OGH 9ObA292/97z

OGH9ObA292/97z26.11.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Steinbauer sowie durch die fachkundigen Laienrichter MR Dr.Edith Söllner und Dr.Klaus Hajek als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. Johannes E*****, Angestellter, *****, 2. Engelbert L*****, Angestellter, ***** 3. Roland M*****, Angestellter, ***** 4. Wolfgang T*****, Angestellter, ***** alle vertreten durch Dr.Gottfried Eypeltauer ua, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Dr.Horst Reitböck, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs der H***** GmbH, wegen Feststellung (Streitwert zu 1. S 141.973,51, zu 2. S 36.894,72, zu 3. S 25.258,38, zu 4. S 65.131,76), infolge Revision der Kläger gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. Juni 1997, GZ 11 Ra 102/97t-20, womit infolge Berufung der Kläger das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 9.Jänner 1997, GZ 9 Cga 159/95t (hiemit verbunden 9 Cga 157/95y, 9 Cga 152/95p, 9 Cga 158/95w)-16, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden in ihrem die Feststellungsbegehren der Kläger abweisenden Teil aufgehoben und die Arbeitsrechtssache wird in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger waren bei der Gemeinschuldnerin beschäftigt. Am 14.10.1994 wurde beim Handelsgericht Wien zu 4 S 201/94 der Konkurs über das Vermögen des Dienstgebers eröffnet. Die mit 12.10.1994 datierten Kündigungsschreiben der Gemeinschuldnerin an die Kläger wurden am 13.10.1994 in Wien abgestempelt und sind den Klägern am 14.10.1994 zugegangen. Damit wurden die Dienstverhältnisse des Erst-, Zweit- und Viertklägers zum 15.12.1994, des Drittklägers zum 30.11.1994 gekündigt. Am 14.11.1994 erklärten die Kläger ihren vorzeitigen Austritt wegen Entgeltvorenthaltung. Nach Bewilligung der Schließung des Unternehmens durch das Handelsgericht Wien sprach die beklagte Partei am 13.12.1994 vorsichtshalber die Kündigung der etwa noch bestehenden, bereits vom Dienstgeber aufgekündigten Dienstverhältnisse aus.

Die Kläger machen austrittsabhängige Ansprüche bis zu dem Zeitpunkt geltend, zu dem der Masseverwalter das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß hätte aufkündigen können, das ist bis 31.3.1995.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klagebegehren und brachte vor, daß die Dienstverhältnisse durch den Gemeinschuldner noch vor Konkurseröffnung mündlich gekündigt worden seien und seine schriftliche Kündigung jedenfalls vom Masseverwalter nachträglich genehmigt worden sei.

Das Erstgericht stellte fest, daß den Klägern Konkursforderungen zustünden:

Erstkläger S 21.247,42 netto

Zweitkläger S 9.878,78 netto

Drittkläger S 209,28 netto

Viertkläger S 25.535,94 netto

Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wies es ab.

Es führte rechtlich aus, daß die einseitige empfangsbedürftige Kündigungserklärung mit dem Absenden am 12.10.1994 existent geworden sei, zu welchem Zeitpunkt der Gemeinschuldner noch dispositionsfähig gewesen sei. Die Kündigung habe deshalb ordnungsgemäß ausgesprochen werden können und sei durch Empfang den Klägern gegenüber wirksam geworden. Durch die ordnungsgemäßen Kündigungen sei das Dienstverhältnis der Kläger beendet worden. Der nach der Kündigung vorgenommene berechtigte Austritt der Kläger habe nur zur Folge, daß ihnen Kündigungsentschädigung bis zu dem Tage zustehe, an dem das Dienstverhältnis aufgrund der vorangegangenen Kündigung durch den Dienstgeber geendet hätte.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision gemäß § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Aufkündigung von Dienstverhältnissen zu den rechtsgeschäftlichen Willenserklärungen zu zählen sei und, wenn sie Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach Konkurseröffnung wären, gemäß § 3 Abs 1 KO den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam seien. Verfügungen des Gemeinschuldners, die sich in einer Willenserklärung erschöpfen, seien erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens vorgenommen, wenn die Erklärung zwar vor der Konkurseröffnung abgegeben, aber erst nach der Konkurseröffnung dem Erklärungsempfänger zugegangen sei. Zu diesem Zeitpunkt würden sie dem Erklärungsempfänger gegenüber wirksam. Die Kündigungen seien daher gemäß § 3 Abs 1 KO rechtsunwirksam, der Masseverwalter habe jedoch diese Kündigungen nachträglich genehmigt. Die Unwirksamkeit von Rechtshandlungen des Gemeinschuldners nach Konkurseröffnung könne durch Genehmigung des Masseverwalters geheilt werden. Sie würden damit rückwirkend voll wirksam.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß für den Erstkläger eine weitere Konkursforderung von S 51.309,15, für den Zweitkläger von S 29.669,11, für den Drittkläger von S 13.191,10 und für den Viertkläger von S 46.696,80 jeweils netto festgestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision der Kläger nicht Folge zu geben.

Die Revision ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist eine einseitige empfangsbedürftige, aber nicht annahmebedürftige Willenserklärung. Die Empfangsbedürftigkeit hat zur Folge, daß sie erst wirksam wird, wenn sie dem Erklärungsempfänger zugegangen ist (Pfeil in Schwimann, ABGB2 Band 6 Rz 13 zu § 1159 c; Arb 9259; DRdA 1996/18 [Dullinger]). Das Kündigungsrecht gehört zu den Gestaltungsrechten, durch dessen Ausübung Veränderungen der bestehenden Rechtslage herbeigeführt, Rechte zum Entstehen oder zum Erlöschen gebracht werden (Koziol/Welser, Grundriß10 I 41; Rummel in Rummel, ABGB2 Rz 10 zu § 859; JBl 1990, 718). Die Kündigung ist auch eine rechtlich relevante Handlung, die rechtliche Wirkungen beim Vermögen des Gemeinschuldners hevorrufen kann, wobei es genügt, daß diese Wirkungen auch nur mittelbar die Masse betreffen (Lehmann, Kommentar zur österreichischen Konkursordnung - Ausgleichs- und Anfechtungsordnung 46; Bartsch/Pollak, KO3 I 47 f; Holzhammer, Österreichisches Insolvenzrecht Konkurs und Ausgleich5 81; MietSlg 33.795; SZ 56/186). Die Kündigung ist daher zu den in § 3 Abs 1 KO angeführten Rechtshandlungen zu zählen. Gemäß dieser Gesetzesbestimmung sind die die Masse betreffenden Rechtshandlungen insoweit relativ, das heißt den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam (EvBl 1989/70; WBl 1988, 161; WBl 1991, 303; 8 Ob 524/94). Was der Gemeinschuldner nach Konkurseröffnung tut oder unterläßt, ist gemäß § 3 Abs 1 KO unwirksam (Holzhammer aaO 82). Die Rechtshandlung ist vorgenommen, wenn alle zu ihrer Vollendung erforderlichen Tatbestandselemente verwirklicht sind. Bei einer mehrteiligen Rechtshandlung muß der letzte Akt daher nach Konkurseröffnung liegen, um die Rechtsunwirksamkeit zu begründen (Holzhammer aaO 82). Schon mit Abgabe der Kündigungserklärung ist die rechtsgestaltende auf einen rechtsgeschäftlichen Erfolg gerichtete Willenserklärung vollendet (Koziol/Welser Grundriß2 I 83). Zu ihrer Wirksamkeit bedarf es alledings noch des Zuganges an den Adressaten (Pfeil aaO Rz 13; SZ 68/85).

Das Wirksamkeitserfordernis kann daher von der Willenserklärung nicht abgesondert werden, weil eine unwirksame Willenserklärung auch keine Rechtsfolgen nach sich zieht. Es ist daher der deutschen Lehre und Rechtsprechung, aber auch Lehmann (aaO 47) zu folgen, daß eine empfangsbedürftige Willenserklärung wie die Kündigung, die vor der Konkurseröffnung abgegeben, aber erst nach derselben wirksam geworden ist, im Sinne des § 3 Abs 1 KO eine Rechtshandlung nach Konkurseröffnung ist. Die Verfügungsbefugnis und ihre Ausübungsbefugnis durch den Gemeinschuldner (die Masse betreffend) ist sachliche Voraussetzung für die Wirksamkeit der Erklärung und daher für den Zeitpunkt zu fordern, in dem die Wirksamkeit der rechtsgeschäftlichen Willenserklärung eintritt. Dagegen ist der Verlust der Geschäftsfähigkeit auf die Wirksamkeit einer abgegebenen Erklärung ohne Einfluß, weil die persönliche Tätigkeit des Erklärenden, für die die Geschäftsfähigkeit gefordert wird, mit der Abgabe, also vor dem Zugehen abgeschlossen ist (Jaeger/Henckel, KO9 Rz 32 zu § 7; Kuhn/Uhlenbruck, KO11 Rz 18 zu § 7; Kilger/Schmidt, KO16 76; Palandt BGB56 Rz 12 zu § 130; Lehmann aaO 47; BGHZ 27/49 Seite 366).

Die Kündigung der Kläger war im Sinne des § 3 Abs 1 KO daher rechtsunwirksam. Nach Lehre und Rechtsprechung können unwirksame Handlungen des Gemeinschuldners durch den Masseverwalter mit Wirkung ex tunc genehmigt werden (Lehmann aaO 46; Bartsch/Pollak aaO I 51; Holzhammer aaO 16, Kuhn/Uhlenbruck aaO Rz 8 zu § 7; Arb 9547).

Als Rechtshandlungen nach Konkurseröffnung kann eine Genehmigung durch den Masseverwalter aber nur im Rahmen der Konkursordnung erfolgen. Die speziell die Lösung von Arbeitsverhältnissen durch den Arbeitgeber prägende Bestimmung des § 25 Abs 1 Z 1 KO sieht vor, daß das Arbeitsverhältnis innerhalb von zwei Monaten nach Konkurseröffnung bei Anordnung oder Bewilligung der Schließung des Unternehmens gelöst werden kann. Nach Bewilligung der Schließung des Unternehmens durch das Handelsgericht Wien hat der beklagte Masseverwalter mit Schreiben vom 13.12.1994 gemäß § 25 KO die Kündigung etwa noch bestehender Arbeitsverhältnisse ausgesprochen und darauf verwiesen, daß die Dienstverhältnisse bereits vom Dienstgeber aufgekündigt wurden, wobei er diesen Tag der Beendigung auch für die Konkursmasse in Anspruch nehme. Selbst wenn der Gemeinschuldner kündigungsberechtigt gewesen wäre, hätte er nach Konkurseröffnung die Voraussetzungen des § 25 KO beachten müssen. Ungeachtet der Genehmigung durch den Masseverwalter widersprach daher die vor Bewilligung der Schließung des Unternehmens ausgesprochene Kündigung des Gemeinschuldners § 25 KO. Sie konnte daher durch den Masseverwalter nicht genehmigt werden, weil nicht einmal dieser zu diesem Zeitpunkt der vom Gemeinschuldner abgegebenen Kündigung kündigungsberechtigt gewesen wäre. Der Masseverwalter hat die Dienstverhältnisse daher erst mit Schreiben vom 13.12.1994 gekündigt. Zu diesem Zeitpunkt waren sie aber bereits durch die berechtigten Austritte der Kläger wegen Vorenthaltung der Bezüge vom 14.10.1994 bis 31.10.1994 durch den Masseverwalter beendet. Den Klägern stehen daher die geltend gemachten austrittsabhängigen Ansprüche grundsätzlich zu (Ind 1997/2384). Das IRÄG 1994 ließ nämlich den Arbeitnehmern das Recht des vorzeitigen Austrittes wegen Vorenthaltung des Entgelts durch den Masseverwalter unbenommen (Ind 1996/2345 = WBl 1996, 75).

Im fortzusetzenden Verfahren werden daher die bislang abgewiesenen Begehren auf Feststellung der weiters zustehenden austrittsabhängigen Entgelte zu prüfen sein.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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