Ende ihres zweiwöchigen Urlaubs mit dem Flugzeug zurückzukommen. Soweit man daher die vom Ehegatten ohne weitere Begründung abgelehnte Betreuung des dreijährigen Sohnes während der ambulanten Behandlung in der Poliklinik noch als rechtmäßigen Hinderungsgrund ansieht, war aufgrund der Kontrolluntersuchung am Montag, dem 23. Juli 1990, klar, daß der Sohn wieder gesund ist. Die Klägerin hätte sich daher unverzüglich auf die Rückreise begeben müssen. Mit einer einvernehmlichen Verlängerung des Urlaubs konnte sie schon deshalb nicht rechnen, da sie von der Beklagten mangels Anschriftsbekanntgabe nicht hätte erreicht werden können. Es wäre an ihr gelegen, etwa telefonisch mit der Beklagten Verbindung aufzunehmen. Entgegen den im Rechtsmittelverfahren aufgeworfenen theoretischen Erörterungen über die Schwierigkeiten einer Rückreise aus Istanbul wurden allfällige konkrete Reisehindernisse in erster Instanz weder behauptet noch festgestellt; ebenso fehlt jegliche Begründung dafür, warum es dem Ehegatten nicht möglich gewesen wäre, die Klägerin samt Sohn rechtzeitig mit dem PKW zurückzubringen. Sie unternahm nicht einmal den Versuch einer Rückreise, da sie ihre Arbeit ohnehin erst am 30. Juli 1990 wieder antreten wollte.

Dem Berufungsgericht ist daher beizupflichten, daß die Klägerin zumindest an den letzten zwei Tagen der 4. Juliwoche (26. und 27. Juli 1990) wieder hätte arbeiten können. Damit ist sie zumindest an diesen Tagen ohne hinreichenden Rechtfertigungsgrund von der Arbeit ferngeblieben, so daß die Entlassung im Sinne des § 12 Abs 1 Z 1 MuttSchG gerechtfertigt ist (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht 66 ff; Knöfler-Martinek aaO 198 ff; Arb 8564 ua). Auf das Vorliegen eines durch die Schwangerschaft bedingten außerordentlichen Gemütszustandes im Sinne des § 12 Abs 2 MuttSchG hat sich die Klägerin weder berufen noch ist ein solcher irregulärer Zustand festgestellt worden. Eine diesbezügliche Prüfung von Amts wegen hat nicht zu erfolgen (vgl Kuderna aaO 108; Knöfler-Martinek aaO 211). Von einem Verzicht auf das Entlassungsrecht kann beim vorliegenden Sachverhalt keine Rede sein.

Ist aber die Entlassung wirksam geworden, ist zu prüfen, welchen Einfluß die Zurücknahme der Entlassungserklärung durch die Beklagte auf das bereits beendete Arbeitsverhältnis hatte. Wie die Vorinstanzen richtig erkannten, kann eine wirksame Auflösungserklärung nur unmittelbar nach Abgabe der Erklärung - dieser Fall liegt hier nicht vor - oder im beiderseitigen Einvernehmen rückgängig gemacht werden. Widerspricht etwa der Erklärungsempfänger der Entlassung und gibt er zu erkennen, daß er eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wünscht, dann ist ein Widerruf der Entlassung kein einseitiger contrarius actus mehr; der die Entlassungserklärung "widerrufende" Vertragspartner erklärt sich vielmehr damit einverstanden, das Arbeitsverhältnis, dem Wunsch des anderen entsprechend, weiterhin fortzusetzen. In einem solchen Fall wird aber entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes und vereinzelt gebliebener Judikatur (Arb 10.142 = DRdA 1984/21 [Schauer]) kein neues Rechtsverhältnis begründet, sondern das Arbeitsverhältnis wieder in Funktion gesetzt, also so fortgesetzt, als ob keine Unterbrechung stattgefunden hätte (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht 24 f; Krejci in Rummel, ABGB2, § 1162 Rz 167; Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7 386 f jeweils mwH; Kerschner, Widerruf und Anfechtung einer Austrittserklärung, DRdA 1986, 422 ff, 423; Arb 9663; DRdA 1992, 53 ua). Soweit daher die Klägerin die Auffassung vertrat, die Entlassung sei unwirksam und es stünden ihr zufolge des Weiterbestehens des Arbeitsverhältnisses Lohnansprüche zu, und die Beklagte ihre Entlassungserklärung vom 31. Juli 1990 am 11. Oktober 1990 ausdrücklich zurücknahm, ist es zu einer auf einer Willensübereinstimmung beruhenden, einvernehmlichen Beseitigung der Auflösungserklärung mit der Konsequenz gekommen, daß das Arbeitsverhältnis ununterbrochen weiterbestanden hat. Die Aufforderung zum Arbeitsantritt ist die Folge der Zurücknahme der Entlassung, so daß darin keine Bedingung für die Zurücknahme gesehen werden kann.

Daraus folgt, da die Klägerin trotz ihrer Arbeitsbereitschaft während des Zeitraums bis zur einvernehmlichen Rücknahme der Auflösungserklärung nur im Hinblick auf die beseitigte Entlassungserklärung keine Arbeitsleistungen erbringen konnte, das Bestehen eines Entgeltanspruches auch für diesen Zeitraum (vgl auch Jabornegg, Unbegründete Entlassung eines Lehrlings, DRdA 1977, 16 ff, 19; Arb 9878). Dessen war sich die Beklagte auch bewußt, da sie die Klägerin zugleich mit der vorbehaltlosen Rücknahme der Entlassung aufgefordert hatte, im Lohnbüro vorzusprechen, damit ihre "ausständigen Ansprüche ordnungsgemäß abgerechnet" werden können. Ein weitergehendes Anerkenntnis des Rechtsstandpunktes der Klägerin ist dem Telegramm vom 11. Oktober 1990 allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu entnehmen.

Das Arbeitsverhältnis wurde sohin erst durch den vorzeitigen Austritt der Klägerin vom 11. Oktober 1990 beendet. Gemäß § 82 a lit d GewO 1859 war die Klägerin aber nur dann zum vorzeitigen Austritt berechtigt, wenn ihr die Beklagte die bedungenen Bezüge ungebührlich vorenthalten hätte. Davon kann aber schon deshalb keine Rede sein, weil die Klägerin aufgrund der berechtigten Entlassung keinen Entgeltanspruch hatte. Dieser ist erst durch die Rücknahme der Entlassung - wenn auch

rückwirkend - entstanden. Insoweit sind die von der Klägerin gesetzten Nachfristen ins Leere gegangen. An diesem Ergebnis kann auch die angeblich noch nicht erfolgte Abrechnung und Zahlung des im Vergleich zur übrigen globalen Entgeltforderung nur geringfügigen Entgelts für den 30. und allenfalls 31. Juli 1990 nichts ändern, da dieser im übrigen im Schreiben vom 16. August 1990 nicht bezifferten Forderung von der Beklagten eine im Zeitpunkt der Entlassung bestehende Überzahlung an Urlaubszuschuß entgegengehalten wurde, so daß bei Bedachtnahme auf diese besonderen Umstände insgesamt noch nicht von einem ungebührlichen Vorenthalten des Entgelts gesprochen werden kann (vgl ZAS 1989/13; Arb 10.535, 10.471, 10.210, 10.147, 9082, 7838 ua). In diesem Zusammenhang kann nämlich auch der "Fristsetzung" durch die Klägerin nicht jene Eindeutigkeit entnommen werden, welche die Reaktion der Beklagten als verspätet erscheinen ließe. Die Klägerin verlängerte die Frist zur "Stellungnahme" in Kenntnis des Urlaubs des Vertreters der Beklagten bis Montag, den 8. Oktober 1990. Sie konnte sohin mit einem Eintreffen der Stellungnahme nicht vor dem 10. oder 11. Oktober 1990 rechnen. Am 11. Oktober 1990 zog aber die Beklagte bereits die (gerechtfertigte) Entlassung zurück und ersuchte die Klägerin zur Vorsprache im Lohnbüro, um die ausständigen Ansprüche ordnungsgemäß abzurechnen. In Anbetracht des Entgegenkommens der Beklagten wäre es für die Klägerin nicht unzumutbar gewesen, das Angebot der Beklagten anzunehmen und das Arbeitsverhältnis auch im Hinblick auf eine allenfalls noch ausstehende verhältnismäßig geringfügige Entgeltdifferenz fortzusetzen.

Zufolge des unberechtigten Austritts der Klägerin stehen ihr zwar die Entgeltansprüche bis zum Zugang des Austrittsschreibens zu, nicht aber die weiters geltend gemachten austrittsabhängigen Ansprüche. Diesbezüglich ist aber das Verfahren noch ergänzungsbedürftig, da erst Feststellungen über die Höhe der jeweiligen Ansprüche zu treffen sein werden.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 ZPO begründet.

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