Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 7.144,13 samt 8,5 % Zinsen aus EUR 1.020,59 ab 2. 4. 2003, 8,5 % aus EUR 1.020,59 ab 2. 5. 2003, 8,5 % aus 1.020,59 ab 2. 6. 2003, 8,5 % aus EUR 1.020,59 ab 2. 7. 2003, 8,5 % aus EUR 1.020,59 ab 2. 8. 2003, 8,5 % aus EUR 1.020,59 ab 2. 9. 2003 und 8,5 % Zinsen aus EUR 1.020,59 ab 2. 10. 2003 zu zahlen, wird abgewiesen."
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 4.346,78 (darin EUR 565,46 an USt und EUR 954,-- an Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist seit 25. 9. 1979 als Vertragsbediensteter bei der Beklagten im Bereich der MA 11 beschäftigt und arbeitet als Hausarbeiter in einem Kinderheim. Für die (insgesamt drei) Hausarbeiter bestand über lange Zeiträume ein sogenannter Permanentdienst, in dessen Rahmen sie - auch über Wochenenden und Feiertage - abwechselnd von 7.00 bis 15.00 Uhr und von 15.00 bis 7.00 Uhr arbeiteten bzw einen Tag frei hatten. Nachdem einige von den Hausarbeitern besorgte Aufgaben (Schneeräumung, Türkontrolle, Heizungswartung.....) ausgelagert worden waren, war ein Permanentdienst ab ca 1998 nicht mehr notwendig. Tatsächlich wurden die Wechseldienste erst mit 1. 4. 2003 eingestellt und die damit verbundenen Nebengebühren (Wechseldienstentschädigung, Feiertagsablöse) nicht mehr ausgezahlt, woraus sich für den Kläger ein monatlicher Einkommensverlust von EUR 1.020,59 brutto ergab. Der Stadtsenat der Beklagten hatte in seiner Sitzung vom 16. 12. 1997 (PrZ 0647-M01; MA1) die Gewährung einer Ausgleichszulage beschlossen, für die § 38 der Besoldungsordnung 1994 und § 19 der Vertragsbedienstetenordnung 1995 gelten sollten. Damit sollte für 6 bzw 7 Monate ein Ausgleich für den Entfall von Nebengebühren geschaffen werden, und zwar unter anderem in Fällen, in denen auf Grund von Organisationsänderungen in einer Dienststelle die einem Mitarbeiter übertragenen Aufgaben geändert werden, wodurch eine Verminderung in der Höhe der bisher bezogenen Nebengebühren eintritt. Der Kläger begehrte nun vor allem unter Berufung auf diesen Beschluss des Stadtsenates EUR 7.144,13 brutto samt Zinsen. Der Entfall seiner bisher bezogenen Nebengebühren (Wechseldienstentschädigung und Feiertagsablöse) sei auf eine Organisationsänderung im Sinne der Bestimmungen des genannten Beschlusses zurückzuführen. Aber auch sonst habe er Anspruch auf eine „Ausgleichszahlung" und stütze das Begehren auf jenen erdenklichen Rechtsgrund.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, die im Beschluss des Stadtsenates festgelegten Anspruchsvoraussetzungen seien nicht erfüllt. Weder haben sich die Aufgaben der Dienststelle des Klägers vermindert noch bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen organisatorischen Änderungen beim Betrieb des Kinderheimes und dem Entfall der Wechseldienste. Schließlich liege auch keine Genehmigung der Organisationsänderungen durch den Magistratsdirektor bzw dem Gemeinderat vor.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es habe eine Organisationsänderung gegeben, die auf den Entfall oder die Verminderung der Aufgaben einer Dienststelle zurückzuführen gewesen sei. Das Kinderheim sei bis Ende 2002 eine „Dienststelle" in der Folge jedoch lediglich eine „Dienstverrichtungsstelle" gewesen. Die gesamte Struktur habe sich auf Grund der neuen pädagogischen Zielsetzung sehr geändert. Auf Grund der Organisationsänderung sei der Permanentdienst im Kinderheim eingestellt worden. Der Kläger habe daher Anspruch auf die Ausgleichszulage gemäß dem Stadtsenatsbeschluss vom 16. 12. 1997. Auf eine Genehmigung der Organisationsänderung durch den Magistratsdirektor komme es nicht an, zumal die Organisationsänderung tatsächlich durchgeführt worden sei. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes sei das Kinderheim von dem im Dezember 2002 abgeschlossenen neuen Konzept nicht betroffen gewesen, habe es doch an den bereits ab 1988 neu eingerichteten getrennten Wohneinheiten keine feststellbaren Änderungen gegeben. Die Ausgleichszulage sei aber auch zu gewähren, wenn eine Organisationsänderung nicht auf ein (genehmigtes) Strukturkonzept, sondern auf den Entfall oder die Verminderung der Aufgaben einer Dienststelle zurückzuführen sei. In der reduzierten Anzahl der betreuten Kinder liege eine Verminderung der Aufgaben des Kinderheims als Dienststelle. Die Einsparung der Wechseldienste sei auch eine unmittelbare Folge der Errichtung kleinerer Wohngemeinschaften innerhalb des Kinderheims, zumal „unmittelbar" nicht nur im Sinne einer zeitlichen Nähe gesehen werden könne und die Wechseldienste überdies bereits rund fünf Jahre früher nicht mehr unbedingt benötigt worden waren. Insgesamt sei der Wegfall der Notwendigkeit, rund um die Uhr einen Hausarbeiter für Portier- und Störungsdienste zur Verfügung zu haben, eine kausale Folge der Einrichtung weniger kleiner, abgeschlossener Wohneinheiten mit nur mehr halb so vielen Kindern, folglich einer Organisationsänderung im Zusammenhang mit einer Reduktion der Aufgaben in der Dienststelle, gewesen. Auf die zeitlich deutlich verzögerte Umsetzung der Maßnahme, die Wechseldienste zu streichen, komme es nach dem Wortlaut des Beschlusses des Stadtsenats nicht an. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zur Interpretation der allgemeinen Anspruchsvoraussetzungen gemäß Punkt 1 des Beschlusses des Wiener Stadtsenates vom 16. 12. 1997 höchstgerichtliche Judikatur fehle und im Hinblick auf die große Zahl der potentiell betroffenen Bediensteten der Beklagten eine Rechtsfrage von über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision der Beklagten ist zulässig und berechtigt.
Es entspricht der Rechtsprechung auch des Obersten Gerichtshofs, dass der beschlussmäßigen Festsetzung von Nebengebühren durch den Wiener Stadtsenat im Hinblick auf den Charakter als generelle Norm die rechtliche Qualifikation einer Verordnung zukommt, die mangels besonderer einfach gesetzlicher Kundmachungsvorschriften „ortsüblich" kundzumachen ist (8 ObA 8/04s). Auch der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt erkannt, dass Verordnungen des Stadtsenates im Allgemeinen bzw solche nach den § 33 ff Wiener BO 1994 im Besonderen ortsüblich kundzumachen sind, um ihnen Rechtsgeltung zu verschaffen (97/12/0207;97/12/0208). In den zuletzt genannten Entscheidungen wurde weiters ausgesprochen, dass nicht alles, wodurch die Öffentlichkeit Kenntnis über Willensbildungen von Behörden erlange, auch als gehörige Kundmachung angesehen werden könne. Die Veröffentlichung müsse vielmehr derart in Erscheinung treten, dass die davon Angesprochenen - auf eine normative Enunziation schließen könnten. Die Publikationsweise müsse geeignet sein, ihren Adressaten Kenntnis darüber zu vermitteln, dass eine bestimmte Rechtsnorm erlassen wurde. Die Kundmachung müsse also den Einzelnen erkennen lassen, dass er nicht bloß über die Tatsache verschiedener Willensbildungen eines behördlichen Organes informiert wird, sondern dass diese Willensakte damit als für ihn verbindliche - dh im vorliegenden Zusammenhang Rechte oder Pflichten begründende (außenwirksame) - Norm Existenz erlangen. Die Wiedergabe eines Sitzungsprotokolles in einem Publikationsorgan stelle keine derartige Kundmachung dar. Es reiche nicht aus, in einem an sich in Betracht kommenden Publikationsorgan die Niederschrift über die Sitzungen des Stadtsenates mitzuteilen, möge auch jeweils der vollständige Inhalt des Stadtsenatsbeschlusses abgedruckt sein.
Die in den zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs ausgesprochene Rechtsmeinung steht mit jener des Verfassungsgerichtshofs im Einklang, der zu einem gleichgelagerten Fall ausgesprochen hat, dass die bloße Bekanntgabe eines (einen Beschluss enthaltenden) Sitzungsprotokolls des Stadtsenats keine ordnungsgemäße Kundmachung darstelle (VfSlg 3094/1956). Der erkennende Senat hat keine Veranlassung, von dieser Rechtsprechung abzuweichen, der auch der Revisionsgegner inhaltlich nicht entgegentritt, sondern - neben der unbegründeten Behauptung, eine ausreichende Kundmachung habe stattgefunden - lediglich darauf hinweist, auch die Beklagte sei im bisherigen Verfahren von der Verbindlichkeit des Stadtsenatsbeschlusses ausgegangen. Wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 8 ObA 8/04s ausgesprochen hat, handelt es sich bei der Frage, ob eine als Rechtsverordnung zu qualifizierende beschlussmäßige Festsetzung von Nebengebühren - hier einer „Ausgleichszulage" - ordnungsgemäß kundgemacht wurde, um eine Rechtsfrage, die - im Falle einer ordnungsgemäß ausgeführten Rechtsrüge - vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist (vgl auch 7 Ob 238/97v). Damit kann auch in der erstmals im Revisionsverfahren erfolgten Berufung einer Prozesspartei auf die Unwirksamkeit einer Verordnung mangels gehöriger Kundmachung keine unzulässige Neuerung liegen. Eine nicht gehörig kundgemachte Verordnung ist von den Gerichten nicht anzuwenden, weil sie als (allgemein verbindliche) Rechtsnorm nicht entstanden ist (SZ 59/136, 1 Ob 15/95, 9 ObA 77/98h ua).
Die Überprüfung durch den erkennenden Senat hat ergeben, dass eine über die Wiedergabe des Sitzungsprotokolles in der Ausgabe 10/1998 des Amtsblattes der Stadt Wien hinausgehende Veröffentlichung des Verordnungstextes nicht aufgefunden werden kann, sodass im Sinne der Revisionsausführungen keine ordnungsgemäße Kundmachung vorliegt. Der Kläger kann sich damit auf eine allgemeine Wirksamkeit des Beschlusses, aus der er allenfalls Rechte ableiten könnte, nicht berufen. Eine ordnungsgemäße Kundmachung einer Verordnung nach außen kann - entgegen der Auffassung des Revisionsgegners - auch nicht durch die Erstellung eines (internen) Erlasses der Magistratsdirektion ersetzt werden (vgl nur VwGH 97/12/0207, 97/12/0208). Damit erübrigt sich auch eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Kläger nach dem Inhalt des Stadtsenatsbeschlusses Anspruch auf die begehrte Ausgleichszulage hätte.
Soweit sich der Revisionsgegner darauf beruft, er habe sein Begehren auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, weshalb alternative Anspruchsgrundlagen für das Klagebegehren zu prüfen (gewesen) wären, ist er einerseits darauf zu verweisen, dass er sich zur Begründung seines Anspruches ausdrücklich auf den Stadtsenatsbeschluss vom 16. 12. 1997 berufen hat, ohne andere denkbare Anspruchsgrundlagen auch nur anzudeuten. Solche sind auch nicht erkennbar, zumal nicht einmal in der Revisionsbeantwortung erklärt wird, aus welchem Grund die Beklagte die - im Wegfall der Nebengebühren liegende - Schmälerung des Entgeltes nicht hätte vornehmen dürfen. Der Kläger hat im gesamten Verfahren die richtige Berechnung des von ihm zuletzt bezogenen Grundentgeltes nie in Frage gestellt. In der erstinstanzlichen Behauptung, er habe wegen der Verringerung seiner Bezüge generell Anspruch auf eine „Ausgleichszahlung", liegt auch keine Berufung auf eine allenfalls unzulässige Versetzung. Nur der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass auch eine Vertragsänderung kraft Betriebsübung nicht in Betracht käme: Ein Abweichen von den gesetzlichen Vorschriften über das Entgelt eines Vertragsbediensteten (vgl § 17 VBO 1995) wäre gemäß § 54 VBO nur in Form eines Sondervertrags möglich, der im vorliegenden Fall schon mangels der erforderlichen Zustimmung der Personalkommission und des zuständigen Gemeinderatsausschusses ersichtlich nicht vorliegt. Das Klagebegehren ist daher mangels Rechtsgrundlage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 41 Abs 1 ZPO. Die gesonderte Erstattung der Schriftsätze ON 8 und 12 war nicht erforderlich.
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