OGH 9ObA130/94(9ObA131/94)

OGH9ObA130/94(9ObA131/94)29.6.1994

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Klinger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier und Dr.Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Wolfgang Adametz und Helga Kaindl als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1.) Martin K*****, Bäckergeselle, ***** und 2.) Kurt R*****, Konditorgeselle, ***** beide vertreten durch Dr.Peter Mussi, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei V***** Brotfabrik Franz L*****, vertreten durch Dr.Franz Müller-Strobl und Dr.Robert Kugler, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen zu 1.) 80.887,95 S sA, und zu 2.) 102.017,34 S sA infolge Revision der klagenden und beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 25.März 1993, GZ 8 Ra 125, 126/92-31, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 15.Juli 1992, GZ 31 Cga 134/91-25, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Hingegen wird der Revision der klagenden Parteien Folge gegeben und das angefochtene Urteil in der Hauptsache dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wieder hergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den Klägern die mit 3.949,44 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 658,24 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Erstkläger beendete am 2.8.1989 die Bäckerlehre, der Zweitkläger beendete am 9.8.1989 die Konditorlehre erfolgreich im Betrieb des Beklagten. Nach Abschluß der Lehre waren beide Kläger beim Beklagten ohne Unterbrechung weiterbeschäftigt, wurden jedoch nicht als Bäckergesellen, sondern als Hilfskräfte entlohnt. Ein Dienstzettel wurde den Klägern nie ausgefolgt. Eine Vereinbarung über die Einstufung der Kläger als Hilfsarbeiter wurde nicht getroffen. Der Erstkläger verrichtete überwiegend Tätigkeiten eines Bäckergesellen, der Zweitbeklagte die eines Konditorgesellen. Anfang September 1990 erhielten die Kläger vom Betriebsrat eine Lohntafel ausgehändigt, an Hand der sie feststellten, daß sie falsch eingestuft waren. Die Kläger versuchten bei drei Vorsprachen, vom Beklagten die lohnmäßig richtige Einstufung und die Nachzahlung der vorenthaltenen Beträge zu erreichen. Sie wurden vom Beklagten jedoch immer wieder vertröstet. Ab 1.12.1990 wurden die Kläger aufgrund einer Betriebsvereinbarung als Gesellen eingestuft und entlohnt. Auf Nachforderungen haben die Kläger nicht verzichtet und auch niemand bevollmächtigt, für sie eine Verzichtserklärung abzugeben.

Der Erstkläger begehrt die Zahlung eines Betrages von 80.887,95 S samt 13 % Zinsen seit 15.5.1991, der Zweitkläger die Zahlung eines Betrages von 102.017,37 S samt 11 % Zinsen seit 29.5.1991. Durch die unrichtige Einstufung seien Lohndifferenzen in der Höhe der begehrten Beträge aufgelaufen. Beide Kläger hätten die Klagsforderungen übersteigende Darlehen aufgenommen, die mit dem begehrten Zinsfuß zu verzinsen seien. Darüber hinaus begehrten beide Kläger die Ausstellung von Dienstzeugnissen.

Der Beklagte begehrt die Abweisung der Klage. Zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, daß die Kläger ungeachtet des Lehrabschlusses als Hilfsarbeiter eingestellt werden; sie hätten auch tatsächlich keine Facharbeitertätigkeit ausgeübt. Die Forderungen seien nach den Bestimmungen des Rahmenkollektivvertrages verfallen, da beide Kläger während des aufrechten Dienstverhältnisses keine Ansprüche geltend gemacht hätten. Die Kläger hätten auch ausdrücklich auf die Geltendmachung irgendwelcher Forderungen verzichtet.

Das Erstgericht gab dem Begehren des Erstklägers zur Gänze sowie dem Zahlungsbegehren des Zweitklägers statt und wies lediglich das Begehren des Zweitklägers auf Ausstellung eines Dienstzeugnisses (rechtskräftig) ab. Die Kläger hätten überwiegend Gesellentätigkeiten verrichtet und seien daher als solche einzustufen und entsprechend zu entlohnen gewesen. Ein Verfall der Ansprüche nach § 22 Z 2 des Rahmenkollektivvertrages sei nicht eingetreten, weil der Beklagte seiner Verpflichtung zur Bekanntgabe der Einstufung mittels Dienstzettels nicht nachgekommen sei. Es gelte daher die dreijährige Verjährungszeit des § 1486 ABGB.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten teilweise Folge, wies das 4 % übersteigende Zinsenbegehren der Kläger ab und bestätigte das erstgerichtliche Urteil im übrigen, wobei es die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes im wesentlichen billigte. Die Kläger hätten jedoch lediglich Anspruch auf 4 % Zinsen, Anhaltspunkte für die Annahme eines groben Verschuldens des Beklagten fehlten.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß das Ersturteil wieder hergestellt werde.

Der Beklagte begehrt mit seiner auf den Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützten Revision, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Parteien beantragen jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Die Parteien haben die Möglichkeit der Anfechtung des erstgerichtlichen Urteiles in der berichtigten Fassung (siehe dazu Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 2.2.1994, 9 ObA 16, 17/94) nicht wahrgenommen. Der Überprüfung im Revisionsverfahren unterliegt daher die Entscheidung des Berufungsgerichts vom 25.3.1993, 8 Ra 125, 126/94 im Rahmen der von den Parteien dagegen erhobenen Revisionen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist berechtigt; der Revision des Beklagten kommt hingegen keine Berechtigung zu.

Zutreffend haben die Vorinstanzen den Einwand des Verfalles der Ansprüche der Kläger nicht für berechtigt erachtet. Gemäß § 11 Z 11 des Rahmenkollektivvertrages für die Nahrungs- und Genußmittelindustrie ist dem Arbeitnehmer spätestens nach dem ersten Dienstmonat die Einstufung mittels Dienstzettels bekanntzugeben. Fest steht, daß es der Beklagte unterlassen hat, den Klägern einen Dienstzettel auszufolgen, so daß diesen ihre Einstufung nicht bekannt war. Damit hat aber der Beklagte selbst die Voraussetzung, welche die Verkürzung der Verjährungsfrist zu Lasten des Arbeitnehmers rechtfertigt, nicht erfüllt. Es hat daher die Verjährungszeit des § 1486 Z 5 ABGB Platz zu greifen (Arb 10.976 = RdW 1993, 153 = ARD 4340/7/92). Daß diese Frist bei Klagseinbringung nicht abgelaufen war, steht außer Zweifel.

Nach bürgerlichem Recht kann ein über die Verzugszinsen hinausgehender Anspruch nur im Fall einer bösen Absicht oder auffallender Sorglosigkeit des Schuldners geltend gemacht werden (SZ 5/53, 47/130 ua). Die Kläger haben ihr Begehren auf Zahlung von 4 % übersteigenden Zinsen darauf gestützt, daß sie Bankkredit in einer den jeweiligen Klagsbetrag übersteigenden Höhe in Anspruch genommen hätten, der mit dem begehrten Zinssatz zu verzinsen sei, und den Beklagten an dem Verzug auffallende Sorglosigkeit zur Last falle. Daß der Zweitkläger mit Zinsen in der begehrten Höhe belastet ist, wurde vom Beklagten außer Streit gestellt (AS 180); daß der Erstkläger für einen den Klagsbetrages übersteigenden Kredit Zinsen von 13 % jährlich zu zahlen hat, hat das Erstgericht mit Berichtigungsbeschluß festgestellt.

Der Rechtsmeinung des Berufungsgerichtes, den Beklagten treffe an dem Zahlungsverzug kein grobes Verschulden, kann nicht beigetreten werden. Daraus, daß die Kläger durch längere Zeit die ihnen ausgezahlten Löhne anstandslos angenommen haben, ist für den Beklagten nichts gewonnen. Dem Beklagten war bekannt, daß es sich bei den Klägern um Facharbeiter handelte, hatten sie doch die Lehre in seinem Betrieb absolviert. Auch daß die Kläger in ihrem erlernten Beruf tätig waren, mußte dem Beklagten bekannt sein. Der Betrieb hat eine überblickbare Größe - es werden nur ca 30 Facharbeiter beschäftigt - und es ist davon auszugehen, daß dem Beklagten als Fachmann die Abgrenzung zwischen Facharbeitertätigkeit und Hilfsarbeiten geläufig ist. Die Kläger waren auch bereits im Herbst 1990 an den Beklagten mit dem Begehren auf Zahlung des kollektivvertraglichen Lohnes herangetreten. Spätestens in diesem Zeitpunkt mußte ein allfällig früher bestandener Irrtum zu Tage treten.

Daß der Beklagte die Kläger nach Abschluß der Lehrzeit mit Facharbeitertätigkeiten beschäftigte, sie aber als Hilfsarbeiter entlohnte, wobei er ihnen die Einstufung entgegen der kollektivvertraglichen Anordnung nicht offenlegte, scheint auf eine bewußte Vorgangsweise zu deuten. Jedenfalls trifft aber den Beklagten der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit an der Nichtzahlung des gebührenden Lohnes, nachdem er auch über ausdrückliche Aufforderung der Kläger zur Zahlung des kollektivvertraglich zustehenden Lohnes keine Zahlung leistete. Die Kläger haben daher Anspruch auf die 4 % übersteigenden Zinsen, die sie für das in Anspruch genommene Darlehen zu zahlen haben.

Der Beklagte erklärte wohl, das Urteil des Berufungsgerichtes seinem ganzen Inhalt nach anzufechten. Zur Frage des Dienstzeugnisses enthält die Revision jedoch keinerlei Ausführungen, so daß sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt sieht, hierauf einzugehen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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