OGH 9ObA2095/96w

OGH9ObA2095/96w4.9.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Steinbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Christian Kleemann und Thomas Mais als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Annemarie M*****, Arbeiterin, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Helmut N***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen des Gerhard M*****, Exakt-Chem.Reinigung, ***** vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, wegen S 24.248 brutto sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. März 1996, GZ 7 Ra 16/96-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 21. September 1995, GZ 37 Cga 107/95f-6, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 3.655,68 (darin S 609,28 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 2.9.1991 in der chemischen Reinigung des Gerhard M***** als Arbeiterin beschäftigt. Über das Vermögen ihres Arbeitgebers wurde am 29.12.1993 der Konkurs eröffnet und der Beklagte zum Masseverwalter bestellt. Innerhalb offener Frist erklärte die Klägerin am 7.1.1994 ihren vorzeitigen Austritt gemäß § 25 KO. Ihre Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wurden abgerechnet und ausgezahlt. Am 10.1.1994 stellte der Masseverwalter sie wieder ein und kündigte sie in der Folge schließlich zum 9.12.1994.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin den der Höhe nach unstrittigen Klagebetrag als Abfertigung. Da der Gemeinschuldner und der Masseverwalter als "derselbe Dienstgeber" im Sinne des § 23 Abs 1 AngG anzusehen seien, seien die beiden Arbeitsverhältnisse zusammenzurechnen.

Der Beklagte beantragte, das Klagebegehren zurück- bzw abzuweisen. Für die Geltendmachung des erhobenen Anspruches sei der Rechtsweg nicht zulässig, weil es sich dabei um eine Konkursforderung handle, die im Konkurs anzumelden wäre. Der Masseverwalter sei im übrigen nicht Vertreter des Gemeinschuldners, mit dessen Interessen er in Kollision stehe, sondern gesetzlicher Vertreter der Konkursmasse, welche als juristische Person angesehen werde. Dadurch sei eine Dienstgeberidentität zwischen Gemeinschuldner und Masseverwalter ausgeschlossen. Sämtliche austrittsabhängigen Ansprüche der Klägerin seien bei ihrem vorzeitigen Austritt befriedigt worden.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Masseverwalter im Zuge der Konkurseröffnung zum gesetzlichen Vertreter des Gemeinschuldners, soweit dessen Befugnisse beschränkt seien, werde. Der Masseverwalter übe sämtliche Arbeitgeberfunktionen aus, wobei die Arbeitgebereigenschaft des Gemeinschuldners dadurch nicht berührt werde. Da zwei unmittelbar aneinander anschließende Arbeitsverhältnisse bei demselben Arbeitgeber zusammenzurechnen seien, gebühre der Klägerin die begehrte Abfertigung. Der Rechtsweg sei zulässig, weil es sich bei dieser Forderung um Ansprüche aus der Beendigung des Arbeitsverhältnisses handle, die als Masseforderung zu qualifizieren seien.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision gemäß § 46 Abs 1 ASGG nicht zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Rechtsweg zulässig sei, weil Beendigungsansprüche bei vom Masseverwalter eingegangenen Arbeitsverhältnissen Masseforderungen nach § 46 Abs 1 Z 5 KO seien. Der Masseverwalter sei jedoch als ein vom Gemeinschuldner verschiedener Arbeitgeber anzusehen (9 ObA 134/95). Mangels Arbeitgeberidentität seien die beiden Dienstzeiten der Klägerin daher nicht zusammenzurechnen, sodaß im Ergebnis kein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis in der Dauer von drei Jahren vorliege.

Gegen dieses Urteil richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragte in seiner Revisionsbeantwortung, die Revision zurück- bzw abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil es zur aufgeworfenen Frage noch keine gefestigte Judikatur gibt. Das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Richtig ist, daß der erkennende Senat bereits zu 9 ObA 134/95 (= WBl 1996, 75 [Liebeg] mwH) ausgesprochen hat, daß ein vorzeitiger Austritt eines Arbeitnehmers wegen des vom Gemeinschuldner vorenthaltenen Entgelts nicht durch eine Rechtshandlung des Masseverwalters veranlaßt worden sein kann, weil der Masseverwalter als ein vom Gemeinschuldner verschiedener Arbeitgeber anzusehen ist. Wie Grießer zutreffend ausführt (Wie sind ..... Beendigungsansprüche im Ausgleich und Konkurs auf Grund nicht begünstigter Kündigung zu behandeln? RdW 1995, 186 ff, 190 mwH; derselbe, Beendigungsansprüche auf Grund nicht begünstiger Auflösung des Arbeitsverhältnisses im Konkurs - erste OGH-Entscheidung, RdW 1996, 268 ff mwH), ergibt sich aus der Systematik des § 46 Abs 1 Z 4 und 5 KO, daß das Gesetz keine Einzelrechtsnachfolge des Masseverwalters in die vertragliche Stellung des Gemeinschuldners vorsieht. Ausschlaggebend bleibt, ob und welche Rechtshandlungen der Masseverwalter setzt.

Der Ansicht der Revisionswerberin, daß auch dann, wenn der Masseverwalter Arbeitsverträge abschließt, der Gemeinschuldner tatsächlich Arbeitgeber im materiellen Sinn bleibe, ist entgegenzuhalten, daß dem Masseverwalter während des laufenden Konkursverfahrens die Funktion des Arbeitgebers zukommt (vgl Schwarz/Reissner/Holzer/Holler, Die Rechte des Arbeitnehmers bei Insolvenz3 420 f, 426 ff mwH; Schwarz/Löschnigg, ArbR5 625 ff; Arb

9.547 ua). Soweit der Masseverwalter aber als gesetzlicher Vertreter tätig wird, vertritt er zufolge seiner Stellung zum konkursfreien Vermögen und der Interessenkollision zum Gemeinschuldner nicht diesen, sondern die Konkursmasse (Fasching ZPR2 Rz 340 f mwH; auch Spielbüchler, Insolvenz- und Arbeitsrecht, DRdA 1982, 273 ff). Da aber § 23 Abs 1 AngG nur die Zusammenrechnung aller Dienstzeiten (Arb 10.383 ua) berücksichtigt, die der Arbeitnehmer aus Dienstzeiten zum selben Arbeitgeber (vgl Martinek/M.Schwarz/W.Schwarz, Ang7 § 23 Erl 10 mwH) zurückgelegt hat, kann im vorliegenden Fall eine solche Zusammenrechnung mangels Arbeitgeberidentität nicht stattfinden.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO begründet.

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