OGH 9ObA24/95

OGH9ObA24/958.3.1995

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Mayr und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Werner K*****, Kaufmann, ***** vertreten durch Dr.Thaddäus Schäfer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei L***** AG, ***** vertreten durch Dr.Christian Kuhn und Dr.Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen S 107.709,80 brutto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.Oktober 1994, GZ 5 Ra 177/94-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 28.Juni 1994, GZ 42 Cga 81/94x-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Arbeitsrechtssache wird an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen, dem eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen wird.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war bei der beklagten Partei vom 1.10.1991 bis 30.9.1993 als Marketingleiter und Produktmanager beschäftigt. Mit Schreiben vom 29.3.1993 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis zum 30.9.1993.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger eine Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsabfindung für 240,6 Stunden in Höhe von S 107.709,80 brutto sA. Es sei keine Urlaubsvereinbarung getroffen worden. Da er im Juni 1993 krank und arbeitsunfähig gewesen sei, liege auch kein Fall des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG vor; für einen allfälligen Urlaubsverbrauch seien weniger als 3 Monate zur Verfügung gestanden.

Die beklagte Partei beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Mit dem Kläger sei eine Vereinbarung dahin getroffen worden, daß er ab 1.6.1993 vom Dienst freigestellt werde und in der Zeit vom 1.6.1993 bis 30.9.1993 seinen noch ausständigen Urlaub konsumiere. Diese Vereinbarung sei im Schreiben vom 26.5.1993 festgehalten worden. Während dieser Zeit hätte der Kläger seinen Urlaub verbrauchen können. Eine Krankmeldung im Sinne des § 5 Abs 3 UrlG habe der Kläger nicht erstattet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:

Nach dem Zugang der Kündigung bestand die Geschäftsführung der beklagten Partei vorerst darauf, daß sich der Kläger während der gesamten Kündigungsfrist zur Verfügung zu halten habe, damit ein reibungsloser Übergang bewerkstelligt werden könne. Mitte Mai 1993 kam es auf einer Messe zu einem Eklat, worauf der Geschäftsführer der beklagten Partei keine weitere Zusammenarbeit mehr wünschte. Am 24.5.1993 brachte der Geschäftsführer gegenüber dem Kläger in einem Gespräch klar zum Ausdruck, daß er den Kläger nicht mehr im Betrieb sehen wolle. Ob damals auch eine Urlaubsvereinbarung zwischen dem Kläger und der beklagten Partei getroffen wurde, kann nicht festgestellt werden.

Am 26.5.1993 richtete die beklagte Partei ein Schreiben an den Kläger, in dem sie auf die Aussprache mit dem Geschäftsführer und die "getroffene Vereinbarung" Bezug nahm und ua festhielt:

Ab 1.6.1993 werden Sie vom Dienst freigestellt. In der Zeit Ihrer Dienstfreistellung bis 30.9.1993 werden Sie Ihren Gebührenurlaub konsumieren, stehen uns jedoch nach entsprechender rechtzeitiger Verständigung für eventuelle Rückfragen zur Verfügung.

Der Kläger stand in der Zeit vom 2.6.1993 bis 18.6.1993 in ärztlicher Behandlung. Er mußte sich einer Operation unterziehen und war dann für zwei bis drei Wochen für schwere körperliche Arbeiten arbeitsunfähig. Ob er sich gegen den Inhalt des Schreibens (sofort) zur Wehr setzte, kann nicht festgestellt werden. Es kann auch nicht festgestellt werden, daß er die beklagte Partei von seiner Erkrankung in Kenntnis gesetzt hätte. Mit Schreiben vom 2.8.1993 erklärte er der beklagten Partei, daß er mit dem Verbrauch des Erholungsurlaubs während der Dienstfreistellung und der Formulierung im Schreiben vom 26.5.1995 nicht einverstanden sei. Die beklagte Partei beharrte mit Schreiben vom 25.8.1993 auf ihrem Standpunkt.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß dem Kläger der Verbrauch eines Urlaubs von 6 Wochen während der Dienstfreistellung in der Dauer von 4 Monaten zumutbar gewesen sei (§ 9 Abs 1 Z 4 UrlG). Der Kläger habe seine Erkrankung der beklagten Partei entgegen § 5 Abs 3 UrlG nicht mitgeteilt, so daß § 5 Abs 1 UrlG nicht anwendbar sei. Es sei ihm daher der Urlaubsverbrauch während der Dienstfreistellung zu unterstellen; ein restlicher Urlaubsanspruch sei nicht mehr existent.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es vertrat die Rechtsmeinung, daß es bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG allein darauf ankomme, daß zwischen dem Ausspruch der Kündigung und dem Ende des Arbeitsverhältnisses mindestens 3 Monate liegen. Sei dies der Fall, komme es nicht mehr darauf an, ob für den tatsächlichen Verbrauch des Urlaubs auch zumindest 3 Monate zur Verfügung gestanden seien. Dem Kläger wäre der Verbrauch des Urlaubs auch noch ab Juli 1993 zumutbar gewesen. § 5 Abs 3 UrlG sei nur anzuwenden, wenn der Urlaub aufgrund einer Vereinbarung stattfinde. Es sei aber noch zu prüfen, ob dem Kläger eine Urlaubsabfindung gemäß § 10 UrlG für das laufende Urlaubsjahr zustehe.

Das Erstgericht habe eine ausdrückliche Urlaubsvereinbarung als nicht erwiesen angenommen. Dem beiderseitigen Verhalten sei aber eine konkludente Urlaubsvereinbarung zu entnehmen. Die beklagte Partei habe in ihrem Schreiben vom 26.5.1993 unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß mit dem Kläger nicht nur eine Dienstfreistellung ab 1.6., sondern ihrer Meinung nach auch der Urlaubsverbrauch während der Dienstfreistellung vereinbart worden sei. Obwohl der Kläger die Dienstfreistellung vollinhaltlich in Anspruch genommen habe, habe er es innerhalb von 2 Monaten nicht für erforderlich erachtet, dazu Stellung zu beziehen. Unter redlichen Vertragspartnern habe die beklagte Partei daher davon ausgehen können, daß der Kläger tatsächlich vereinbarungsgemäß den Urlaub während der Dienstfreistellung in Anspruch nehme. Berücksichtige man die den Kläger treffende Treuepflicht, hätte er nicht einfach schweigend die Dienstfreistellung in Anspruch nehmen dürfen, ohne zu erklären, daß seiner Ansicht nach keine Urlaubsvereinbarung bestehe und er den Urlaub nicht in Anspruch nehmen wolle. Durch dieses Verhalten habe der Kläger den möglichen Widerruf der Dienstfreistellung und seinen weiteren Einsatz im Betrieb vereitelt. Da sohin eine konkludente Urlaubsvereinbarung zustandegekommen sei, sei der gesamte Urlaub vereinbarungsgemäß während der Dienstfreistellung konsumiert worden, so daß dem Kläger weder eine Urlaubsabfindung noch Entschädigung zustehe.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrags berechtigt.

Den Ausführungen des Berufungsgerichtes, es sei eine konkludente Urlaubsvereinbarung (Arb 10.196) zustandegekommen, kann nicht beigepflichtet werden. Das Erstgericht konnte keine Feststellung dahin treffen, daß es am 24.5.1993 zu einer Urlaubsvereinbarung zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der beklagten Partei gekommen wäre. Die Parteien seien im Streit auseinander gegangen. Aufgrund der Auseinandersetzung bestünden berechtigte Zweifel daran, daß tatsächlich in aller Ruhe eine Vereinbarung getroffen worden sei, wie sie im Schreiben vom 26.5.1993 wiedergegeben worden ist. Es steht somit lediglich fest, daß der Geschäftsführer der beklagten Partei dem Kläger mitteilte, daß er ihn im Betrieb nicht mehr sehen möchte. Auf diese damit ausgesprochene einseitige Dienstfreistellung hatte der Kläger keinen Einfluß; er hatte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Wahl, die Freistellung "in Anspruch zu nehmen" oder abzulehnen. Daß der Geschäftsführer der beklagten Partei trotz des Eklats und der Auseinandersetzung an einen möglichen Widerruf der Dienstfreistellung auch nur gedacht hätte, wurde nicht einmal behauptet. Ausgehend vom Nichtvorliegen einer Urlaubsvereinbarung kommt dem Schreiben der beklagten Partei vom 26.5.1993 im Ergebnis lediglich der Charakter einer einseitigen Anordnung, den Gebührenurlaub während der Dienstfreistellung zu konsumieren, zu. Soweit die beklagte Partei darin auch eine entsprechende Vereinbarung unterstellt, ist sie, da sie sich auf eine nicht zustandegekommene Vereinbarung beruft, in ihrem Vertrauen als redliche Vertragspartnerin nicht schutzwürdig. Der Kläger konnte seinerseits weiterhin vom Nichtvorliegen einer Urlaubsvereinbarung ausgehen.

§ 863 ABGB legt für die Konkludenz eines Verhaltens im Hinblick auf den rechtsgeschäftlichen Willen einen strengen Maßstab an (Rummel in Rummel, ABGB2 § 863 Rz 14 mwH). Das Schreiben der beklagten Partei vom 26.5.1993 ist, soweit es sich auf eine angebliche Vereinbarung bezieht, seinem Wortlaut nach nur als deklarative Erklärung aufzufassen. Es besteht in diesem Zusammenhang kein Grund, den falsch Bestätigenden gegenüber demjenigen zu schützen, der darauf vertraut und vertrauen darf, daß eben keine solche Vereinbarung zustande kam (vgl Rummel aaO zum Bestätigungsschreiben § 861 Rz 13 mwH). Die beklagte Partei konnte somit aus der Tatsache, daß der Kläger nicht sofort remonstrierte, sohin aus dem Schweigen des Klägers, aufgrund des Verständnisses, das ein redlicher Erklärungsempfänger gewinnen durfte, nicht damit rechnen, daß der Kläger mit dieser in der deklarativen Erklärung enthaltenen Anordnung nunmehr auch einverstanden sein werde.

Mangels Zustandekommens einer konkludenten Urlaubsvereinbarung ist daher zu prüfen, ob dem Kläger der Urlaubsverbrauch im Sinne des § 9 Abs 1 Z 4 UrlG zumutbar war. Dabei kommt es entgegen der Ansicht des Klägers nicht darauf an, ob ihm tatsächlich volle 3 Monate ungestört zur Verfügung gestanden sind, um den Urlaub zu verbrauchen, sondern darauf, ob die Kündigungsfrist mindestens 3 Monate betrug (vgl DRdA 1993/54 ua). Das ist hier der Fall, weil der Kläger bereits mit Schreiben vom 29.3.1993 zum 30.9.1993 gekündigt wurde. Die Dienstfreistellung erfolgte mit Wirkung ab 1.6.1993. In dieser Zeit, die in die übliche Urlaubszeit fällt, wäre dem Kläger der Urlaubsverbrauch auch dann zumutbar gewesen, wenn der Kläger im Juni noch wegen Krankheit (bzw Unfähigkeit zur schweren körperlichen Arbeit) an einem Urlaubskonsum verhindert gewesen wäre. Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf Urlaubsentschädigung.

Da der Urlaub trotz der Möglichkeit und Zumutbarkeit des Verbrauches während der Kündigungsfrist nicht verbraucht wurde, steht dem Kläger aber eine Urlaubsabfindung gemäß § 10 Abs 1 UrlG zu (vgl Cerny, Urlaubsrecht6 § 10 Erl 1), die allerdings dadurch beschränkt ist, daß sie sich nur auf das im Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses laufende Urlaubsjahr bezieht (vgl Kuderna, UrlG2 § 10 Erl 5; Arb 10.695 mwH ua). Diesbezüglich fehlt es noch an jeglichen Feststellungen über die Zuordnung des noch offenen Urlaubsanspruches. Die Streitteile haben zwar den offenen Urlaubsanspruch außer Streit gestellt, es fehlen aber Feststellungen über eine allenfalls von der gesetzlichen abweichende vereinbarte Urlaubsdauer, das Urlaubsjahr und zur zeitlichen Lagerung des Entstehens der Ansprüche. Das Verfahren wird daher vom Erstgericht in diesem Sinn noch zu ergänzen sein.

Die Kostenentscheidung ist in § 52 Abs 1 ZPO begründet.

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