OGH 9ObA27/24x

OGH9ObA27/24x26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Mag. Ziegelbauer als Vorsitzenden,den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Herbert Böhm (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei K*, vertreten durch Haider Obereder Pilz Rechtsanwält:innen GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei A* AG, *, vertreten durch Dr. Andreas Grundei, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.) Feststellung und 2.) 3.423,87 EUR brutto sA, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. Februar 2024, GZ 8 Ra 83/23v‑23, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00027.24X.0626.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Der Kläger war von 15. 7. 1977 bis 1. 11. 2000 bei der Beklagten als Flugkapitän beschäftigt. Auf das Dienstverhältnis fand der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines AG und Lauda Air GmbH vom 24. 2. 1997 (in weiterer Folge: OS‑KV Bord 1997) Anwendung. § 15 OS‑KV Bord 1997 sah zum Stichtag 1. 1. 1997 eine betriebliche Alterspensionsvorsorge vor. Der daraus resultierende Anspruch des Klägers auf eine leistungsorientierte Pension wurde nach Ablauf des Abfertigungszeitraums ab 2002 von der * Pensionskasse AG auch erfüllt.

[2] Am 1. 4. 2004 traten der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines, Österreichische Luftverkehrs AG und Lauda Air GmbH (in der Folge: OS‑KV 2004) und der Zusatzkollektivvertrag 2 (Eintritte bei Austrian Airlines AG vor  1. 4. 2004) in Kraft. Der Kollektivvertrag für das Bordpersonal der Austrian Airlines und Lauda Air (OS-KV Bord 2008) in der konsolidierten Fassung 2011 sowie der Zusatzkollektivvertrag 2 wurden von der Wirtschaftskammer Österreich zum 30. 6. 2012 gekündigt.

[3] Ein am 26. 6. 2020 abgeschlossener Zusatzkollektivvertrag für das Bordpersonal (ZKV 2020) sieht in Pkt 18.3. (Pensionsregelungen vor dem 1. 4. 2015) idF des Nachtrags (Ntr‑ZKV 2020) im Ergebnis vor, dass der für ehemalige Piloten bestehende Anspruch auf (Gesamt-)Pensionsleistung für die Dauer vom 1. 1. 2021 bis 31. 12. 2025 um 15 % gesenkt wird. Dadurch erlitt der Kläger eine monatliche Pensionseinbuße von 380,43 EUR.

[4] Der Kläger begehrte die Feststellung der Unwirksamkeit des Ntr‑ZKV 2020, die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Leistung aller Nachschüsse an die * Pensionskasse AG im Zeitraum 2021 bis 2025 entsprechend dem Zusatzkollektivvertrag Z zum OS‑KV 2004 und die Leistung eines Geldbetrags.

[5] Die Vorinstanzen wiesen die Klagebegehren ab.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die außerordentliche Revision des Klägers, die sich gegen die Abweisung der beiden Feststellungsbegehren richtet, zeigt keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

[7] 1. Der Oberste Gerichtshof hat sich bei der Prüfung der Frage, ob eine außerordentliche Revision einer weiteren Behandlung unterzogen oder verworfen werden soll, auf jene Gründe zu beschränken, die in der Zulassungsbeschwerde als solche angeführt wurden (RS0107501).

[8] 2. Gemäß § 3 Abs 1a Z 1 BPG kann eine Pensionskassenregelung in einem Kollektivvertrag vorgesehen werden, wenn ein Kollektivvertrag zum Stichtag 1. Jänner 1997 eine betriebliche Alters‑(Hinterbliebenen‑)versorgung vorsieht. Diese Bestimmung ermöglicht die Übertragung von kollektivvertraglichen direkten Leistungszusagen direkt und ohne Umweg auf betrieblicher Ebene im Wege des Kollektivvertrages selbst (ErläutRV 387 BlgNR XX. GP  12 f). Entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers wurde mit Pkt 18.3. ZKV 2020 aber keine neue Pensionsregelung im Sinne des § 3 Abs 1a Z 1 BPG geschaffen, sondern es wurden lediglich die in früheren Kollektivverträgen enthaltenen Regelungen über leistungsorientierte Pensionskassenpensionen geändert. Die in der außerordentlichen Revision relevierte Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO, ob die Kollektivvertragsparteien nur dann zum Abschluss einer Pensionskassenvereinbarung ermächtigt seien, wenn zu diesem Zeitpunkt (nicht [nur] zum 1. 1. 1997) ein Kollektivvertrag in Geltung steht, der die Betriebspension regelt, stellt dich daher nicht.

[9] 3.1. § 3 Abs 1b Z 2 BPG sieht vor, dass bei Erlöschen des Kollektivvertrages durch Kündigung die Regelungen des Kollektivvertrages über eine Pensionskassenzusage Inhalt des Arbeitsvertrages des Anwartschaftsberechtigten werden. Das zentrale Argument der Revision, auch Leistungsberechtigte seien von dieser Bestimmung umfasst, widerspricht dem klaren und unmissverständlichen Wortlaut des Gesetzes. Eine Auslegung gegen den eindeutigen Gesetzeswortlaut ist zwar nach der Rechtsprechung ausnahmsweise möglich, wenn das Gesetz in seinem wörtlichen (nächstliegenden) Verständnis offenbare Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung provozieren müsste, mit bestehendem Wertungskonsens innerhalb der Rechtsgemeinschaft unvereinbar oder der „Natur der Sache“ zuwider wäre (RS0008765 [T2]). Dass dies hier der Fall ist, zeigt die außerordentliche Revision des Klägers aber nicht auf.

[10] 3.2. Mit § 3 Abs 1b Z 2 BPG wollte der Gesetzgeber einen im Vergleich zu § 97 Abs 4 ArbVG (iVm § 97 Abs 1 Z 18a und 18b ArbVG) gleichwertigen Bestandschutz bereits erworbener Anwartschaften schaffen (ErläutRV 387 BlgNR XX. GP 13). Die Materialien halten ebenfalls ausdrücklich fest, dass bei Kündigung des Kollektivvertrages die Regelungen über Pensionszusagen in die jeweiligen Arbeitsverhältnisse übergehen sollen; dem Arbeitnehmer soll seine bisherige Anwartschaft erhalten bleiben (ErläutRV 387 BlgNR XX. GP  13). Damit stellt der Gesetzgeber selbst klar, dass er mit der Bestimmung des § 3 Abs 1b Z 2 BPG nur Anwartschaftsberechtigte mit einem aufrechten Arbeitsvertrag und nicht auch leistungsberechtigte Pensionisten meint. Dem Gesetzgeber des BPG kann daher – entgegen der Ansicht der außerordentlichen Revision – nicht unterstellt werden, er habe mit der Terminologie „Anwartschaftsberechtigte“ auch „Leistungsberechtigte“ gemeint, finden sich doch nicht nur beide Begriffe in unmittelbarer Nähe nebeneinander in § 3 Abs 1 Z 1, 2 und 3 BPG, sondern enthalten auch § 5 Z 1 und 2 PKG ausführliche Definitionen dieser Begriffe. Da der Kläger weder Anwartschaftsberechtigter ist noch in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Beklagten steht, ist § 3 Abs 1b Z 2 BPG auf ihn daher nicht anzuwenden.

[11] 3.3. Die Regelung des § 3 Abs 1b Z 2 BPG verstößt auch nicht gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz, weil es sich bei den von § 3 Abs 1b (und 1c) BPG erfassten Anwartschaftsrechten einerseits und Leistungsansprüchen aus einer betrieblichen Pensionskasse andererseits um unterschiedliche Ansprüche der gleichen Berechtigten zu unterschiedlichen Zeitpunkten handelt, deren Eingriffschutz auch unterschiedlich ausgestaltet ist. Auf das jeweilige Lebensalter der Anwartschafts- bzw Leistungsberechtigten stellt das Gesetz nicht ab, sodass auch aus dem Aspekt der unionsrechtlich verbotenen Altersdiskriminierung eine vom eindeutigen Gesetzeswortlaut abweichende Auslegung des § 3 Abs 1b BPG nicht geboten ist.

[12] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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