Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 3.985,34 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 664,22 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei beschäftigte seit der Besatzungszeit im Raffinerielager Lobau einen Betriebszahnarzt. Die Kosten der Errichtung der Ordination und der Anschaffung der erforderlichen Geräte sowie die laufenden Betriebs- und Erhaltungskosten trug die beklagte Partei. Die Ordination war zweimal wöchentlich geöffnet. Soweit die Leistungen nicht von der Krankenkasse honoriert wurden, übernahm die beklagte Partei die Behandlungskosten. Der bisherige Betriebszahnarzt kündigte den bestehenden Werkvertrag zum 31. Juli 1987 auf.
Die klagenden Parteien begehren gemäß § 54 Abs 1 ASGG die Feststellung, daß die Arbeiter und Angestellten des Betriebes Anspruch auf die freiwillige Sozialleistung des von der beklagten Partei zur Verfügung gestellten bzw. zu stellenden Betriebszahnarztes haben und die beklagte Partei verpflichtet sei, die freiwillige Sozialleistung eines Betriebszahnarztes für die Arbeiter und Angestellten des Raffinerielagers Lobau aufrechtzuerhalten. Nach der Kündigung habe die beklagte Partei versichert, es werde ein neuer Zahnarzt bestellt; sie habe das Versprechen nicht eingehalten und verweigere nunmehr diese freiwillige Sozialleistung. Erstmals am 23.Oktober 1987 hätten die klagenden Parteien erfahren, daß die beklagte Partei keinen Betriebszahnarzt mehr bestellen wolle. Die beklagte Partei sei zur Einhaltung ihrer Zusage verpflichtet. Die gewährten Zahnarztleistungen hätten Entgeltcharakter und seien Bestandteil der Einzeldienstverträge; die Bereitstellung des Betriebszahnarztes sei daher nicht als Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG anzusehen.
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ordinationseinrichtung sei veraltet, eine Modernisierung würde erhebliche Mittel erfordern. Es handle sich um eine Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG; Gründe, die eine gerichtliche Anfechtung ihrer Auflösung binnen vier Wochen ermöglicht hätten, lägen nicht vor. Die beklagte Partei habe anläßlich der Besprechung vom 23.Oktober 1987 ihren Willen, keinen neuen Zahnarztvertrag mehr abschließen zu wollen, unmißverständlich zum Ausdruck gebracht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte folgenden weiteren Sachverhalt fest:
Von 1976 bis 1988 war Ing. Heinrich T*** Werksleiter der beklagten Partei; er war auch für die Bestellung des Betriebszahnarztes zuständig. Johann T*** war
Personalreferent. Seine Befugnisse umfaßten unter anderem die Beschaffung, Ausbildung und Umschulung des Personals. Entscheidungen wurden nur nach Rücksprache mit der Werksleitung getroffen. Am 16. September 1987 teilte Johann T*** den klagenden Parteien mit, daß die Werksleitung einen Betriebszahnarzt nicht mehr bestellen werde. Am selben Tag richteten die Vorsitzenden der klagenden Parteien ein Schreiben an die Werksleitung, in dem es heißt: "Auf rund der Mitteilung vom 30.6.1987, daß Herr Doktor M*** ... seinen Werkvertrag per 31.7.1987 aufkündigte, hat der Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat des Lagers Lobau über Herrn T*** bei der Werksleitung bereits mehrmals einen
entsprechenden Ersatz urgiert. Da es sich bei der zahnärztlichen Versorgung der Beschäftigten des Lagers Lobau um eine jahrzehntelange Einrichtung und somit um ein wohlerworbenes Recht handelt, und der Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat für sein berechtigtes Anliegen noch keine befriedigende Antwort erhielt, ist er der Auffassung, daß über dieses Thema eine gesonderte Aussprache mit der Werksleitung notwendig geworden ist. Wir ersuchen daher um Bekanntgabe eines Gesprächstermins in dieser Angelegenheit."
Daraufhin kam es am 20.Oktober 1987 zu einer Besprechung, bei der den klagenden Parteien seitens der beklagten Partei ausdrücklich mitgeteilt wurde, daß sie nicht die Absicht habe, weiterhin einen Betriebsarzt zu beschäftigen.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß es sich beim Betriebszahnarzt um eine Wohlfahrtseinrichtung und nicht um Entgelt handle. Da nicht erwiesen sei, daß sich die beklagte Partei durch Zusagen an die Arbeitnehmer zur Beistellung eines Betriebszahnarztes verpflichtet habe, scheide die einzelvertragliche Zusage als Rechtstitel aus. Die zwischen Johann T*** und den klagenden Parteien geführten Gespräche hätten nicht zu einer gültigen Vereinbarung geführt. Ob der Betriebszahnarzt haupt- oder nebenberuflich tätig geworden sei, ob Sanitäter zur Verfügung gestanden seien, ob die Ordinationseinrichtung überaltert gewesen sei, wie viele Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt gewesen seien und ob ein Bedarf bestanden habe oder nicht, sei für die Qualifikation des Betriebszahnarztes als Wohlfahrtseinrichtung irrelevant, sodaß Feststellungen zu diesen Themen entbehrlich seien.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichtes, die Beistellung des Betriebszahnarztes sei als Wohlfahrtseinrichtung zu qualifizieren. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die beklagte Partei beantragt, die Revision zurückzuweisen, in eventu, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig.
Da es sich um ein besonderes Feststellungsverfahren nach § 54 Abs 1 ASGG handelt, ist die Revision gemäß § 46 Abs 3 ASGG jedenfalls zulässig.
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Zu Unrecht wenden sich die Revisionswerber auch gegen die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen.
Da die Beschäftigung eines Betriebszahnarztes jedenfalls jenes Mindestmaß an Institutionalisierung und innerer Organisation erforderte, das dem Begriff der "Einrichtung" entspricht (vgl. DRdA 1989/13 [Ch. Klein] = ZAS 1988/23 [Stöhr-Kohlmaier] = Arb. 10.609 sowie Strasser in Floretta-Strasser Komm. ArbVG, 513; E. Eypeltauer, Die Mitwirkung des Betriebsrates an betrieblichen Wohlfahrtseinrichtungen, DRdA 1986, 102 ff und 194 ff [106]) und diese Einrichtung für einen Arbeitnehmer allein objektiv sinnlos und zu kostspielig wäre, sodaß der Arbeitgeber durch ihre Bereitstellung nur einen Verpflichtungswillen gegenüber der gesamten Belegschaft zum Ausdruck brachte (RdW 1989, 312 sowie E. Eypeltauer aaO, 201; Strasser in Spielbüchler-Floretta-Strasser Arbeitsrecht II3 354), handelte es sich um eine Wohlfahrtseinrichtung im Sinne des § 95 ArbVG, die objektiv ungeeignet war, als individueller Anspruch Bestandteil der Einzelarbeitsverträge zu werden; dies unabhängig davon, ob und in welchem Umfang von der zuständigen Krankenkasse nicht vergütete Leistungen erbracht werden, sodaß die im Rahmen der Verfahrensrüge vermißten Feststellungen zu diesem Thema entbehrlich sind. Da demnach entgegen der Ansicht der Revisionswerber einzelvertragliche Ansprüche auf Inanspruchnahme des Betriebszahnarztes nicht entstanden sind, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob ein allfälliger Vorteil der beklagten Partei in Form vermiedener Entgeltfortzahlung für Fahrtzeiten zum Zahnarzt als Gegenleistung der Arbeitnehmer für die Bereitstellung des Betriebszahnarztes anzusehen ist. Ergänzend ist noch darauf hinzuweisen, daß die Klage erst am 29.April 1988 und damit außerhalb der Frist des § 95 Abs 3 ArbVG eingebracht wurde, sodaß sich auch eine Befassung mit den dort vorgesehenen Anfechtungsgründen erübrigt. Abschließend ist zu bemerken, daß eine wirksame Verpflichtung der beklagten Partei gegenüber der gesamten Belegschaft zur Fortführung der Wohlfahrtseinrichtung (unabhängig von der Anfechtbarkeit der Auflösung nach § 95 Abs 3 Z 2 ArbVG) gemäß §§ 95 Abs 2 und 97 Abs 1 Z 19 ArbVG nur hätte durch Betriebsvereinbarung im Sinne des § 29 ArbVG begründet werden können (vgl. Strasser in Floretta-Strasser Komm. ArbVG 522).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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