Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 28.Juli 1986 bis 26.April 1991 als Korrosionsschutzarbeiter bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger war mit Sandstrahlen, Spritzlackieren und Spritzverzinken beschäftigt. Der Kläger hatte bei diesen Tätigkeiten einen Schutzanzug und eine Schutzbrille und bei Sandstrahlarbeiten überdies einen Helm zu tragen, in den von außen über einen Kompressor Luft zugeführt wird.
Etwa zwei Jahre nach Aufnahme dieser Tätigkeiten machten dem Kläger gesundheitliche Beschwerden zu schaffen; er verlor insgesamt drei Zähne, litt an Kopfschmerzen und war seit Mitte 1988 siebenmal insgesamt zwei Monate im Krankenstand. Am 18.April 1991 bestand beim Kläger eine mäßiggradige, bronchitische Obstruktion und eine komplette Verschattung des rechten sinus maximus. Die den Kläger behandelnde Lungenfachärztin befürwortete Nikotinabstinenz und die Vermeidung inhalativer Noxen. Die Lungenfachärztin riet dem Kläger, den Arbeitsplatz zu wechseln. Die Untersuchung durch einen HNO-Facharzt ergab im Nasengang reichlich gelben Schleim, eine Totalverschattung der rechten Kieferhöhle, eine diffuse Trübung der rechten Stirnhöhle und eine polsterförmige Verschattung der linken Kieferhöhle. Bei der Anamnese wurde erhoben, daß eine Verschlechterung des Zustandes bei der Arbeit, eine Besserung hingegen im Urlaub eintrat. Der Kläger leidet an einer Polyposis im mittleren Nasengang rechts mit Affektion der nachgeschalteten Nebenhöhlen. Diese Erkrankung wurde durch anatomische Variationen im Bereich des rechten mittleren Nasenganges ausgelöst; dadurch kann es zu rezidivierenden Entzündungen kommen. Die aus dem Helm strömende Luft oder die Zugluft hat auf diese chronische Nebenhöhlenentzündung auch bei Tragen einer Schutzmaske einen ungünstigen Einfluß.
Während seines Krankenstandes im April 1991 begab sich der Kläger zu seinem Vorgesetzten, legte ihm die ärztlichen Atteste vor und erklärte, daß er seine bisherige Arbeit nicht mehr aushalte und es so nicht mehr weitergehe. Der Vorgesetzte erwiderte, daß er keine andere Arbeit für den Kläger habe, er könne sich aber vorstellen, daß der Kläger nur mit Spritzen oder Sandstrahlen beschäftigt werde. Daraufhin erklärte der Kläger, daß er aufhöre.
Der Kläger begehrt von der Beklagten 45.708,08 S brutto an Abfertigung und brachte vor, daß er das Arbeitsverhältnis durch berechtigten vorzeitigen Austritt beendet habe, weil er seine bisherige belastende Tätigkeit ohne Gefährdung der Gesundheit nicht mehr habe fortsetzen können.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Kläger könne bei seinen Arbeiten eine Schutzmaske verwenden. Der Vorgesetzte habe dem Kläger erklärt, daß der ärztlichen Empfehlung gefolgt werden könne und sich im Betrieb ein für den Kläger verträglicher Arbeitsplatz finden werde. Dennoch sei der Kläger ausgetreten.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit 42.283,76 S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren ab. Es sei nicht zweifelhaft, daß sich ständige Zugluft auf eine chronische Erkrankung der Nasennebenhöhlen negativ auswirke. Eine andere Beschäftigung sei dem Kläger nicht angeboten worden, so daß der Austritt des Klägers gemäß § 82 a lit a GewO berechtigt gewesen sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Auch wenn die Fortsetzung der Arbeitstätigkeit die Gesundheit nur deshalb gefährde, weil der Arbeitnehmer infolge eines anlagebedingten Leidens weniger widerstandsfähig sei als ein gesunder Arbeitnehmer, sei der nach § 82 a lit a GewO geforderte kausale Zusammenhang zwischen der Gesundheitsgefährdung und der ausgeübten Arbeitstätigkeit gegeben.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen der Aktenwidrigkeit, der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens (im Rahmen der Rechtsrüge) und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die behaupteten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Das Erstgericht hat - aufgrund des Gutachtens ON 24 - festgestellt, daß nicht nur die aus dem Schutzhelm strömende Luft, sondern auch die bei den Arbeiten ohne Helm auftretende Zugluft auf die chronische Nebenhöhlenentzündung einen ungünstigen Einfluß hat. Weder aus den Feststellungen des Erstgerichtes noch aus der Aktenlage ergibt sich daher, daß die Spritzarbeiten, bei denen der Kläger keinen Schutzhelm tragen muß, gesundheitlich unbedenklich sind.
Da die Beklagte im Verfahren erster Instanz durch einen Angestellten ihrer gesetzlichen Interessenvertretung und damit qualifiziert im Sinne des § 40 Abs 1 Z 2 ASGG vertreten war, wurde der erstmals in der Berufung erhobene Einwand, der Kläger habe die zumutbare chirurgische Sanierung der bestehenden Anomalien im Nasenbereich unterlassen, vom Berufungsgericht zutreffend als gemäß § 482 ZPO iVm § 63 Abs 1 ASGG unzulässige Neuerung gewertet.
Auch die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß nicht nur eine allein durch die Arbeitsleistung verursachte Gesundheitsgefährdung, sondern auch die Verschlechterung eines anlagebedingten oder auf andere Ursachen zurückzuführenden Leidens durch die Arbeitsleistung den Arbeitnehmer zum Austritt nach § 82 a lit a GewO berechtige, trifft zu. Nach dieser Bestimmung kann ein Arbeitnehmer die Arbeit vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit und ohne Kündigung verlassen, wenn er die Arbeit ohne erweislichen Schaden für seine Gesundheit nicht fortsetzen kann. Hiebei genügt es, daß durch die Fortsetzung der Arbeit ein gesundheitlicher Schaden befürchtet werden muß (s Arb 9376; Arb 10.144; infas 1989 A 9; DRdA 1989/14
[Wachter aaO 179 ff] = ZAS 1989/19 [Schauer] = SZ 60/134 = Arb 10.671
= WBl 1987, 308 = RdW 1987, 418; WBl 1989, 93). Für das Vorliegen des Austrittsgrundes ist es daher ohne Bedeutung, ob der Arbeitnehmer aufgrund seiner Konstitution oder eines nicht durch die Arbeit verursachten (anlagebedingten) Leidens besonders empfindlich ist; entscheidend ist allein, daß durch die Arbeitsleistung eine (weitere) Gefährdung der Gesundheit des Arbeitnehmers verursacht wird (s infas 1984 A 60; ARD 4021/11/88 = RdW 1988, 360 sowie ARD 4019/24/88 und ARD 4509/29/93; s auch Mosler, Austritt wegen Gesundheitsgefährdung - eine Analyse der neueren Rechtsprechung, DRdA 1990, 195 ff [201 f]).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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