OGH 9ObA182/95

OGH9ObA182/9517.1.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Theodor Zeh und Walter Darmstädter als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei N***** AG, ***** vertreten durch Dr.Georg Hahmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr.Erwin T*****, Angestellter, ***** vertreten durch Dr.Georg Grießer und Dr.Roland Gerlach, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufhebung eines Disziplinarerkenntnisses (Streitwert 500.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22.Mai 1995, GZ 9 Ra 38/95-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 15.September 1994, GZ 26 Cga 138/94t-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist seit 1.Juli 1980 bei der klagenden Partei beschäftigt. Sein Dienstverhältnis ist unkündbar und unterliegt dem Kollektivvertrag für Angestellte der österreichischen Landes-Hypothekenbanken. Gegen den Beklagten wurde mit Beschluß vom 18. Dezember 1991 ein Disziplinarverfahren eingeleitet, das mit Beschlüssen der Disziplinarkommission vom 23.Jänner 1992, 17.Juni 1992, 26.August 1992 und 26.April 1994 ausgeweitet wurde. In diesem Disziplinarverfahren wurden dem Beklagten insbesondere Verfehlungen bei der Bearbeitung des Kreditengagements F***** vorgeworfen, aber auch pflichtwidriges Verhalten in der Sache "M*****" sowie Verletzung der Verschwiegenheitspflicht. Das Disziplinarverfahren endete schließlich mit Disziplinarerkenntnis vom 13.Juni 1994, mit dem der Beklagte in sämtlichen Punkten freigesprochen wurde.

Der Kollektivvertrag enthält in seinem mit "Disziplinarordnung" überschriebenen Abschnitt III nach einer Aufzählung der vorgesehenen Ordnungs- und Disziplinarstrafen unter der Überschrift "Disziplinarorgane" in § 36 folgende Regelungen über die Disziplinarkommission:

"(1) Zur Durchführung von Disziplinarverfahren bestellt der Vorstand für drei Jahre nach Maßgabe der folgenden Vorschriften eine Disziplinarkommission.

(2) Die Disziplinarkommission wird gebildet aus:

a) zwei vom Vorstand aus dem Kreis der Vorstandsmitglieder und der Dienstnehmer nominierten Mitgliedern, von denen eines vom Vorstand als Vorsitzender zu bestimmen ist;

b) zwei vom Betriebsrat aus dem Kreis der Dienstnehmer nominierten Mitgliedern.

Außerdem ist für jedes Mitglied der Disziplinarkommission ein Ersatzmitglied zu bestellen, welches bei Verhinderung eines Mitgliedes zu den Verhandlungen einzuladen ist.

(3) Die Mitglieder der Disziplinarkommission sind in Ausübung ihrer Tätigkeit selbständig, an keine Weisungen gebunden und niemandem verantwortlich. Sie haben ihre Aufgaben mit strengster Objektivität nach bestem Wissen und Gewissen zu erfüllen und über interne Beratungen jedermann gegenüber vollkommenes Stillschweigen zu bewahren....."

Es folgen noch Regelungen über einen Untersuchungskommissär und einen vom Vorstand bestellten, weisungsgebundenen Disziplinaranwalt.

In den Verfahrensvorschriften wird unter anderem bestimmt, daß in geheimer schriftlicher Abstimmung mit einfacher Stimmenmehrheit über Schuldfrage und Strafausmaß zu entscheiden ist (§ 49). Gemäß § 51 ist das Disziplinarerkenntnis dem Beschuldigten, dem Vorstand und dem Betriebsrat zu übermitteln und obliegt dem Vorstand der Vollzug des Erkenntnisses.

Die klagende Partei begehrt mit ihrer am 19.Juli 1994 überreichten Klage die Aufhebung der Entscheidung der Disziplinarkommission vom 13. Juni 1994 (Punkt 1a), und die Feststellung, daß der Beklagte verschiedene, im Detail im Urteilsbegehren dargestellte Disziplinarverfehlungen begangen habe (Punkt 1b). Ferner begehrt die beklagte Partei, daß über den Beklagten die Disziplinarstrafe der Entlassung, in eventu die der Aberkennung der Unkündbarkeit mit gleichzeitiger Kündigung, in eventu die der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit Minderung der Bankpension um 50 % und mit Auswirkungen auf die Witwenpension, in eventu die der Versetzung in den dauernden Ruhestand mit Minderung der Bankpension um 50 % aber ohne Auswirkung auf die Witwenpension, in eventu die der Rückversetzung aus dem unkündbaren in das kündbare Dienstverhältnis unter Minderung der Bezüge um 25 %, verhängt werde (Punkt 1c).

Weiters begehrt die klagende Partei die Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 1,000.000 S sA (Punkt 2) und die Feststellung, daß der Beklagte der klagenden Partei für alle ihr aus den Kreditengagements F***** und D***** entstehenden Schäden haftet (Punkt 3).

Die klagende Partei brachte vor, der Beklagte sei als Leiter des Geschäftsbereiches "Zentrales Kundengeschäft" auch mit großen Kommerzkreditvergaben betraut gewesen und habe sich im Zusammenhang mit der Finanzierung des Erwerbes der "D*****-Gruppe" durch die "F*****-Gruppe" verschiedene Verfehlungen zuschulden kommen lassen. Der Beklagte habe dabei seine Dienstpflichten als Bereichsleiter grob fahrlässig oder vorsätzlich schwer verletzt und der klagenden Partei einen erheblichen Schaden zugefügt. Die Gegenstand des Disziplinarverfahrens bildenden Verfehlungen seien vom Disziplinaranwalt im einzelnen minutiös nachgewiesen worden. Bei der Abstimmung der Disziplinarkommission sei es jedoch in sämtlichen neun Schuldfragen im Hinblick auf die Stimmengleichheit von Ja- und Neinstimmen zu einer Verneinung gekommen. Mitglieder der Disziplinarkommission hätten dabei offenbar falsch entschieden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und führte im wesentlichen aus, daß Kommerzialrat F***** einer der größten Kunden der klagenden Partei gewesen und mit dem für das Aktivgeschäft zuständigen Vorstandsmitglied Dr.Albert B***** seit Jugendtagen befreundet gewesen sei. Die Kreditgewährung habe in vielen Fällen dieses Vorstandsmitglied direkt unter Umgehung sämtlicher Zwischenebenen durchgeführt. Wenn Verfehlungen gesetzt worden seien, dann durch das ressortzuständige Vorstandsmitglied Dr.Albert B*****, das Vorstand und Aufsichtsrat zu spät über die schlechte Lage der Unternehmensgruppe informiert habe. Dieses Vorstandsmitglied sei bald nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über die Unternehmen der F*****-Gruppe bei vollen Bezügen pensioniert worden. Das Disziplinarverfahren gegen den Beklagten und einen Abteilungsleiter sei offenbar eingeleitet worden, um von der Verantwortung des Vorstandsmitgliedes Dr.Albert B***** bzw von der Verantwortung des Gesamtvorstandes abzulenken.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zu Punkt 1a bis c mit Teilurteil ab. Gemäß §§ 6 und 7 der Betriebsvereinbarung für Dienstnehmer der klagenden Partei könne der Dienstgeber ein unkündbares Dienstverhältnis nur aufgrund eines Erkenntnisses der Disziplinarkommission auflösen. Eine sukzessive Zuständigkeit der Gerichte sei bezüglich betrieblicher Disziplinarverfahren nicht gegeben.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. § 102 ArbVG sehe unter dem Titel "Mitwirkung bei der Verhängung von Disziplinarmaßnahmen" vor, daß der Betriebsrat an der Aufrechterhaltung der Disziplin im Betrieb mitzuwirken habe. Ferner sei nach dieser Bestimmung die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen im Einzelfall nur zulässig, wenn sie in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen seien. Soweit hierüber nicht eine mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtete Stelle entscheide, bedürften sie der Zustimmung des Betriebsrates. Die Möglichkeit zur Verhängung von Disziplinarstrafen könne nicht aus dem Arbeitsvertrag abgeleitet werden, sondern bedürfe einer besonderen Grundlage, etwa in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung. Die darin eingeräumten besonderen Gestaltungsrechte könnten vom Arbeitgeber nur gemeinsam mit dem Betriebsrat ausgeübt werden und seien arbeitsvertraglich aus der Sicht des Arbeitnehmers dem Arbeitgeber zuzuordnen. Dies erhelle schon daraus, daß auch eine mit Zustimmung des Betriebsrates verhängte Disziplinarmaßnahme vom Arbeitnehmer mit einer Feststellungsklage gegen den Arbeitgeber als ungerechtfertigt bekämpft werden könne. Hingegen könne ein Mangel der Willensbildung in der eigenen Sphäre des Arbeitgebers nicht mit einer Klage gegen den Vertragspartner - den Arbeitnehmer - bekämpft werden. Noch deutlicher ergebe sich dies aus § 102 ArbVG, der primär die unmittelbare Zustimmung des Betriebsrates zu der konkreten Maßnahme vorsehe; hiebei sei anders als nach der früheren Rechtslage (§ 14 Abs 2 Z 3 BRG) die Möglichkeit einer Kontrolle hinsichtlich der Zustimmung des Betriebsrates nicht vorgesehen. Dies ergebe sich aus dem Vergleich mit § 101 ArbVG, der zwar die Wirksamkeit bestimmter Versetzungen an die Zustimmung des Betriebsrates binde, aber ausdrücklich eine Rechtskontrolle in Form eines Klagerechtes vorsehe. Dieser Unterschied sei auch damit gerechtfertigt, daß die Anpassung der Arbeitsleistung an die betrieblichen Gegebenheiten durch Versetzung die Arbeitgebersphäre wesentlich stärker berühre, als die nicht in einem Austauschverhältnis stehenden Disziplinarmaßnahmen, die nur zusätzlich zu den schon aufgrund des Arbeitsvertrages gegebenen Sanktionsmöglichkeiten wie Dienstnehmerhaftpflicht, Entlassung etc nur weitere Möglichkeiten der Reaktion auf Fehlverhalten des Dienstnehmers im Betriebsinteresse böten. Auch eine systematische Betrachtung etwa im Zusammenhang mit zustimmungspflichtigen Maßnahmen nach § 96 ArbVG zeige, daß nicht nur die Einführung einer Disziplinarmaßnahme zustimmungspflichtig sei, sondern etwa auch Kontrollmaßnahmen, die die Menschenwürde berührten. Letzteres könne auch im Zusammenhang mit Disziplinarmaßnahmen nicht ausgeschlossen werden. Diese Überlegungen seien im wesentlichen auch auf Fälle übertragbar, in denen - wie hier - über diese Strafbefugnis eine mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichtete Stelle entscheide, deren Willensbildung ebenfalls dem Arbeitgeber zuzurechnen sei. Die auf Verhängung von Disziplinarstrafen, etwa auf Minderung der Bezüge, gerichteten Klagebegehren habe das Erstgericht daher im Ergebnis zutreffend abgewiesen.

Allerdings seien sowohl Kündigungen als auch Entlassungen selbst dann, wenn sie fallweise in Disziplinarordnungen als Disziplinarstrafen angedroht würden, nicht als Disziplinarmaßnahmen im Sinne des ArbVG anzusehen. Insoweit seien die Bestimmungen der kollektivvertraglichen Disziplinarordnungen nur als Beschränkung des dem Arbeitgeber nach dem Arbeitsvertragsrecht zustehenden Auflösungsrechtes anzusehen. Im vorliegenden Fall sei es zu keiner unzulässigen Erweiterung der Mitwirkungsrechte der in der Betriebsverfassung abschließend und absolut zwingend geregelten und dadurch der Gestaltung durch Kollektivvertrag entzogenen Mitwirkungsrechte der Belegschaft bei Auflösung des Arbeitsverhältnisses gekommen, da die vom Betriebsrat nominierten Mitglieder der Disziplinarkommission ihre Aufgabe selbständig wahrzunehmen hätten und die Einräumung eines Vorschlagsrechtes schon im Hinblick auf die allgemeinen, in § 90 ArbVG vorgesehenen Interventionsmöglichkeiten des Betriebsrates nicht als unzulässige Erweiterung seiner Befugnisse angesehen werden könne. Auch in diesen Fällen sei die Willensbildung der Disziplinarkommission dem Arbeitgeber zuzurechnen und komme die Verhängung von "Disziplinarstrafen" durch das Gericht nicht in Frage. Im übrigen könnten rechtsgestaltende Klagen im allgemeinen nur dort erhoben werden, wo sie das Gesetz vorsehe. Auch das auf Aufhebung der Entscheidung der Disziplinarkommission gegen den Beklagten gerichtete Begehren sei unzulässig, weil die Entscheidung der Disziplinarkommission nicht den Rechtsgestaltungsbefugnissen des Beklagten unterliege. Zum selben Ergebnis gelangte man, wenn man die verfahrensrechtlichen Regelungen der "Disziplinarordnung" des Kollektivvertrages, soweit diese auch die Auflösung des Dienstverhältnisses beträfen, als unwirksam ansehe, etwa, weil diese nicht als typischer oder regelmäßig wiederkehrender Inhalt eines Arbeitsverhältnisses beurteilt werden könnten. Dann fehle insoweit jede Grundlage für ein "Disziplinarverfahren" und es bedürfe auch keiner Aufhebung der Entscheidung der Disziplinarkommission.

Schließlich mangle es für die im folgenden begehrten Feststellungen bezüglich bestimmter Tatsachen als Disziplinarverfehlungen an dem rechtlichen Interesse der klagenden Partei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, für die Ersetzung der dem Arbeitgeber zuzurechnenden, der Disziplinarkommission vorbehaltenen Gestaltungsrechte fehle es an der rechtlichen Grundlage, für die unter Punkt 1b der Klage begehrten Feststellungen hingegen am rechtlichen Interesse, zutrifft, genügt es, auf diese Begründung zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin folgendese zu erwidern:

Fasching (ZPR2 Rz 1107) ist darin beizupflichten, daß richterliche Rechtsgestaltung durch Urteil in einem von der Privatautonomie beherrschten Privat- und Prozeßrechtssystem die Ausnahme bleiben muß. Rechtsgestaltung im Zivilprozeß ist daher nur gerechtfertigt, wenn die Rechtsgestaltung im öffentlichen Interesse den Parteien verwehrt bleiben muß (zB in Statussachen), aus Gründen der Rechtssicherheit schon im Hinblick auf die Evidenzwirkung für Dritte dem Richter vorbehalten bleiben soll (zB bei Auflösung von Gemeinschaftsverhältnissen), dem Schutz des sozial Schwächeren dient (zB bestimmte Entscheidungen im Arbeits- und Sozialrecht) oder zur Ersetzung einer notwendigen Rechtsgestaltung, auf die sich die Parteien außergerichtlich nicht einigen können. Da Rechtsgestaltungsklagen im Zivilprozeß nur Ausnahmen sind, dürfen sie nur dort erhoben werden, wo das Gesetz sie entweder ausdrücklich zuläßt oder sie anhand der genannten Ausnahmekriterien in vorsichtiger und einschränkender Analogie zugelassen werden können (siehe auch Fasching, urteilsmäßige Rechtsgestaltung im Zivilprozeß, JBl 1975, 505 ff [512 f]; Ballon, Klagbarkeit von Ansprüchen, JBl 1978, 10 ff [12 und 13 f]; Konecny, Zum Klagebegehren und zum Inhalt der Anfechtungsklagen im Konkurs, ÖBA 1987, 311 ff [312 f]). Folgerichtig vertritt Rummel (Privates Vereinsrecht im Konflikt zwischen Autonomie und Kontrolle in Strasser-FS [1983], 813 ff) für den Bereich der Vereinsschiedsgerichtsbarkeit die Auffassung, daß Unangemessenheit der Maßnahme des Vereins stets nur zur Feststellung von deren Unwirksamkeit, im Fall der Geldstrafe in Analogie zu den Regeln der Konventionalstrafe möglicherweise noch zu einer umfänglichen Mäßigung, niemals aber zu einer sonstigen Gestaltung durch das Gericht führen kann. Soweit Rechberger-Frauenberger (in Der Verein als Richter, ecolex 1994,5 ff [8]) unter Ablehnung der mit der herrschenden Lehre übereinstimmenden Auffassung Rummels meinen, es könnten auch ganz andere Sanktionen verhängt werden, "soweit sie Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind", wird diese Aussage relativiert durch die FN 37, wonach das Gericht gemäß § 405 ZPO ein minus im Vergleich zur angefochtenen, Gegenstand des Rechtsstreites bildenden Sanktion aussprechen könne, etwa einen Verweis als minus zum Ausschluß. Daß das Gericht an die Stelle einer geringeren eine schärfere Sanktion oder gar bei Ablehnung einer Sanktion durch das Vereinsschiedsgericht eine Sanktion aussprechen könnte, vertreten entgegen der Auffassung des Revisionswerbers hingegen auch diese Autoren nicht. Zur ähnlichen deutschen Rechtslage sei nur auf Ballon (aaO, 11) und Greger (in Zöllner, dZPO19 vor § 253 Rz 8) verwiesen, wonach - vorbehaltlich einer vorsichtigen analogen Erweiterung - nur die ausdrücklich im Gesetz angeführten Fälle einer richterlichen Gestaltung zugänglich sind, wobei häufigster Anwendungsfall der Anspruch auf Änderung eines der Dispositionsbefugnis der Parteien entzogenen Rechtsverhältnisses (zB Klage bzw Antrag auf Ehescheidung gemäß § 606 dZPO) ist; die fehlende Dispositionsbefugnis muß aber dort nicht vorliegen, wo das materielle Recht die Rechtsgestaltung dem Urteilsspruch übertragen hat (zB Klage auf Herabsetzung einer Vertragsstrafe gemäß § 343 BGB, auf Ausschluß eines Gesellschafters gemäß § 140 HGB, auf Erklärung der Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung gemäß §§ 767 und 771 dZPO).

Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, macht das materielle Recht Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG - zu denen disziplinäre Kündigungen und Entlassungen nicht gehören (siehe

Strasser in Floretta-Strasser Handkomm ArbVG 598; Arb 10.433 = ZAS

1985/14 (Mayer-Maly) = DRdA 1986/1 (Schwarz); Arb 10.606 = DRdA

1990/9 [Jabornegg]; DRdA 1995/23 [Strasser]; DRdA 1995/41 [Eypeltauer]) - von der Zustimmung des Betriebsrates abhängig, ohne daß diese durch ein Gericht oder eine sonstige Behörde ersetzt werden könnte (siehe Strasser in Floretta-Strasser Handkomm ArbVG 602;

derselbe in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 III 351;

Holzer, einige Strukturfragen personeller Mitbestimmung, ZAS 1982, 3 ff [8]). Dasselbe gilt für die subsidiär vorgesehene Entscheidung einer mit Zustimmung des Betriebsrates eingerichteten Stelle (siehe Schwarz in Cerny-Haas-Laßnigg-Schwarz, Arbeitsverfassungsrecht III § 102 ArbVG Anm 4).

Was die Auflösung des Arbeitsverhältnisses betrifft, ist nur für bestimmte, einen besonderen Kündigungs- und Entlassungsschutz genießende Personengruppen die rechtsgestaltende Zustimmung des Gerichtes zu der auch in diesem Fall vom Arbeitgeber auszusprechenden Kündigung oder Entlassung (siehe Strasser in Floretta-Strasser Handkomm ArbVG 819; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht3 I 287 und 318) vorgesehen; für die übrigen, dem allgemeinen Kündigungsschutz nach den §§ 105 bis 107 ArbVG unterliegenden Arbeitnehmer ist nicht eine derartige rechtsgestaltende Entscheidung vor Ausspruch der Kündigung oder Entlassung, sondern eine nachträgliche Prüfung durch das Gericht vorgesehen. Im Hinblick auf den absolut zwingenden Charakter des Betriebsverfassungsrechtes (siehe Jabornegg, absolut zwingendes Arbeitsverfassungsrecht, Strasser-FS [1983], 367 ff [379 f; 383 f];

Tomandl, Arbeitsrecht3 I, 128 f; Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht II 62 f; DRdA 1994/3 [zust Jabornegg]; JBl 1995, 263;

DRdA 1995/23 [zust Strasser]; ecolex 1994,831 [Hainz]; ecolex 1995,748) ist eine kollektivrechtliche oder einzelvertragliche Änderung des dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegenden Personenkreises durch Einbeziehung in den besonderen Kündigungsschutz unzulässig. Auch wenn daher der Arbeitgeber durch kollektivvertragliche Normen wirksam verpflichtet wäre, vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Entscheidung einer Disziplinarkommission abzuwarten (siehe Kuderna Entlassungsrecht2, 49 "Vorschaltung eines Disziplinarverfahrens"), kann dies nicht dazu führen, daß der Arbeitgeber, abweichend von den zwingenden Normen des Betriebsverfassungsrechts, auch vor Auflösung des Arbeitsverhältnisses von dem allgemeinen Kündigungsschutz unterliegenden Arbeitnehmern die rechtsgestaltende Zustimmung des Gerichtes einzuholen hätte. Das Gericht ist vielmehr auf eine nachfolgende Prüfung beschränkt (vgl JBl 1991, 452). Entgegen der Auffassung der Revisionswerberin tritt Tomandl (Einschränkungen des Entlassungsrechts durch kollektivvertragliche Disziplinarordnungen, RDW 1983, 108 ff [110 f]) bei Verweigerung der Zustimmung zur Entlassung durch die Disziplinarkommission nicht etwa für deren Ersetzung durch rechtsgestaltende gerichtliche Entscheidung, sondern dafür ein, daß der Arbeitgeber die - der nachträglichen gerichtlichen Prüfung unterliegende - Entlassung aussprechen kann. Auch aus der Entscheidung WBl 1989, 159 über die Erschöpfung des Gestaltungsrechts der Disziplinarkommission durch eine vom Gericht als unwirksam beurteilte Disziplinarentscheidung läßt sich für den Standpunkt der Revisionswerberin, die Kompetenz zur Rechtsgestaltung gehe auf das Gericht über, nichts gewinnen. Soweit die Revisionswerberin aber auf die Besprechung der Entscheidung ZAS 1974/24 durch Tomandl verweist, ist ihr zu entgegnen, daß Entscheidung und Stellungnahme auf dem damals in § 14 Abs 2 Z 13 BRG geregelten Mitwirkungsrecht des Betriebsrates beruhten, wonach eine vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung auf Antrag des Arbeitgebers durch das Einigungsamt ersetzt werden konnte (siehe auch Floretta-Strasser Kommentar zum BRG2, 279 f). Nach der durch § 102 ArbVG geschaffenen Rechtslage kann aber, wie oben dargelegt, bei Disziplinarmaßnahmen anders als bei Versetzungen die mangelnde Zustimmung des Betriebsrates nicht durch das Gericht (zuvor Einigungsamt) ersetzt werden (zum Entwicklungsgang des betrieblichen Disziplinarrechts siehe auch Holzer, Die zustimmungspflichtige Maßnahme - zur Struktur eines neuen Rechtsinstitutes, ZAS 1976, 206 ff [207]; derselbe, einige Strukturfragen personeller Mitbestimmung, ZAS 1982, 3 ff [8]).

Es kann daher auch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob - wie dies zunehmend von der Lehre mit beachtlichen Argumenten in Frage gestellt wird (siehe Tomandl, Einschränkungen des Entlassungsrechts durch kollektivvertragliche Disziplinarordnungen, RdW 1983, 108 ff [110]; Mayer-Maly, ZAS 1985, 142; Schwarz, Entlassung als Disziplinarmaßnahme, DRdA 1986, 35 ff [38]; Jabornegg, DRdA 1990, 120 ff; derselbe, Grenzen kollektivvertraglicher Rechtsetzung und richterliche Kontrolle, JBl 1990, 209 ff [211]; Strasser, Disziplinarmaßnahmen in Vertragsschablone? DRdA 1995, 311 ff [314 f]; Eypeltauer, Kollektivvertragliches Disziplinarverfahren für strafweise Kündigungen, DRdA 1995, 404 f) - die Zulässigkeit von nicht als Disziplinarmaßnahmen im Sinne des § 102 ArbVG anzusehenden Kündigungen und Entlassungen überhaupt von der Entscheidung einer Disziplinarkommission abhängig gemacht werden kann.

Das mit Punkt 1b der Klage erhobene Feststellungsbegehren schließlich hat nicht Rechte oder Rechtsverhältnisse, sondern Tatsachen zum Gegenstand und ist daher nicht zulässig (siehe Rechberger Komm ZPO § 228 Rz 4; Fasching ZPR2 Rz 1088).

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 2 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte