OGH 9ObA161/87

OGH9ObA161/8716.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Walter Zeiler und Anton Degen als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Elisabeth N***, zahnärztliche Assistentin, Wien 21., Autokaderstraße 3-7/55/1, vertreten durch Mag. DDr. Paul G. Hopmeier, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Rafael R***, Facharzt für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde, Wien 11., Geiselbergstraße 34-36/18/16/69, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wegen 55.276,18 S brutto sA (Revisionsstreitwert 52.276,18 S brutto sA), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10. April 1987, GZ 34 Ra 1017/87-12, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Wien vom 16. April 1986, GZ 9 Cr 2087/85-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.397,35 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 308,85 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit Mai 1982 beim Beklagten als zahnärztliche Assistentin angestellt. Seit Jänner 1985 betrug ihre wöchentliche Arbeitszeit 32 Stunden und ihre Entlohnung 7.500 S brutto monatlich, das entspricht 8/10 des kolllektivvertraglichen Gehaltes. Auf das gegenständliche Arbeitsverhältnis kommt der zwischen der Österreichischen Ärztekammer sowie der Österreichischen Dentistenkammer und dem ÖGB, Gewerkschaft der Privatangestellten, abgeschlossene Kollektivvertrag (KV) vom 21. Jänner 1985 zur Anwendung. Darin findet sich bezüglich der Kurzarbeitszeit folgende Regelung:

"§ 7 Kurzarbeit:

1. Beim Übergang von der normalen Arbeitszeit auf vorübergehende Kurzarbeit in der Ordination des Facharztes für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (approbierten Zahnarztes) oder Dentisten bis zu einem Monat ist der volle Monatslohn zu vergüten. Bei Fortdauer der Kurzarbeit, die drei Monate nicht überschreiten darf, ist die gekürzte Arbeitszeit mit dem aliquoten Monatslohn zuzüglich eines Zuschlages von 15 % zu entlohnen...."

Die Klägerin begehrte 55.276,18 S brutto sA an Kündigungsentschädigung, Urlaubsentschädigung, Sonderzahlungen und Abfertigung. Nach Rückkehr von einem Krankenstand am 9. September 1985 habe ihr der Beklagte erklärt, er werde sie in Hinkunft nur mehr 16 Stunden wöchentlich beschäftigen und ihr dafür lediglich 4/10 ihres bisherigen Entgeltes bezahlen. Am 12. September 1985 habe der Beklagte dem Klagevertreter über dessen telefonische Anfrage erklärt, er sei infolge geringeren Arbeitsanfalles außerstande, die Klägerin wie bisher zu beschäftigen und zu entlohnen. Er sei lediglich bereit, die Klägerin 16 Stunden pro Woche zu beschäftigen und ihr dafür 4/10 ihres bisherigen Entgeltes zu zahlen. Daraufhin habe der Klagevertreter den Beklagten gefragt, ob er nicht doch zur Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses unter Weiterzahlung des vollen Entgeltes bereit sei. Als der Beklagte dies unmißverständlich verneinte, habe der Klagevertreter namens der Klägerin den vorzeitigen Austritt erklärt. Der Beklagte vertrete die Auffassung, daß die Klägerin trotz der ungebührlichen Schmälerung des Entgeltes im Zusammenhang mit der von ihm einseitig erfolgten Arbeitszeit- und Gehaltskürzung nicht zum vorzeitigen Austritt berechtigt sei und habe die Klägerin mit Schreiben vom 13. September 1985 entlassen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Er habe der Klägerin entsprechend dem KV Kurzarbeit angeboten, weil der Arbeitsanfall in der Praxis für eine Beschäftigung der Klägerin im bisherigen Umfang nicht ausgereicht habe. Die Klägerin habe dies anfangs zur Kenntnis genommen, dann habe aber der Rechtsvertreter der Klägerin gegenüber dem Beklagten den vorzeitigen Austritt der Klägerin erklärt.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Betrag von 3.000 S brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von 52.336,63 S (richtig 52.276,18 S) brutto sA ab.

Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Am 9. September 1985 erschien die Klägerin - nach einem Krankenstand - um 8.30 Uhr in der Ordination. Der Beklagte erklärte der Klägerin, er habe nunmehr sehr wenig zu tun und könne die Klägerin nur in der Zeit von 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr beschäftigen. Sie solle daher erst um 15.00 Uhr wieder kommen. Das Gehalt der Klägerin werde 4/10 des kollektivvertraglichen Gehaltes betragen. Die Klägerin erklärte dem Beklagten, daß sie das schriftlich haben wolle. Daraufhin übersandte ihr der Beklagte das Schreiben Beilage ./A, in dem lediglich die Reduktion der Arbeitszeit auf 4 Tage a 4 Stunden, nicht aber die Reduktion des Gehaltes bestätigt wurde. Die Klägerin arbeitete am 9., 10. und 11. September 1985 jeweils von 15.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Am 12. September 1985 mittags sprach die Klägerin beim Klagevertreter vor und schilderte ihm den Sachverhalt. Um 12.30 Uhr rief der Klagevertreter den Beklagten an und erklärte ihm, daß ihn die Klägerin mit ihrer Vertretung betraut habe. Die Frage des Klagevertreters, ob es richtig sei, daß er eine Arbeitszeitverkürzung mit aliquoter Kürzung der Bezüge der Klägerin vorgenommen habe, beantwortete der Beklagte nicht. Die Frage, ob er die Klägerin auf Kurzarbeit gesetzt habe, beantwortete der Beklagte hingegen mit ja. Die weitere Frage, ob es richtig sei, daß die Klägerin auf Kurzarbeit zu 4/10 der wöchentlichen Arbeitszeit und 4/10 Entlohnung gesetzt worden sei, wurde vom Beklagten - wenn auch nicht ausdrücklich - mit ja beantwortet. Daraufhin erklärte der Klagevertreter dem Beklagten den vorzeitigen Austritt der Klägerin. Mit Schreiben vom 13. September 1985 sprach der Beklagte der Klägerin gegenüber die fristlose Entlassung mit der Begründung aus, daß sie am Vortag ihre weitere Arbeitsleistung verweigert habe, wenn der Beklagte nicht die gemäß § 7 KV angeordnete Kurzarbeit rückgängig mache.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß weder die Anordnung der kollektivvertraglich vorgesehenen Kurzarbeit noch die Ankündigung des Beklagten, ihren Gehalt auf 4/10 zu reduzieren, die Klägerin zum vorzeitigen Austritt berechtigt habe. Die Klägerin habe jedoch ihren Gehalt für die Zeit vom 1. bis 12. September 1985 nicht erhalten und den ihr vom Beklagten angebotenen Betrag nicht angenommen; in diesem Umfang sei der Klage stattzugeben gewesen. Das Berufungsgericht bestätigte das nur von der Klägerin angefochtene Ersturteil mit einer Maßgabe und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes.

Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte mit der Erklärung, er werde auch das Entgelt der Klägerin aliquot kürzen, eine ungebührliche Schmälerung im Sinne des § 26 Z 2 AngG nicht vorgenommen habe. Weder habe die Klägerin die Zahlung des vollen Monatsbezuges für den ersten Monat der Kurzarbeit und die Zahlung eines 15 %igen Zuschlages ab dem zweiten Monat verlangt noch habe der Beklagte erklärt, daß er entgegen den Bestimmungen des Kollektivvertrages diese Zahlungen ablehne. Die bloße Besorgnis, der Beklagte werde ihr für die Dauer der Kurzarbeit nicht die vollen nach dem Kollektivvertrag zustehenden Bezüge auszahlen, habe die Klägerin nicht zum vorzeitigen Austritt berechtigt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer vollen Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Weder der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens noch der der Aktenwidrigkeit liegt vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Hingegen wendet sich die Revisionswerberin mit dem Vorwurf, das Berufungsgericht habe Feststellungen über "die Bereitschaft" des Beklagten, im ersten Monat der Kurzarbeit den vollen Monatslohn weiter zu zahlen, unterlassen, gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Dieser als Rechtsrüge aufzufassende Vorwurf ist aber unberechtigt.

Als wichtiger Grund, der den Angestellten zum vorzeitigen Austritt berechtigt, ist gemäß § 26 Z 2 AngG insbesondere anzusehen, wenn der Dienstgeber das dem Angestellten zukommende Entgelt ungebührlich schmälert und vorenthält. Wenn nun der Arbeitgeber ankündigt, nicht zahlen zu können oder zu wollen, muß der Arbeitnehmer nicht abwarten, ob diese Ankündigung auch verwirklicht wird, sondern kann sofort austreten (siehe Martinek-Schwarz AngG6, 563 mwN). Zieht man in Betracht, daß selbst eine tatsächliche Schmälerung des Entgeltes dann nicht zum sofortigen Austritt berechtigt, wenn sie auf einem entschuldbaren Irrtum des Arbeitgebers beruht (vgl. Martinek-Schwarz aaO, 563 f), müssen an eine bloße Ankündigung strenge Anforderungen gestellt werden. Es muß sich jedenfalls aus den ausdrücklichen oder schlüssigen Erklärungen des Arbeitgebers unzweifelhaft ergeben, daß er - trotz Reklamation des Arbeitnehmers - das dem Angestellten zustehende Entgelt nicht zahlen will. Daß den Erklärungen des Beklagten die unzweifelhafte Absicht zu entnehmen gewesen wäre, das für den Fall der Kurzarbeit vorgesehene Entgelt zu schmälern, hat das Berufungsgericht verneint und dabei zu Recht darauf hingewiesen, daß die Klägerin derartiges nicht einmal vorgebracht hat. Die Klägerin hat nämlich in der Klage nicht etwa behauptet, es sei bei dem dem Austritt vorangehenden Gespräch um die Erfüllung der kollektivvertraglichen Ansprüche im Falle von Kurzarbeit gegangen, sondern hat ganz im Gegenteil vorgebracht, bei diesem Gespräch sollte die Bereitschaft des Beklagten erkundet werden, das mit der Klägerin eingegangene Dienstverhältnis in der bisherigen Form aufrechtzuerhalten. Der Klagevertreter habe den Beklagten ausdrücklich gefragt, ob er nicht doch zur Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses unter Weiterzahlung des vollen Entgeltes bereit sei; der Beklagte habe dies unmißverständlich verneint. Das Berufungsgericht ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß die Klägerin eine Behauptung, sie habe den Beklagten aufgefordert, für den ersten Monat der Kurzarbeit den vollen Monatslohn zu zahlen, nicht aufgestellt hat. Aber auch dem festgestellten Sachverhalt ist zu entnehmen, daß es in diesem Gespräch in erster Linie um die Frage der Anordnung von Kurzarbeit, um die Reduktion des Entgeltes hingegen nur als notwendige Folge dieser Maßnahme ging. Das Berufungsgericht ist daher mit Recht davon ausgegangen, daß die Erklärung des Beklagten, die Klägerin sei auf Kurzarbeit zu 4/10 der bisherigen Arbeitszeit und 4/10 Entlohnung beschränkt worden, nicht dahin zu verstehen ist, der Beklagte wolle für die Klägerin nicht nur Kurzarbeit mit den damit verbundenen gehaltsrechtlichen Konsequenzen anordnen, sondern darüber hinaus auch noch das der Klägerin bei Kurzarbeit nach dem KV gebührende Entgelt schmälern.

Unberechtigt ist schließlich der Vorwurf, das Berufungsgericht sei - ohne entsprechende Beweisgrundlage - davon ausgegangen, der Beklagte habe sich von Anfang an bereit erklärt, "zuzüglich zur aliquoten Kürzung" den im KV vorgesehenen Zuschlag von 15 % zu leisten. Tatsächlich hat das Berufungsgericht aus dem Inhalt der zwischen den Streitteilen geführten Gespräche - in denen von einem solchen Zuschlag nicht die Rede war - erschlossen, daß der Beklagte die Zahlung dieses Zuschlages weder ausdrücklich noch schlüssig verweigert hat. Auch dieser Schluß ist im Hinblick auf den oben dargestellten Zweck des Gespräches durchaus berechtigt. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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