OGH 9ObA280/00t

OGH9ObA280/00t24.1.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Eva Pernt und Walter Benesch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Univ. Prof. Dr. Georg ***** G*****, Facharzt, *****, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde S*****, *****, vertreten durch Dr. Erich Hermann und Dr. Markus Ludvik, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung (S 300.000,-), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. August 2000, GZ 8 Ra 178/00f-27, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Korneuburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 2. Dezember 1999, GZ 34 Cga 96/98v-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.725,- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 2.287,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Dienstverhältnis des am 15. 10. 1949 geborenen Klägers zur Beklagten, in dessen Verlauf er etwa 15 Jahre als Primararzt des Krankenhauses S***** tätig war, wurde von der Beklagten am 30. 9. 1998 schriftlich für den 28. 2. 1999 unter Bezugnahme auf § 37 Abs 2 lit g NÖ GVBG gekündigt. Die Kündigung ist durch die Schließung der bisher vom Kläger geleiteten geburtshilflichen und frauenheilkundlichen Abteilung des Krankenhauses bedingt, deren Auslastung in den Jahren 1994 bis 1998 von rund 39 % auf 18 % zurückgegangen war. Der Beklagten war daher vom NÖ Gesundheits- und Sozialfonds (NÖGUS) die Auflage erteilt worden, dass keine eigene Abteilung für Geburtshilfe und Frauenheilkunde im Krankenhaus S***** weiter bestehen dürfe. Der Beklagten wurden Verhandlungen mit der Stadtgemeinde K***** mit dem Ziel der Schaffung eines Krankenanstaltenverbundes zwischen den beiden betroffenen Stadtgemeinden aufgetragen. Im Rahmen dieses Verbundes soll lediglich im Krankenhaus K***** eine Fachabteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe verbleiben; die entsprechende Abteilung im Krankenhaus S***** sollte aufgelassen werden. Lediglich dem Verhandlungsgeschick der Beklagten war es zu verdanken, dass als Übergangslösung bis längstens 2005 eine Außenstelle der Abteilung für Frauenheilkunde und Geburtshilfe des Krankenhauses K***** im Krankenhaus S***** betrieben werden darf, die sich allerdings ausschließlich mit Geburtshilfe befassen soll. Diese Außenstelle wird seit 1. 3. 1999 vom ärztlichen Leiter der frauenheilkundlichen und geburtshilflichen Abteilung des Krankenhauses K***** geführt, der dafür von der Stadtgemeinde K***** eine Pauschalabgeltung in nicht exakt feststellbarer Höhe (etwa S 10.000,- bis S 20.000,-) erhält. Die Beklagte hat sich verpflichtet, der Stadtgemeinde K***** diese Aufwendungen zu ersetzen. Die finanzielle Belastung durch diese Auslagen werden weit geringer sein, als die Kosten der Beklagten bei einer Weiterbeschäftigung des Klägers.

Im Krankenhaus S***** werden in Zukunft nur solche gynäkologischen Behandlungen durchgeführt, denen ein akuter Notfall zugrunde liegt. In anderen Fällen werden die Patientinnen an das Krankenhaus K***** weiterverwiesen.

Durch diese Organisationsänderung wird sich der Arbeitsanfall auf der vormaligen geburtshilflich-frauenheilkundlichen Abteilung im Krankenhaus S***** wesentlich verringern. Es wurden bereits 22 der ursprünglich vorhandenen 32 Betten an eine andere Abteilung abgetreten. In Zukunft soll es bei 6 - bis 8 für die Geburtshilfe benötigten Betten bleiben. Allein durch die Transferierung der 22 Betten hat sich das Betriebsergebnis der Beklagten um rund S 9,2 Millionen verbessert.

Als Folge der seit 1997 eingeführten leistungsorientierten Krankenanstalten-Finanzierung erwirtschaftete das Krankenhaus S***** 1997 und 1998 Verluste in der Höhe von jeweils S 43 Millionen. Diese Verluste hat in ständig steigendem Maß (1997: 8 %; 1998: 20 %; 1999:

30 %) die Beklagte zu tragen. Dadurch verstärkte sich der Druck auf die Beklagte, den organisatorischen Forderungen des NÖGUS rasch nachzukommen.

Die Auswahl der weiter in der dem Krankenhaus S***** verbleibenden Ärzte wurde dem nunmehrigen ärztlichen Leiter überlassen, der sich entschloss, mit den schon bisher beschäftigten Ärzten zusammenzuarbeiten. Sieben Krankenschwestern wurden in anderen Abteilungen des Krankenhauses S***** eingesetzt. Hingegen sah die Beklagte keine Möglichkeit, den Kläger auf einem adäquaten Posten einzusetzen. Dieser hatte bereits früher in Gesprächen über den im Vergleich zum Krankenhaus K***** stärkeren Rückgang der Geburtenrate im Krankenhaus S***** dem Bürgermeister der Beklagten erklärt, dass der ärztliche Leiter der Geburtshilfeabteilung in K***** eine andere Art der Geburtshilfe vertrete, die gewisse Menschen anspreche, die der Kläger aber ablehne. Der Bürgermeister wertete diese Äußerungen als Kritik am ärztlichen Leiter der geburtshilflich-frauenheilkundlichen Abteilung des Krankenhauses K*****, der die "sanfte Geburt" propagiert.

Ferner trafen die Vorinstanzen die Feststellung, dass eine Beschäftigung des Klägers als Oberarzt unter der Leitung des nunmehrigen ärztlichen Leiters im Hinblick auf die Unterordnung des bisherigen Primars ständig belastet gewesen wäre; außerdem wären ständige Loyalitätskonflikte für die Mitarbeiter entstanden. Es gab zum Zeitpunkt der Kündigung des Klägers keine Verwendung für seine nutzbringende Beschäftigung unter der Leitung des nunmehrigen ärztlichen Leiters.

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kündigungsgrund des § 37 Abs 2 lit g des NÖ GVBG verwirklicht sei. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es ausreicht, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Nach § 37 Abs 2 lit g NÖ GVBG ist der Dienstgeber zur Kündigung berechtigt, "wenn eine Änderung des Arbeitsumfangs, der Organisation des Dienstes oder der Arbeitsbedingungen die Kündigung notwendig macht, es sei denn, dass das Dienstverhältnis des Vertragsbediensteten durch die Kündigung in dem Zeitpunkt enden würde, in dem er das 50. Lebensjahr vollendet und bereits zehn Jahre in diesem Dienstverhältnis zugebracht hat". Diese Bestimmung ist in ihrem Wortlaut ident mit der bis 31. 12. 1998 geltenden Bestimmung des § 32 Abs 1 lit g VBG 1948 idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 10/1999 (seither - mit geändertem Wortlaut: § 32 Abs 4 VBG), sodass zu ihrer Beurteilung auf die zu § 32 Abs 1 lit g VBG ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann.

Danach liegt der Kündigungsgrund vor, wenn die Organisationsänderung das Dienstverhältnis so stark berührt, dass die Kündigung die notwendig Folge ist. Dabei liegt die "Organisationshoheit" beim Dienstgeber. Nur dieser entscheidet, ob die der Kündigung zugrunde liegende Umgliederung, Rationalisierung oder sonstige Neuorganisation notwendig oder auch nur zweckmäßig ist (RdW 2000, 622; 8 ObA 204/99d; 9 ObA 218/93). Durch diese Kündigungsmöglichkeit soll verhindert werden, dass überflüssig gewordene Dienstnehmer weiter im Dienst belassen werden müssen (Arb 9715; RIS-Jusitz RS0082463). Die Kündigung ist allerdings dann ausgeschlossen, wenn die vom betreffenden Dienstnehmer bisher ausgeübte Tätigkeit nach wie vor erforderlich ist und geleistet werden muss (Arb 9715; RIS-Justiz RS0082443). Ist hingegen infolge der Organisationsänderung - etwa infolge der Auflassung von Abteilungen - die vom betreffenden Dienstnehmer bisher ausgeübte Tätigkeit nicht mehr erforderlich, ist der Kündigungsgrund verwirklicht (Arb 10.637).

Vor diesem Hintergrund erweisen sich sämtliche Einwände des Revisionswerbers als unberechtigt:

Da allein der Dienstgeber zu entscheiden hat, ob die der Kündigung zugrunde liegende Umgliederung, Rationalisierung oder sonstige Neuorganisation notwendig oder auch nur zweckmäßig ist, kommt es auf die Frage, ob die Beklagte zur Durchführung der Organisationsänderung gezwungen war, nicht an. Auf die aus den Feststellungen ersichtlichen Gründen dieser Maßnahme braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Unbestreitbar ist auch, dass die Notwendigkeit der Anstellung eines ärztlichen Leiters der geburtshilflichen und gynäkologischen Abteilung im Krankenhaus S***** weggefallen ist und überhaupt die in der in S***** verbliebenen Außenstelle anfallende ärztliche Arbeit beträchtlich zurückgegangen ist. Damit kann sich der Kläger aber nicht darauf berufen, dass gerade er, dessen eigentlicher Arbeitsplatz weggefallen ist, trotzdem - wenn auch in untergeordneter Funktion - hätte weiterbeschäftigt werden müssen. Insbesondere ist aus § 32 lit g NÖ VBGB keine Verpflichtung des Dienstgebers ableitbar, andere Ärzte zu kündigen, um eine Weiterbeschäftigung des Klägers auf einer anderen als der bisher von ihm eingenommenen Position zu ermöglichen. Dass - wie er behauptet - seine Tätigkeit in Wahrheit nicht weggefallen sei, steht mit dem festgestellten Sachverhalt nicht in Einklang. Ebensowenig steht fest, dass die Beklagte mehr als dies schon vor der Organisationsänderung im Zusammenhang mit Problemen der ärztlichen Arbeitszeit erforderlich war - ärztliche Leistungen "zukauft". Derartiges wurde weder behauptet, noch ist dies im Verfahren hervorgekommen. Umso weniger steht fest, dass die durch diesen "Zukauf" anfallenden Leistungen die Kosten der Weiterbeschäftigung des Klägers (in einer untergeordneten Position) übersteigen würden. Auch das hat der Kläger in erster Instanz gar nicht behauptet.

Dass dem Kläger kein Angebot zur Änderung seines Dienstverhältnisses gemacht wurde, ist ohnedies unstrittig. Im Sinne der dargestellten Rechtslage war ein solches Angebot auch gar nicht erforderlich. Der Entscheidung 9 ObA 92/89 ist nichts Gegenteiliges zu entnehmen. Die - einzelfallbezogene - Aussage dieser Entscheidung, dass es dem öffentlichen Arbeitgeber unbenommen bleibe, eine Vertragsbedienstete zu kündigen, die alle Vorschläge zu einer dem verringerten Arbeitsanfall entsprechenden Änderung ihres Dienstverhältnisses ablehne, rechtfertigt nicht den Schluss, dass eine Kündigung wegen einer Organisationsänderung generell nur im Falle der Ablehnung eines entsprechenden Änderungsanbotes zulässig sei. Da im vorliegenden Fall feststeht, dass die Position des Klägers als solche weggefallen ist und dass die Beklagte mit dem verbleibenden Personal das Auslangen findet - wie bereits ausgeführt, wurde ein vermehrter "Zukauf" ärztlicher Leistungen weder behauptet noch festgestellt - war die Beklagte vielmehr berechtigt, den Kläger ohne vorheriges Anbot auf Änderung des Dienstvertrages zu kündigen. Auf die Prognosen der Vorinstanzen über im Falle einer Weiterbeschäftigung des Klägers zu befürchtende Probleme braucht daher gar nicht eingegangen zu werden.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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