OGH 9ObA26/13h

OGH9ObA26/13h24.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Kuras und Mag. Ziegelbauer, sowie durch die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Rolf Gleißner und Mag. Ernst Bassler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei E***** W*****, vertreten durch Fellner, Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei P***** GmbH, *****, vertreten durch Hengstschläger Lindner & Partner Rechtsanwälte GmbH in Linz, wegen Feststellung (Streitwert: 67.525,64 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Dezember 2012, GZ 11 Ra 86/12i-18, mit dem über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Wels als Arbeits- und Sozialgericht vom 26. Juni 2012, GZ 14 Cga 39/12i-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.045,88 EUR (darin enthalten 340,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Aufgrund eines Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wird ein Aufhebungsbeschluss grundsätzlich anfechtbar. Der Zweck des Rekurses besteht in der Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof. Demnach muss im Rekurs eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht werden. Ist dies nicht der Fall, so muss der Rekurs zurückgewiesen werden.

1. Nach ständiger Rechtsprechung kann die Frage, ob das Fehlverhalten eines Angestellten bei Anlegung eines objektiven Maßstabs geeignet ist, das Vertrauen des Arbeitgebers so weit zu erschüttern, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar ist, immer nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0106298; RS0103201 uva) und stellt damit regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar. Das Berufungsgericht vertritt im angefochtenen Beschluss die Rechtsansicht, dass das in einem anderen Zivilprozess durch ihren Rechtsvertreter erstattete Vorbringen der Klägerin bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht mehr allein in Wahrung berechtigter Interessen der Klägerin erstattet wurde (RIS-Justiz RS0029646), sondern den Vorwurf des ehrenrührigen Verhaltens gegenüber dem Geschäftsführer der Beklagten im Sinn des § 27 Z 6 AngG enthält. Dazu kommt es darauf an, ob die Äußerung des Arbeitnehmers objektiv geeignet ist, ehrverletzend zu wirken und ob sie im konkreten Fall diese Wirkung auch erreicht hat (RIS-Justiz RS0029845). Eine Korrekturbedürftigkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Rekurswerberin weder mit ihrer Behauptung auf, es komme im Sinn der Entscheidung 15 Os 85/07z nicht auf einen „durchschnittlichen Erklärungsempfänger“, sondern auf einen „verständigen Beobachter“ an, noch mit ihren weiteren Ausführungen, mit denen sie im Ergebnis lediglich eine andere Auslegung des hier zu beurteilenden Prozessvorbringens im Einzelfall anstrebt. Die vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob eine von einem Prokuristen gegen seinen Geschäftsführer begangene, rein in familiären und privaten Streitigkeiten begründete Ehrverletzung auch als Entlassungsgrund nach § 27 Z 6 AngG zu beurteilen sei, greift die Rekurswerberin nicht auf.

2. Auch die weitere, vom Berufungsgericht als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzungen einem Arbeitnehmer Äußerungen des ihn vertretenden Rechtsanwalts als Entlassungsgrund zuzurechnen sind, greift die Rekurswerberin nicht auf. Ist aber die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden oder wird sie vom Rekurswerber nicht bekämpft, so kann der Oberste Gerichtshof nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RIS-Justiz RS0042179; Kodek in Rechberger 3 § 519 ZPO Rz 26), weshalb auf die Ausführungen der Rekurswerberin, die für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen seien ohnedies - wenn auch disloziert - getroffen worden, nicht einzugehen ist.

3. Das Berufungsgericht hat die Entlassung der Klägerin wegen des Entlassungsgrundes der erheblichen Ehrverletzung gemäß § 27 Z 6 AngG als rechtzeitig beurteilt. Ausgehend von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen wirft diese auf den Umständen des Einzelfalls beruhende Beurteilung des Berufungsgerichts keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (RIS-Justiz RS0031571; RS0031799 [T28]). Eine Korrekturbedürftigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgerichts zeigt die Rekurswerberin mit ihrer Behauptung, der im Verhandlungssaal im Beisein seines Rechtsanwalts anwesende Geschäftsführer der Beklagten hätte die Entlassung noch während der Verhandlung, in der das nunmehr als Entlassungsgrund herangezogene Vorbringen der Klägerin erstattet wurde, mit seinem Rechtsfreund klären müssen, vor dem Hintergrund der vom Berufungsgericht dargestellten rechtlichen Problematik des Falls und der verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Streitteilen nicht auf.

Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen (RIS-Justiz RS0123222).

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