OGH 9ObA161/93

OGH9ObA161/9322.9.1993

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr.Gamerith als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Eberhard Piso und Martin Pohnitzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr.D***** D*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Peter Philipp, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei K***** F*****, vertreten durch Dr.Christian Kuhn und Dr.Wolfgang Vanis, Rechtsanwälte in Wien, wegen 1,296.018,03 S sA (Streitwert im Revisionsverfahren 396.018,03 S sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27.Jänner 1993, GZ 31 Ra 149/92-49, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Teilurteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 2.März 1992, GZ 4 Cga 5001/90-42, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Da die Begründung des Berufungsgerichtes zutreffend ist, genügt es auf diese Ausführungen zu verweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend ist auszuführen:

Das Erstgericht hat aufgrund des Gutachtens des beigezogenen Sachverständigen die Feststellung getroffen, daß der Anästhesist während einer Operation den Operationssaal keinesfalls verlassen darf, ohne daß jemand in dieser Zeit seine Funktion übernimmt. Dies gilt unabhängig von der Dauer der Abwesenheit. Diese Feststellung wurde von der Klägerin in der Berufung bekämpft. Das Berufungsgericht hat sich mit der Beweisrüge der Klägerin auseinandergesetzt, dabei auch ausdrücklich diese Feststellung erwähnt, ist jedoch zum Ergebnis gelangt, daß gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes keine Bedenken bestehen. Dem Urteil des Berufungsgerichtes haftet daher ein Mangel nicht an. Soweit die Klägerin in der Revision ausführt, das Sachverständigengutachten biete im Hinblick auf seinen gesamten Inhalt keine Grundlage für diese Feststellung, bekämpft sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung. Auch ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung oder -ergänzung durchzuführen gehabt hätte, ist als Frage der Beweiswürdigung im Revisionsverfahren nicht überprüfbar.

Auszugehen ist daher davon, daß es dem Anästhesisten grundsätzlich untersagt ist, den Operationssaal zu verlassen, sofern nicht jemand anderer seine Stelle einnimmt, wobei als Vertreter naturgemäß nur ein entsprechend ausgebildeter anderer Arzt in Frage kommen kann. Die Klägerin hat nach den Feststellungen am 6.4.1988 während einer Operation den Operationssaal verlassen und außerhalb des Raumes, wie bereits zuvor in anderen gleichartigen Fällen, einige Minuten telephoniert, ohne daß während dieser Zeit für ihre Vertretung vorgesorgt gewesen wäre. Was den Anlaß für das Telephongespräch bildete, ist ebenso unerheblich wie die Frage, ob ein entsprechender Ersatz für die Klägerin zur Verfügung gestanden wäre. Bestand keine Möglichkeit für eine Vertretung der Klägerin, so war es ihr unter allen Umständen untersagt, den Saal zu verlassen.

Nicht von Bedeutung ist auch, ob es üblich war, daß der Narkosearzt während der Operation Telephongespräche außerhalb des Operationssaales entgegennahm. Wäre dies so gehandhabt worden, so würde jeder einzelne Fall einen Verstoß gegen die Verpflichtungen des Narkkosearztes begründen; daß diese angebliche Übung der Beklagten bekannt gewesen wäre, steht im übrigen nicht fest. Dem Anästhesisten ist während der Operation die ständige Kontrolle der körperlichen Grundfunktionen des Patienten anvertraut. Nach den Feststellungen hat er seine Hand, so weit möglich, ständig am Puls des Patienten zu haben. Berücksichtigt man die besondere Verwantwortung, die gerade dem Narkosearzt während einer Operation für das Leben des Patienten zukommt, so begründet das Verhalten der Klägerin einen so schwerwiegenden Verstoß gegen ihre dienstlichen Verpflichtungen, daß die Vorinstanzen zu Recht zum Ergbnis gelangten, daß ein Entlassungstatbestand erfüllt ist.

Der von den Vorinstanzen festgestellte Entlassungsgrund ist auch durch das Vorbringen der Beklagten gedeckt. Die Beklagte hat in ihrem vorbereitenden Schriftsatz ON 3 unter anderem ausdrücklich geltend gemacht, daß die Klägerin während der Operation den Operationssaal verlassen habe und dies den Entlassungstatbestand nach § 27 Z 1 AngG begründe. Daß diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem Lösen einer Schlauchverbindung zwischen dem Narkosesystem und dem Tubus des Patienten erstattet wurden, ändert nichts daran, daß der Klägerin damit auch das Verlassen des Operationssaales an sich zum Vorwurf gemacht wurde.

Zu Unrecht vertritt die Revisionswerberin auch den Standpunkt, daß die Entlassung verspätet ausgesprochen worden sei. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes, daß die Entlassung unverzüglich auszusprechen ist, ist der Dienstgeber jedenfalls berechtigt, vor dem Aussprechen der Entlassung den Sachverhalt so weit aufzuklären, daß ihm eine hinreichende sichere Beurteilung möglich ist. Nach den Feststellungen unterrichtete der ärztliche Leiter die Generaloberin am 7.4.1988 von dem Vorfall. Am selben Tag erstattete die Klägerin einen schriftlichen Bericht, der dem ärztlichen Leiter am folgenden Tag zuging. Am 9.4.1988 fand, nachdem der Patient verstorben war, ein Gespräch statt, an dem neben dem ärztlichen Leiter und anderen Ärzten die Generaloberin der Beklagten teilnahm. Bei diesem Gespräche gab die Klägerin erstmals zu, daß sie den Operationssaal während der Operation verlassen hatte. Nachdem am selben Tag mit dem Rechtsanwalt Rücksprache gepflogen worden war, wurde die Klägerin am nächsten Tag aufgefordert, das Dienstverhältnis von sich aus zu beenden; in diesem Fall wurde ihr die Abfertigung gezahlt. Nachdem die Klägerin diesen Vorschlag abgelehnt hatte, wurde am 10.4.1988 die Entlassung ausgesprochen. Unter diesen Umständen kann keine Rede davon sein, daß die Entlassung verspätet erfolgt wäre.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf §§ 392 Abs 2, 50 ZPO.

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