Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei EUR 4.182,11 brutto samt 5,5 % Zinsen seit 15. November 2001 zu zahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.425,42 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin EUR 235,66 Umsatzsteuer und EUR 11,46 Barauslagen) und die mit EUR 1.006,96 bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz (darin EUR 97,16 Umsatzsteuer und EUR 424,- Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen."
Die klagende Partei ist ferner schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 929,74 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 66,62 Umsatzsteuer und EUR 530 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger wurde von der Beklagten am 1. August 2000 als Chemiker, Laborleiter und Geschäftsführer nach dem Abfallwirtschaftsgesetz angestellt. Im Dezember 2000 vereinbarte der (handelsrechtliche) Geschäftsführer der Beklagten mit dem Kläger, dass dieser gegen eine Gehaltserhöhung von S 5.000,-- brutto monatlich nach einer sechsmonatigen Einarbeitungszeit auch die gerade vakant gewordene Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers übernehmen werde. Im Juni leitete der Geschäftsführer die erforderlichen Schritte bei der Behörde ein, die mit 30. August 2001 die Anzeige der Ausübung des Gewerbes durch den Kläger als Geschäftsführer gemäß § 345 Abs 8 Z 1 GewO 1994 zur Kenntnis nahm. Dass zwischen den Streitteilen vereinbart wurde, der Kläger solle die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers nur drei Monate ausüben, steht nicht fest.
Aufgrund des impulsiven Verhaltens des Klägers gestaltete sich die Zusammenarbeit mit ihm schwierig. So stellte er etwa nach einem misslungenen Versuch ein Reagenzglas so ab, dass es zerbrach, und wies Mitarbeiter in lautem, manchmal schreiendem Tonfall zu Recht. Sein Umgangston mit (untergeordneten) Mitarbeitern - die er als „Bruder" ansprach - war unüblich. Besprechungen zwischen dem Kläger und dem Geschäftsführer der Beklagten uferten oft aus und wurden langwierig.
Der Kläger war sich über die verschiedenen ihn als Geschäftsführer treffenden Verpflichtungen nicht im Klaren. Zumindest einmal begab er sich zur Gewerbebehörde, um sich zu erkundigen, wobei er erfuhr, dass von der Behörde der Verdacht geprüft werde, von der Beklagten zu entsorgender Abfall werde über die gesetzliche Frist hinaus aufbewahrt. Der Kläger wollte daher die Tätigkeit eines gewerberechtlichen Geschäftsführers nicht länger ausüben und teilte dies dem Geschäftsführer im Herbst 2001 auch mit. Der Geschäftsführer beruhigte den Kläger, worauf dieser meinte, er werde sich die Sache noch zwei Wochen überlegen. Nach Ablauf dieser Frist teilte der Kläger mit, dass er es sich überlegt habe, er wolle nicht mehr. Als der Kläger bemerkte, dass der Geschäftsführer nur geringe Bereitschaft zeigte, auf seine Besorgnisse einzugehen, beschloss er, von sich aus, ohne weitere Rücksprache mit dem Geschäftsführer die gewerberechtliche Geschäftsführung zurück zu legen. Er tat dies mit einer Eingabe an die Gewerbehörde vom 31. Oktober 2001 „mit sofortiger Wirkung".
Am 13. November 2001 wurde der Geschäftsführer von der Gewerbebehörde über diesen Schritt des Klägers verständigt. Der Geschäftsführer hielt darauf dem Kläger vor, dass ihn dieser nicht vor der Rücklegung informiert habe, dass die gewerberechtliche Geschäftsführung Bestandteil der Dienstvereinbarung sei und dass das Vorgehen des Klägers ein Vertrauensbruch sei. Der Kläger reagierte darauf sehr impulsiv, indem er zum Geschäftsführer sagte „Ich habe Sie getroffen, ich habe Sie getroffen! Ich werde Sie noch mehr treffen!", sich die Ohren zuhielt und das Zimmer verließ. Der Geschäftsführer sprach daraufhin die Entlassung des Klägers aus.
Mit der Begründung, er sei ungerechtfertigt entlassen worden, begehrte der Kläger im vorliegenden Verfahren zuletzt EUR 4.182,11 brutto sA an Kündigungsentschädigung und restlicher Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsersatzleistung.
Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Der Kläger habe seine Dienstpflicht verletzt und ihr Vertrauen in ihn zerstört. Die Entlassung sei daher gerechtfertigt erfolgt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt fest und vertrat folgende Rechtsauffassung:
Der Kläger habe durch sein Vorgehen zwar seine umfassende Informationspflicht verletzt. Dies erfülle jedoch noch nicht den Entlassungstatbestand der Vertrauensunwürdigkeit, weil er auf die Verständigung der Beklagten durch die Gewerbebehörde habe vertrauen dürfen. Im übrigen habe der Kläger dem Geschäftsführer zuvor mitgeteilt, „er wolle nicht mehr". Aus seiner Äußerung, er werde die beklagte Partei „noch mehr treffen", könne angesichts seiner impulsiven Persönlichkeit mangels sonstiger Anhaltspunkte nicht auf konkrete Schädigungshandlungen geschlossen werden. Daher sei kein Entlassungstatbestand erfüllt.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Urteil.
Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und billigte dessen rechtliche Beurteilung. Die Beklagte hätte die Möglichkeit gehabt, nach der Zurücklegung der gewerberechtlichen Geschäftsführung durch den Kläger mangels weiterer Gegenleistung die gewährte Gehaltserhöhung von S 5.000,-- zurückzunehmen. Da ihr überdies ein Zeitraum von sechs Monaten zur Bestellung eines neuen gewerberechtlichen Geschäftsführers zur Verfügung gestanden sei, sei der Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nicht verwirklicht.
Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten.
Der Kläger beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Die Revision ist zulässig, weil die das Berufungsgericht die Rechtslage verkannt hat. Sie ist auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger hat durch die fristlose Zurücklegung der gewerberechtlichen Geschäftsführung seine Dienstpflicht in gravierender Weise verletzt. Auch wenn man insofern eine Teilkündigung als zulässig erachtet (Arb 10.038; Arb 11.736), bleibt der Umstand, dass er nur davon sprach, dass er „nicht mehr wolle", aber keine klare Erklärung über die Beendigung der entsprechenden Vereinbarung abgab und vor allem keine (Kündigungs-)Frist einhielt. Jedenfalls musste ihm bewusst sein, dass die Beklagte durch die sofortige Rücklegung der gewerberechtlichen Geschäftsführung überrascht werden wird und dass sie daher nicht in der Lage sein wird, ihrer aus § 39 Abs 4 GewO 1994 resultierenden Anzeigepflicht nachzukommen (vgl das Schreiben der Gewerbebehörde vom 9. 11. 2001, mit dem diese auf diese Anzeigepflicht und auf die Strafbestimmung des § 368 GewO hingewiesen hat) und ohne Verzug geeignete Maßnahmen zur Bestellung eines anderen gewerberechtlichen Geschäftsführers einzuleiten.
Vor diesem Hintergrund kommt der Reaktion des Klägers auf die Vorhalte des Geschäftsführers der Beklagten besondere Bedeutung zu. Da sich der Kläger in keiner Weise einsichtig zeigte, sondern - im Gegenteil - mit zugehaltenen Ohren davon sprach, die Beklagte getroffen zu haben und sie noch mehr treffen zu wollen, bestand für die Beklagte in objektiv nachvollziehbarer Weise Grund für die Befürchtung, dass der Kläger seine Pflichten auch weiterhin nicht ordnungsgemäß erfüllen werde und ihre dienstlichen Interessen im Fall seiner Weiterbeschäftigung gefährdet seien. Wieso der vom Erstgericht hervorgehobene Umstand, dass der Kläger zu impulsiven Reaktionen neigt, geeignet sein soll, diese Befürchtungen der Beklagten zu entkräften, ist unerfindlich. Gleiches gilt für die vom Berufungsgericht genannte Möglichkeit, dem Beklagten das Entgelt für die gewerberechtliche Geschäftsführung nicht mehr weiterzuzahlen. Auch insofern ist nicht erkennbar, wie dadurch das zerstörte Vertrauen in die ordnungsgemäße Diensterfüllung durch den Kläger hätte wiederhergestellt werden sollen.
Der Beklagten ist daher beizupflichten, dass der Kläger den Entlassungsgrund des § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, verwirklicht hat, sodass sich das Begehren auf Zuspruch von Kündigungsentschädigung als nicht berechtigt erweist.
Das auf Zuspruch von Urlaubsentschädigung bzw Urlaubsersatzleistung gerichtete Begehren wurde auf Grund eines Teilanerkenntnisses der Beklagten in der Tagsatzung vom 4. 9. 2003 teilweise erledigt. Eine Nachrechnung des anerkannten Betrags ergibt, dass es sich dabei - dem Prozessstandpunkt der Beklagten entsprechend - um jenen Teil des Begehrens handelt, der von der Frage der Berechtigung der Entlassung unabhängig ist. Gegenstand des Verfahrens ist nurmehr die sich aus der fiktiven Kündigungsfrist ergebende Urlaubsersatzleistung, die dem Kläger - da seine Entlassung berechtigt ist - nicht zusteht.
In Stattgebung der Revision waren daher die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinne der Abweisung des noch offenen Klagebegehrens abzuändern.
Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf die §§ 41, 43 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO. Im bis zum Teilanerkenntnisurteil vom 4. September 2003 über EUR 2.617,- brutto sA reichenden ersten Abschnitt des Verfahrens ist der Kläger mit etwa einem Drittel seines Begehrens durchgedrungen, sodass er für diesen Abschnitt der Beklagten ein Drittel ihrer Verfahrenskosten zu ersetzen, selbst aber Anspruch auf Ersatz von einem Drittel der von ihm getragenen Barauslagen iSd § 43 Abs 1 letzter Satz ZPO (Pauschalgebühr, verbrauchter Kostenvorschuss) hat. Im zweiten Abschnitt des Verfahrens erster Instanz hat die Beklagte Anspruch auf vollen Kostenersatz. Die von der Beklagten verzeichnete Urkundenvorlage ist nur nach TP 1 zu honorieren. Nach Saldierung der wechselseitigen Kostenersatzansprüche ergibt sich der im Spruch ersichtliche Kostenbetrag. In zweiter und dritter Instanz hat die Beklagte ebenfalls voll obsiegt und daher Anspruch auf vollen Kostenersatz.
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