Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Der Kläger war bei der Beklagten seit 5. September 1988 als Außendienstmitarbeiter beschäftigt. Die Beklagte gab für jedes Jahr eine Provisionsregelung vor, die jeweils nur für ein Jahr gelten sollte. In den Jahren 1985 bis 1988 wurde die jeweilige Regelung aus dem Vorjahr übernommen. Neben dem Grundgehalt (S 10.000,-- zuzüglich S 6.000,-- Garantieprovision) erhielt der Kläger nach der bis 31. Dezember 1988 befristeten "Provisionsregelung 1988" eine Provision von 13 % des fakturierten Nettoerlöses abzüglich fiktiver Einstandspreise bzw. fiktiver Lizenzgebühren.
Für das Jahr 1989 änderte die Beklagte die Provisionsermittlung. Nach der ebenfalls nur für ein Jahr gültigen "Provisionsregelung 1989" wurde dem Kläger ein Provisionsbasisziel (PB-Ziel) von S 2,650.000,--, das er durch den Verkauf von Waren oder Dienstleistungen lukrieren sollte, vorgegeben. Bei exaktem Erreichen des PB-Zieles sollte er eine Provision von S 240.000,-- und eine Zielprämie von S 42.400,-- erhalten. Für den Fall der Übererfüllung war ein Bonus von 10 % des das PB-Ziel übersteigenden Betrags vorgesehen; bei einer Zielunterschreitung war die Provision im selben Prozentsatz zu kürzen als das PB-Ziel verfehlt wurde.
In diesem Jahr erreichte der Kläger einen Deckungsbeitrag von S 2,632.336,10.
In der "Provisionsregelung 1990" setzte die Beklagte das PB-Ziel bei gleichbleibender Provisionshöhe auf S 3,300.000,-- hinauf; die Zielprämie wurde mit S 32.300,-- festgelegt. Für die Übererfüllung gab es den 10 %igen Bonus und für das Nichterreichen des PB-Zieles die entsprechenden Abzüge. Nach Ermessen des Vorgesetzten konnte ein "Qualitätsbonus" (zwischen S 0 bis S 40.000,--) gewährt werden.
Wie ein Großteil der übrigen Arbeitnehmer der Beklagten hatte auch der Kläger bereits gegen die "Provisionsregelung 1989" protestiert, da diese seiner Ansicht nach eine Schlechterstellung mit sich brachte. Die Beklagte rechnete aber die Provisionen trotz der Proteste nach der neuen Provisionsregelung ab. Auch gegen die "Provisionsregelung 1990" gab es Proteste des Klägers und anderer Arbeitnehmer, die am 26. März 1990 zu einem Streit mit dem Geschäftsführer der Beklagten führten. Die Provisionen wurden aber wieder entsprechend dieser Regelung abgerechnet. Als sich Ende des Jahres 1990 abzeichnete, daß die Beklagte für 1991 wieder eine neue Provisionsregelung nach dem gleichen Modell vorstellen werde, die nach Ansicht des Klägers eine (weitere) Verschlechterung seiner Position bedeutet hätte, kündigte er Ende 1990 sein Arbeitsverhältnis zum 31. Jänner 1991.
Im Jahr 1990 erzielte der Kläger einen Deckungsbeitrag von S 2,874.085,54.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger S 245.268,60 brutto sA als Differenz zu der im Jahre 1988 vereinbarten Provision. Durch die von der Beklagten einseitig angeordneten Provisionsregelungen sei er trotz des höheren Umsatzes in unzulässiger Weise finanziell schlechter gestellt worden. Obwohl er ständig dagegen protestiert habe, habe die Beklagte seinen intensiven Arbeitseinsatz mit einer Reduktion des Entgelts beantwortet.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Mit dem Kläger seien jährlich befristete Provisionsvereinbarungen abgeschlossen worden. Er habe dagegen keinen Einwand erhoben, sondern die Endabrechnung unbeanstandet entgegengenommen. Aus dem Umstand, daß der Kläger zwei Jahre hindurch keine Ansprüche gestellt habe, sei zu erkennen, daß er sowohl mit den jeweiligen Abrechnungen als auch mit den Endabrechnungen einverstanden gewesen sei. Da die Provisionsregelungen jeweils befristet gewesen seien, könne der Käger aus vorausgegangenen Regelungen keine Ansprüche ableiten. Diese Ansprüche seien auch verfallen und verjährt.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:
Neben den jährlichen "Provisionsregelungen" erhielt der Kläger auch jährlich Dienstzettel, aus denen er entnehmen konnte, daß sein Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde. Bei Geltung der im Jahre 1988 getroffenen Provisionsregelung wären dem Kläger 1989 S 64.802,68, 1990 S 165.570,59 und 1991 S 14.895,33 jeweils brutto mehr an Provisionen zugestanden.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß kein Rechtsgrund erkennbar sei, der den Kläger berechtige, auf die 1988 getroffene Provisionsregelung zurückzugreifen. Die jeweils befristeten Provisionsvereinbarungen seien wirksam gewesen; es sei unerheblich, ob der Kläger mit dieser Regelung einverstanden gewesen sei oder sie nur unter Protest zur Kenntnis genommen habe. Er habe in den Jahren 1989 und 1990 seine Arbeit nach diesen Richtlinien verrichtet, sei nach den jeweiligen Provisionsregelungen entlohnt worden und habe diese Zahlungen in Empfang genommen. Wenn der Kläger der Ansicht sei, daß er durch diese Regelung schlechter gestellt wurde, wäre es ihm unter Umständen freigestanden, allenfalls seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 26 Z 2 AngG zu erklären.
Das Berufungsgericht hob diese Entscheidung auf und sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Da der Sachverhalt nicht ausreichend erörtert und keine hinreichenden Feststellungen getroffen worden seien, sei die Arbeitsrechtssache noch nicht spruchreif. Die Tatsache, daß ein Arbeitnehmer gegen eine Regelung protestiere, schließe nicht aus, daß er sie dennoch konkludent akzeptiere. Innerhalb der durch Gesetz, Kollektivvertrag und Betriebsvereinbarung vorgeschriebenen zwingenden Mindesterfordernisse sei auch eine Verschlechterungsvereinbarung zulässig. Die Vorgangsweise der Beklagten weise jedoch eine Ähnlichkeit mit Kettenarbeitsverträgen auf, deren Abschluß nur aus besonderen wirtschaftlichen und sozialen Gründen gerechtfertigt sei. Da die für den Kläger entscheidenden Teile der Vertragsbestimmungen jeweils nur befristet abgeschlossen wurden, sei er vor die Alternative gestellt worden, zu den jeweils neuen Bedingungen des Arbeitgebers weiterzuarbeiten oder das Arbeitsverhältnis zu lösen, wodurch er den Abfertigungsanspruch verliere.
Es sei daher zu prüfen, ob besondere wirtschaftliche und soziale Gründe den Abschluß wiederholten zeitlich befristeter Provisionsregelungen gerechtfertigt erscheinen lassen. Sollte eine solche Rechtfertigung nicht gegeben sein, müsse die jeweilige Provisionsregelung als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gelten; sie wirke daher so lange weiter, bis eine neue Provisionsregelung (Verschlechterungsvereinbarung) zustandekomme. Dabei könne aus dem Umstand, daß die protestierenden Arbeitnehmer ungeachtet ihres Protestes weitergearbeitet haben, keine konkludente Zustimmung zur jeweils neu vorgeschlagenen Provisionsregelung abgeleitet werden; die alte Regelung bleibe weiter in Geltung. Es werde daher noch zu prüfen sein, ob der Kläger der neuen Provisionsregelung anläßlich der Aussprache vom 6.Juni 1990 zugestimmt habe und dadurch eine neue Provisionsvereinbarung zustandegekommen sei.
Im Hinblick auf den Einwand des Verfalls der geltend gemachten Ansprüche werde auch noch zu erörtern sein, welcher Kollektivvertrag auf das Arbeitsverhältnis des Klägers anzuwenden war.
Gegen diesen Beschluß richtet sich der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.
Der Kläger beantragt in seiner Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Die Rekurswerberin macht im wesentlichen geltend, daß das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger ohnehin unbefristet abgeschlossen worden sei, so daß arbeitszeitabhängige Ansprüche durch die befristeten Provisionsregelungen, die ausdrücklich oder zumindest konkludent vereinbart worden seien, nicht gefährdet gewesen seien. Abgesehen davon, daß auch Verschlechterungsvereinbarungen für die Zukunft wirksam seien, habe die neue Provisionsregelung jeweils zu einer Reallohnerhöhung geführt. Die neuen Regelungen seien erforderlich geworden, weil sich die Reallohneinkommen der Vertreter ohne sie jährlich verdoppelt hätten; die Beklagte habe den Gegebenheiten des Marktes Rechnung tragen müssen. Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten:
Richtig ist, daß das Arbeitsverhältnis des Klägers nicht dadurch gekennzeichnet ist, daß befristete Arbeitsverträge aneinandergereiht wurden; die Erklärungen der Beklagten, daß das Arbeitsverhältnis fortgesetzt werde, sind insofern ohne weitere Bedeutung. Die Beklagte wollte aber die Provisionsvereinbarung von vornherein jeweils nur auf ein Jahr befristet abschließen. Sie behielt sich damit - ungeachtet des unbefristeten Arbeitsverhältnisses - die einseitige Entgeltbestimmung für das nächstfolgende Jahr vor und setzte die jeweils neuen Provisionsregelungen systematisch dazu ein, den Kläger durch die erhöhten Umsatzvorgaben in seiner Leistung erfolgsorientiert anzuspannen (ihm den "Brotkorb höher zu hängen"). Bei Nichterreichen des jeweils höheren PB-Ziels hatte er Provisionskürzungen hinzunehmen. Insofern unterscheiden sich diese Entgeltbestimmungen auch von den innerhalb gewisser Grenzen zulässigen Verschlechterungsvereinbarungen (vgl Arb 10.303 mwH), da jene einseitig erfolgten und überdies von vornherein nur ein Jahr gelten sollten, worauf eine weitere Verschlechterung zu erwarten war.
Der Kläger geht selbst davon aus, daß lediglich im Jahr 1988 eine Provisionsvereinbarung zustandegekommen sei, die mangels Akzeptanz der weiteren Provisionsregelungen weiter gelte. Dabei übersieht er aber, daß auch diese (erste) Provisionsvereinbarung befristet war. War er mit den Neuregelungen nicht einverstanden, hätte es sohin an einer weiteren Entgeltvereinbarung gefehlt und er könnte nur die im § 10 Abs 1 AngG vorgesehene Provision verlangen (vgl Spielbüchler in Floretta-Spielbüchler-Strasser, ArbR**n, 186, 188 f). Die im vorliegenden Fall entscheidende Frage ist daher nicht, ob der Kläger mit der neuen Provisionsregelung mehr oder minder einverstanden war, sondern ob die im Hinblick auf den Vorbehalt der jährlichen Entgeltbestimmung durch die Beklagte vorgenommenen Befristungen - seien sie auch vereinbart worden - wirksam werden konnten.
Die Unterwerfung des Vertragspartners unter die Fremdbestimmung durch den anderen ist an sich weder gesetz- noch sittenwidrig. Sittenwidrig ist aber die unverhältnismäßige Beeinträchtigung der geschützten Interessen des Vertragspartners. Äquivalenzstörung und "verdünnte Willensfreiheit" ergeben in Kombination das Unwerturteil der Sittenwidrigkeit (Krejci in Rummel, ABGB**2 § 879 Rz 95 und 183). Bei dieser Sittenwidrigkeitsprüfung (vgl auch Spielbüchler aaO 86 und 186) bietet sich, wie das Berufungsgericht richtig erkannte, ein Vergleich mit der Zulässigkeit sogenannter Kettenverträge an. Die Aneinanderreihung befristeter Arbeitsverhältnisse ist ohne sachliche Rechtfertigung unzulässig, weil darin die Gefahr der Umgehung zwingender, den Arbeitnehmer schützender Rechtsnormen durch den Arbeitgeber liegt und darin eine rechtsmißbräuchliche Gestaltung von Arbeitsverträgen zum Ausdruck kommt (vgl. Krejci aaO § 879 Rz 44; Mayer-Maly-Marhold, Österr. Arbeitsrecht I 68; Schwarz-Löschnigg,
ArbR4, 190; DRdA 1985/7 [Pfeil] = Arb 10.149; auch DRdA 1987/22
[Pfeil]; SZ 62/46 = WBl 1989, 376 ua). Viele Ansprüche des Arbeitnehmers entstehen nämlich erst nach gewissen Zeiträumen (etwa Abfertigung) oder sind sonst von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig (etwa Urlaubsausmaß, Entgeltfortzahlung udgl.).
Im Rahmen der sogenannten synallagmatischen Beziehung zwischen Arbeitsleistung und Entgelt besteht die Hauptpflicht des Arbeitgebers darin, dem Arbeitnehmer für seine Arbeitsleistung eine Arbeitsvergütung zu zahlen (vgl. Spielbüchler aaO 172; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch7, 405 ff u.a.). Die Entgeltpflicht ist somit zwar nur ein Teil, aber ein Hauptbestandteil des Arbeitsverhältnisses, den die Beklagte durch die sukzessive Erhöhung der Umsatzziele ihrer freien Gestaltung unterwarf. Sie nahm damit gravierende Eingriffe in die Rechtsposition des Klägers vor, der dadurch zu einem ständig intensiveren Einsatz seiner Arbeitskraft gezwungen wurde, um die erhöhten PB-Ziele zu erreichen. Nach den Feststellungen gelang ihm dies weder im Jahr 1989 noch im Jahr 1990.
Diese Verschlechterung der Arbeits- und Entgeltbedingungen ihrer Vertreter hätte die Beklagte zwar allenfalls durch eine sogenannte Änderungskündigung erzwingen können (vgl Spielbüchler aaO 86). Eine solche Vorgangsweise hätte aber für sie nicht nur den Nachteil gehabt, daß sie eingearbeitete und versierte Vertreter eher verloren hätte, sondern auch, daß sie deren allfällige dienstzeitabhängigen Ansprüche zu befriedigen gehabt hätte und bei diesen Kündigungen auch eine Anfechtung gemäß § 105 ff ArbVG möglich gewesen wäre (vgl Floretta in Floretta-Strasser, HandKommzArbVG 630). Dadurch, daß sie die Entgeltvereinbarungen befristete, um ihre Vertreter jedes Jahr mehr anspannen zu können, umging sie diese arbeitsrechtlichen Nachteile und stellte ihre Arbeitnehmer vor die Wahl, entweder selbst zu kündigen, wie es der Kläger tat, oder zu den geänderten Bedingungen weiterzuarbeiten. Dieses Provisionsregulierungssystem der Beklagten enthält sohin ähnlich verpönte Umgehungstendenzen wie das System der Kettenverträge, so daß wie dort bereits die zweite Befristung auf ihre sachliche Rechtfertigung zu prüfen ist (Krejci aaO § 879 Rz 44; Spielbüchler aaO 251; 9 ObA 118/88 ua). Die Gründe, die eine solche Befristung sachlich rechtfertigen, können - so wie bei Kettenverträgen - nicht generalisiert und typisiert werden; sie müssen in jedem einzelnen Fall geprüft werden (Schwarz-Löschnigg aaO 190; DRdA 1985/7 [Pfeil] = Arb 10.149; vgl auch Geppert, AÜG 143 f; § 10 a Abs 2 MuttSchG). Die diesbezügliche Behauptungs- und Beweislast trifft die Beklagte (Schwarz-Löschnigg aaO 190; DRdA 1987/22 [Pfeil] mwN; Arb 8003 ua).
Soweit das Berufungsgericht zur sachlichen Rechtfertigung der Befristung der Entgeltvereinbarungen und zur Höhe der Ansprüche noch Erörterungen und Feststellungen im aufgezeigten Sinn für erforderlich hält, kann der Oberste Gerichtshof diesen - auf zutreffender rechtlicher Beurteilung beruhenden - Erwägungen nicht entgegentreten, da er nicht Tatsacheninstanz ist.
Die Kostenentscheidung ist im § 52 ZPO begründet.
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