OGH 9ObA17/09d

OGH9ObA17/09d15.12.2009

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk und Robert Hauser als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei D***** O*****, Krankenschwester, *****, vertreten durch die Freimüller/Noll/Obereder/Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Gemeinde Wien, Rathaus, 1082 Wien, vertreten durch die Dr. Gustav Teicht & Dr. Gerhard Jöchl Kommandit-Partnerschaft, Rechtsanwälte in Wien, wegen 884,71 EUR brutto sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. November 2008, GZ 9 Ra 112/08v-23, womit über die Berufungen beider Parteien das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 3. März 2008, GZ 6 Cga 76/07z-14, hinsichtlich der Kapitalforderung bestätigt, hinsichtlich des Zinsenbegehrens jedoch abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das Urteil des Berufungsgerichts, das hinsichtlich der Bestätigung des Ersturteils bezüglich des Kapitals und der erstinstanzlichen Kosten bestätigt wird und unberührt bleibt, wird hinsichtlich der Zinsen dahin abgeändert, dass insoweit das Ersturteil wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 108,86 EUR (darin 18,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 297,41 EUR (darin 49,57 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Bestätigt der Oberste Gerichtshof das Urteil des Berufungsgerichts (hier: hinsichtlich der Bejahung der Kapitalforderung der Klägerin) und erachtet er dessen Begründung für zutreffend, so reicht es aus, wenn er auf deren Richtigkeit hinweist (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Zusammenfassend ist nochmals festzuhalten:

Rechtliche Beurteilung

Die Klägerin ist seit 1. 11. 1990 als Vertragsbedienstete der Beklagten beschäftigt. Die von der Klägerin davor, und zwar vom 24. 8. 1986 bis 31. 10. 1990 in der Tschechoslowakei erbrachte Vordienstzeit im Dienst des Universitätskrankenhauses mit Poliklinik B***** wurde von der Beklagten nur zur Hälfte angerechnet. Das Universitätskrankenhaus gehörte zum tschechoslowakischen Institut für nationale Gesundheit, das gemäß tschechoslowakischem Gesetz Nummer 20/1996 Slg eine staatliche medizinische Einrichtung war. Unstrittig unterliegt im vorliegenden Fall die Anrechnung von Vordienstzeiten dem § 14 Abs 1 Z 1 des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 - DO 1994), LGBl 1994/56. Danach ist für die Vorrückung unter anderem die Zeit, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft zurückgelegt wurde, anzurechnen. Die Revisionswerberin räumt ein, dass die Klägerin im hier interessierenden Zusammenhang einer Inländerin gleichgestellt ist, weil Wanderarbeitnehmer insbesondere auch nicht bei der Dienstzeitenanrechnung diskriminiert werden dürfen. Soweit die Revisionswerberin jedoch hilfsweise den Einwand aufrechterhält, dass sich die gegenständliche Anrechnungsbestimmung nur auf die Hoheitsverwaltung beziehe, ist sie darauf zu verweisen, dass der Gesetzeswortlaut des § 14 Abs 1 Z 1 DO 1994 für die Einschränkung der Vollanrechnung auf Tätigkeiten in der Hoheitsverwaltung keinen Anhaltspunkt bietet (9 ObA 19/09y).

Strittig ist im Revisionsverfahren die Frage, ob die Klägerin in der Zeit vom 24. 8. 1986 bis 31. 10. 1990 bei einer ausländischen Gebietskörperschaft beschäftigt war. Richtig ist, dass die Frage der Vergleichbarkeit von Beschäftigungszeiten - hier also die Frage, ob die Vordienstzeiten der Klägerin in der ehemaligen Tschechoslowakei der Beschäftigung in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft gleichzuhalten seien -, nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen ist (EuGH 12. 3. 1998, C-187/96 , Kommission/Republik Griechenland, Slg 1998, I-1095; 9 ObA 19/09y; 8 ObA 10/09t ua). Die Revisionswerberin bezweifelt, dass in der Tschechoslowakei alle Arbeitnehmer beim Staat beschäftigt gewesen seien, ist aber darauf zu verweisen, dass das vorliegende Verfahren keine Anhaltspunkte für die Annahme ergab, dass die Klägerin zwar bei einer „staatlichen Einrichtung" beschäftigt gewesen, deren Träger aber nicht der tschechoslowakische Staat gewesen sei. Für die Existenz eines anderen als Dienstgeber in Betracht kommenden Rechtsträgers als des tschechoslowakischen Staates fehlt im Fall der Klägerin für den gegenständlichen Zeitraum jeglicher Hinweis. Vielmehr steht fest, dass es im Gesundheitswesen der Tschechoslowakei vor 1989 andere als staatliche Einrichtungen nicht gab. Dass aber der tschechoslowakische Staat als solcher dem österreichischen Verständnis von einer Gebietskörperschaft entspricht (vgl dazu schon 9 ObA 19/09y), wird auch von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt. Aus Überlegungen, dass in Österreich zufolge Ausgliederung staatliche Einrichtungen existieren, die keine Gebietskörperschaften seien, ist für die Beurteilung des Dienstverhältnisses der Klägerin in der Tschechoslowakei nichts zu gewinnen. Das Berufungsurteil ist daher hinsichtlich der Bejahung der Kapitalforderung der Klägerin zu bestätigen.

Berechtigt ist hingegen die Revision der Beklagten, soweit sie sich gegen den Zuspruch höherer Zinsen als 4 % richtet. Nach § 49a Satz 2 ASGG gebühren die erhöhten Zinsen gemäß § 49a Satz 1 ASGG nämlich dann nicht, wenn die Verzögerung der Zahlung auf einer vertretbaren Rechtsansicht des Schuldners beruht. Dies ist hier der Fall. Die Beklagte hat im Verfahren erster Instanz nicht nur ausdrücklich das erhöhte Zinsenbegehren der Klägerin bestritten, sondern auch umfangreiches Rechtsvorbringen zur Begründung ihres Rechtsstandpunkts erstattet. Der von der Beklagten eingenommene Rechtsstandpunkt beruhte auf einer vertretbaren Rechtsansicht (vgl 8 ObA 10/09t ua), sodass das Erstgericht zu Recht nur Zinsen gemäß § 1000 Abs 1 ABGB in der Höhe von 4 % zuerkannt hat. In teilweiser Stattgebung der Revision war daher insoweit das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 43 Abs 2, 50 ZPO. Der Klägerin sind die gesamten Kosten der Berufungsbeantwortung und der Revisionsbeantwortung zu ersetzen, weil sie nur mit einem Teil des Zinsenbegehrens unterlegen ist. Hingegen ist die Klägerin zur Gänze mit ihrer Berufung gegen den Nichtzuspruch höherer Zinsen als 4 % durch das Erstgericht unterlegen. Insoweit besteht ein Ersatzanspruch der Beklagten für die Kosten ihrer Berufungsbeantwortung, der mit dem höheren Ersatzanspruch der Klägerin für deren Berufungsbeantwortung aufzurechnen war (Fucik in Rechberger, ZPO² § 43 Rz 2 mwN ua).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte