OGH 9ObA276/92

OGH9ObA276/9211.11.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Scheuch und Rupert Gnant als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei R***** S*****, Angestellte, ***** vertreten durch *****, Referent der Kammer *****, dieser vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei J***** S*****, Kaufmann, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen S 58.154,23 sA (im Revisionsverfahren S 29.660,30 sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 7.Juli 1992, GZ 13 Ra 4/92-29, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.Mai 1991, GZ 20 Cga 149/90-13a, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.623,04 (darin S 603,84 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die für das Revisionsverfahren allein entscheidende Frage, ob die Klägerin im Sinne des § 27 Z 4 AngG berechtigt entlassen worden ist, zutreffend verneint. Es reicht daher insofern aus, auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Den Ausführungen des Revisionswerbers, die Klägerin habe sich trotz Aufforderung beharrlich geweigert, dem Beklagten dringend benötigte Buchhaltungsunterlagen herauszugeben, ist entgegenzuhalten, daß er dabei nur zum Teil vom maßgeblichen Sachverhalt ausgeht.

Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen der Vorinstanzen hatte der Beklagte wiederholt versucht, die für eine Betriebsprüfung nötigen Unterlagen aus der Wohnung der Klägerin, seiner geschiedenen Gattin, abzuholen. Er traf die Klägerin jedoch nicht an, worauf er mehrmals Zettel an die Wohnungstür "klebte", auf denen die Bitte vermerkt war, die Buchhaltungsunterlagen, die für die Betriebsprüfung dringend benötigt würden, beim Beklagten abzugeben. Welche und wieviele dieser Zettel der Klägerin auch tatsächlich zur Kenntnis gelangten, wurde vom Erstgericht nicht festgestellt. Erwägungen in der Beweiswürdigung können diesbezüglich konkrete Feststellungen nicht ersetzen. Andere effektivere Kommunikationsversuche, wie etwa Telefonate oder eingeschriebene Briefe, sind den Feststellungen ebenfalls nicht zu entnehmen. Eindeutig ist nach den Feststellungen lediglich, daß der Beklagte am 26. März 1990 einem Rechtsanwalt den Auftrag erteilte, die Klägerin schriftlich aufzufordern, die Unterlagen bis spätestens 30.März 1990, 12 Uhr, zu ihm oder zum Rechtsanwalt zu bringen. Die Klägerin kam diesem Auftrag insofern nach, als sie den Sohn der Streitteile beauftragte, die drei bis vier Buchhaltungsordner, die in Säcken verstaut waren, in das Büro des Beklagten zu bringen, wo der Sohn allerdings erst gegen 14 Uhr eintraf und niemanden mehr vorfand. Nachdem der Beklagte seinem Rechtsanwalt den Auftrag erteilt hatte, die Klägerin zu entlassen, rief er diese am 31.März 1990 an und vereinbarte mit ihr einen neuen Übergabetermin für 3.April 1990. An diesem Tag konnte der Sohn der Streitteile die Unterlagen dem Beklagten übergeben. Auch das Entlassungsschreiben ging der Klägerin an diesem Tag zu.

Bei diesem Sachverhalt ist dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß der Klägerin keine "beharrliche" Nichtbefolgung gerechtfertigter Weisungen im Sinne des § 27 Z 4 AngG angelastet werden kann. Der Beklagte hat den Auftrag, ihm die Buchhaltungsunterlagen zu übergeben, der Klägerin nicht persönlich übermittelt, obwohl es dafür hinreichende Möglichkeiten einer direkten Kontaktaufnahme gegeben hätte. Inwieweit diese lediglich an der Tür befestigten Zettel der Klägerin auch tatsächlich zur Kenntnis gekommen sind (Ortsabwesenheit, Herabfallen bzw. Entfernen der Zettel udgl), ist nicht festgestellt. Der ultimativen Aufforderung durch den Rechtsanwalt, die Unterlagen zu bringen, wollte die Klägerin ohnehin nachkommen, indem sie den gemeinsamen Sohn der Parteien mit der Überbringung beauftragte. Aus welchen Gründen sich dieser um etwa 2 Stunden verspätete, steht ebenfalls nicht fest. Auch noch vor Erhalt des Entlassungsschreibens erklärte sich die Klägerin zur Übergabe der Unterlagen bereit und schickte den Sohn zum vereinbarten Übergabetermin. Ihrem Verhalten kann somit nicht die für die Tatbestandsmäßigkeit erforderliche Nachhaltigkeit, Unnachgiebigkeit oder Hartnäckigkeit des in der Pflichtenvernachlässigung zum Ausdruck gelangenden, auf die Verletzung der Pflicht gerichteten Willens entnommen werden (vgl Kuderna, Das Entlassungsrecht 94 ff; 72).

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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