Spruch:
Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 3. Februar 1986 bis 30. Juni 1991 bei der Beklagten als zahnärztliche Assistentin teilzeitbeschäftigt. Ihr Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung. Während ihres Arbeitsverhältnisses erhielt sie keinerlei Gehaltsabrechnungen; ihr wurden lediglich monatlich Nettobeträge auf ihr Gehaltskonto überwiesen. Für das Jahr 1990 folgte ihr die Beklagte zum Zwecke eines Jahresausgleichs einen Lohnzettel gemäß § 84 EStG aus.
Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin die Ausfolgung von monatlichen Gehaltsabrechnungen ab 1. Juli 1989 einschließlich einer Schlußabrechnung. Die Beklagte habe ihr anläßlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Zahlungen geleistet und behauptet, daß damit alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis beglichen seien. Mangels jeglicher Gehaltsabrechnungen sei die Klägerin jedoch nicht in der Lage, zu überprüfen, ob sie tatsächlich alle ihr zustehenden Entgeltzahlungen erhalten habe.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Die Klägerin habe in ihrem Schreiben vom 10. Juli 1991 lediglich die Abrechnung des letzten Monatsbezuges begehrt. Darüber hinaus hätte sie dem Jahreslohnzettel und dem Kollektivvertrag jederzeit ihre Ansprüche entnehmen können. Die Beklagte sei der Klägerin daher nicht zur Rechnungslegung verpflichtet.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich eines abzurechnenden Zeitraums vom 1. Juli 1989 bis 31. Dezember 1990 statt. Die Rechnungslegungspflicht des Arbeitgebers ergebe sich schon daraus, daß der Arbeitgeber Lohnsteuerbeträge für den Arbeitnehmer, der Steuerschuldner sei, abführe. Der Arbeitnehmer habe daher Anspruch auf Überprüfung der Richtigkeit der einbehaltenen Lohnsteuer und damit auch der für ihn abgeführten Sozialversicherungsbeiträge. Aus dem Lohnzettel sei nicht ersichtlich, auf welche Weise der Arbeitgeber welche Beträge bei der steuerlichen und sozialversicherungsrechtlichen Behandlung berücksichtigt habe. Aufgrund der unterschiedlichen Besteuerungsbestimmungen für Überstundenzuschläge, Zulagen, Sonderzahlungen udgl. könne aus einer globalen Jahresabrechnung, aus der lediglich hervorgehe, wieviel Lohnsteuer der Arbeitgeber an das Finanzamt abgeführt habe, nicht auf den tatsächlichen Entgeltanspruch und die Richtigkeit der Berechnung rückgeschlossen werden. Da die Beklagte der Klägerin im Zuge des Verfahrens Lohnabrechnungen für die Zeit vom 1. Jänner 1991 bis 30. Juni 1991 ausgefolgt habe, sei der Zuspruch entsprechend einzuschränken.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, bewertete den Wert des Streitgegenstandes als den Betrag von S 50.000,-- nicht übersteigend und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß bei Vertragsverhältnissen nicht nur dann eine Verpflichtung zur Rechnungslegung bestehe, wenn jemand einem anderen leicht Auskunft erteilen könne, sondern insbesondere überall dort, wo es das Wesen des Rechtsverhältnisses mit sich bringe, daß der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang des Vermögens im Ungewissen, der Verpflichtete aber in der Lage sei, unschwer eine Auskunft zu erteilen und diese Auskunft dem Verpflichteten überdies nach den Grundsätzen von Treu und Glauben auch zugemutet werden könne. Im vorliegenden Fall ergebe sich die Rechnungslegungsverpflichtung der Beklagten als Hilfsanspruch aus der Natur der privatrechtlichen Beziehungen zwischen den Parteien. Da die Beklagte die entsprechenden laufenden Abzüge vom Entgelt habe vornehmen müssen, sei es ihr leicht möglich, der Klägerin auch die Prüfungsgrundlage der Lohnberechnung auszufolgen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens.
Die Beklagte hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.
Die Revision ist zwar zulässig, da es zur vorliegenden Frage keine einschlägige Entscheidung des Obersten Gerichtshofes gibt; sie ist aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Kollektivvertragliche Entgeltansprüche sind unabdingbar; während des aufrechten Arbeitsverhältnisses kann auf sie nicht verzichtet werden (vgl. Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht4 277 f mwH). Ein nachträglicher Verzicht auf allenfalls noch offene Ansprüche wurde nicht behauptet. Für die Geltendmachung allenfalls noch offener Ansprüche ist es aber Voraussetzung, daß der Arbeitnehmer in die Lage versetzt wird, die entsprechenden monatlichen Abrechnungsgrundlagen zu überprüfen. Dies ist gerade hier, wo der Klägerin bei wechselnder Teilzeitbeschäftigung (S. 11) lediglich Nettobeträge angewiesen worden sind, im besonderen der Fall. Auch bei einer sogenannten Nettolohnvereinbarung hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Lohnabrechnung, damit er überprüfen kann, ob der Arbeitgeber die vom Arbeitslohn abzuführenden Steuern, Sozialversicherungsbeiträge und sonstigen Abgaben dem Gesetz entsprechend abgerechnet und abgeführt hat (vgl. Arb 10.674 ua). Diese Grundsätze müssen umso mehr in Fällen wie diesen gelten, in denen gar keine Nettolohnvereinbarung getroffen wurde, sondern auf der Basis von Bruttoentgelten abzurechnen war.
Der Einwand der Revisionswerberin, es sei nach Jahren ohne erheblichen Kostenaufwand fast unmöglich, die seinerzeitigen Lohnabrechnungen wiederherzustellen, steht im offenen Widerspruch zur weiteren Behauptung, daß es der Klägerin schon an Hand des Lohnzettels jederzeit möglich gewesen wäre, ihr jeweiliges Nettogehalt zu ermitteln. Dazu haben die Vorinstanzen schon zutreffend Stellung genommen. Wie der Gatte der Beklagten als Zeuge bekundete, gebe es "natürlich" ein Lohnkonto für die Klägerin. Der Einwand widerspricht somit nicht nur dem eigenen Vorbringen, sondern er geht damit auch ins Leere. Darauf, ob es die Klägerin während des aufrechten Arbeitsverhältnisses unterlassen hat, jeweils auf die Ausfolgung einer Gehaltsabrechnung zu dringen, kommt es nicht an. Insoweit sich aus der rückwirkenden Abrechnung grundsätzlich noch Ansprüche ergeben können, ist das Begehren der Klägerin berechtigt. Von einem schikanösen Vorgehen der Klägerin kann somit keine Rede sein.
Die Kostenentscheidung ist in den §§ 40 und 50 ZPO begründet.
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