Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie einschließlich des unangefochten gebliebenen Teiles insgesamt zu lauten haben:
"Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin den Betrag von S 117.808,69 brutto samt 4 % Zinsen seit 19.9.1991 binnen 14 Tagen zu zahlen.
Das Mehrbegehren, die Beklagte sei schuldig, der Klägerin einen weiteren Betrag von S 44.983,08 brutto samt 4 % Zinsen seit 19.9.1991 zu zahlen, wird abgewiesen."
Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin S 4.149,60 an Verfahrenskosten erster Instanz (Barauslagen), S 5.979,60 (darin S 996,60 Umsastzsteuer) an Kosten des Berufungsverfahrens und S 2.175,36 (darin S 362,56 Umsatzsteuer) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war vom 19.5.1971 bis 30.12.1980 bei W***** W***** ("T***** P*****") und danach unter Anrechnung dieser Vordienstzeiten bis zu der am 11.6.1991 zum 15.6.1991 ausgesprochenen Kündigung bei der Beklagten beschäftigt. Seit 1.1.1982 war sie Angestellte. Sie war vom 31.7.1990 bis 4.9.1990 und 15.10.1990 bis zur Aufösung des Dienstverhältnisses im Krankenstand. Seit 21.6.1991 bezieht sie eine Berufsunfähigkeitspension.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kündigungentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung im Gesamtbetrag von S 206.591,20 brutto sA. Die Kündigung hätte erst zum 30.9.1991 ausgesprochen werden können.
Das Erstgericht sprach der Klägerin außer dem bereits mit Teilanerkenntnisurteil zuerkannten Betrag von S 43.799,43 brutto sA noch S 162.791,77 sA, darunter an Kündigungsentschädigung samt aliquoten Sonderzahlungsanteilen S 51.023,10 brutto zu.
Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin teilweise ab, daß es der Klägerin nur S 111.768,67 sA zusprach und das Mehrbegehren an Kündigungsentschädigung samt Sonderzahlungsanteilen von S 51.023,10 sA abwies, weil die Klägerin in den drei Monaten nach der fristwidrigen Beendigung des Dienstverhältnisses infolge Ausschöpfung ihres Entgeltfortzahlungsanspruches nach § 8 Abs 1 AngG und der Fortdauer ihrer Arbeitsunfähigkeit über den 15.6.1991 hinaus auch dann keinen weiteren Entgeltanspruch mehr gehabt hätte, wenn das Dienstverhältnis frist- und termingerecht gekündigt worden wäre.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil durch Zuspruch eines weiteren Betrages von S 6.040,02 abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte beantragt, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Hat der Dienstnehmer in dem Zeitraum, der vom Austritt (hier: zeitwidrigen Kündigungstermin) bis zur ordnungsgemäßen Beendigung des Dienstverhältnisses verstrichen wäre, aus besonderen Gründen (etwa wegen Ablaufes der in § 8 Abs 1 AngG normierten Frist für die Entgeltfortzahlung und der während der ganzen Kündigungsfrist fortdauernden Erkrankung) überhaupt keine vertragsgemäßen Entgeltansprüche mehr, so kann er nach der Regel des § 29 Abs 1 AngG aus dem Titel des Schadenersatzes für die betreffende Zeit nichts "behalten" (Arb 10.041 = ZAS 1982/25 [Müller]).
Das ist im vorliegenden Fall grundsätzlich nicht mehr strittig. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nämlich nur mehr die Frage, ob der Klägerin als Kündigungsentschädigung die aliquoten Sonderzahlungsanteile gebühren, die ihrer Ansicht nach auch bei Einhaltung der Kündigungsfrist angefallen wären, weil sie nach dem einschlägigen Kollektivvertrag auch während des Krankenstandes gebühren.
Dem ist zuzustimmen: § 11 Abs 1 und 4 des unbestrittenermaßen anzuwendenden Kollektivvertrages für die Angestellten des Gewerbes lautet:
"................
(1) Allen Angestellten gebührt einmal in jedem Kalenderjahr ein 13. und 14.Monatsgehalt (Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuß).
(4) Den während des Kalenderjahres eintretenden oder austretenden Angestellten (Lehrlingen) gebührt der aliquote Teil des 13. und 14. Monatsgehaltes entsprechend der im Kalenderjahr zurückgelegten Dienstzeit."
Der Kollektivvertrag sieht somit eine Aliquotierung der Sonderzahlungen nur im Falle der Begründung und Beendigung des Arbeitsverhältnisses während des Kalenderjahres entsprechend der zurückgelegten Dienstzeit vor und stellt daher eindeutig nur auf die Dauer des Dienstverhältnisses ab. Daß als Dienstzeit (= Beschäftigungszeit) nur Zeiten der aktiven Arbeitsleistung, nicht jedoch Krankenstandszeiten zu werten seien, läßt sich aus den Bestimmungen des Kollektivvertrages nicht begründen. Sonderzahlungen gebühren daher als ein auf dem Kollektivvertrag beruhender günstigerer Entgeltanspruch während des Krankenstandes auch dann, wenn kein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 8 Abs 1 AngG mehr besteht (9 Ob A 221/89 = infas 1990, A 29).
Die Klägerin hätte somit bei fristgerechter Kündigung durch die Beklagte zwar keinen Anspruch auf das Monatsgehalt, wohl aber nach dem Kollektivvertrag Anspruch auf die aliquoten Sonderzahlungen gehabt. Diese stehen ihr daher für die gesetzliche Kündigungsfrist gemäß § 29 AngG, der auch auf den Fall der zeitwidrigen Kündigung (analog) anzuwenden ist (Martinek-M.Schwarz-W.Schwarz, AngG7, 654 f), zu.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 43 Abs 1, 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)