OGH 9ObA129/06w

OGH9ObA129/06w20.12.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hradil und Dr. Spenling und die fachkundigen Laienrichter DI Walter Holzer und Mag. Gabriele Jarosch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ö*****, Landesverband *****, 4020 Linz, vertreten durch Dr. Erhard Hackl ua, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Betriebsrat des Ö*****, Landesverband *****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer und Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung nach § 54 Abs 1 ASGG, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. September 2006, GZ 11 Ra 72/06x-8, womit der Beschluss des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 24. Mai 2006, GZ 7 Cga 39/06x-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.189,44 (darin EUR 198,24 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Der klagende Landesverband begehrt gegenüber dem beklagten Betriebsrat die Feststellung, dass die Dienstverhältnisse zwischen ihm und seinen Dienstnehmerinnen in den Sparten Hauskrankenpflege, Altenfachbetreuung und Heimhilfe (Mobile Pflege und Betreuung) im Falle der Gravidität der Dienstnehmerinnen nicht dem absoluten Beschäftigungsverbot des § 4 Abs 2 Z 11 MSchG iVm § 40 Abs 4 Z 2 bis 4 ASchG unterliegen und demnach die Dienstnehmerinnen in diesen Sparten unter Beachtung der übrigen Bestimmungen des MSchG bis zu Beginn der gesetzlichen Schutzfrist des § 3 MSchG im Rahmen der Dienststellenbeschreibung beschäftigt werden dürfen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück. Gemäß § 4 Abs 1 MSchG dürften werdende Mütter keinesfalls mit schweren körperlichen Arbeiten oder in Arbeitsverfahren beschäftigt werden, die nach der Art des Arbeitsvorganges oder der verwendeten Arbeitsstoffe oder - geräte für ihren Organismus oder für das werdende Kind schädlich seien. Gemäß § 4 Abs 4 MSchG entscheide im Zweifelsfall das Arbeitsinspektorat, ob eine Arbeit unter ein Verbot der Absätze 1 bis 3 falle. Die Feststellung darüber, ob nun werdende Mütter in ihrer Tätigkeit in der Hauskrankenpflege, Altenfachbetreuung und Heimhilfe bei der klagenden Partei teilweise oder zur Gänze dem Beschäftigungsverbot unterliegen, falle daher in die Zuständigkeit des Arbeitsinspektorats, somit einer Verwaltungsbehörde. Das Rekursgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichts. Es hat dabei die Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges zutreffend verneint. Insoweit kann daher auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 528a ZPO).

Rechtliche Beurteilung

Lediglich ergänzend ist den Ausführungen des Revisionsrekurswerbers entgegenzuhalten:

Bei den Regelungen des § 4 MSchG handelt es sich um absolut zwingende Normen, welche der Parteiendisposition entzogen sind (Wolfsgruber in ZellKomm § 4 MSchG Rz 4). § 4 Abs 1 bis 3 legen in abstrakter Form fest, welche Tätigkeit für werdende Mütter potenziell gefährlich und daher verboten sind (Wolfsgruber aaO Rz 21). Da die Generalklausel des § 4 Abs 1 MSchG naturgemäß auslegungsbedürftig ist und die einzelnen Arbeitsverbote des § 4 Abs 2 nicht so eindeutig festgelegt werden könnten, dass keine Auslegungsprobleme mehr bestehen, hat das Arbeitsinspektorat gemäß § 4 Abs 4 MSchG im Zweifelsfall zu entscheiden, ob eine verbotene Arbeit nach § 4 Abs 1 bis 3 vorliegt (Knöfler MSchG 136; Ercher/Stech § 4 MSchG Rz 40). Bei dieser Entscheidung des Arbeitsinspektorats handelt es sich um einen Feststellungsbescheid, der für den Arbeitgeber verbindlich ist (Ercher/Stech aaO). Dabei kann das Arbeitsinspektorat sowohl auf Antrag des Arbeitgebers oder der schwangeren Arbeitnehmerin als auch von Amts wegen eine Entscheidung fällen (VwGH in ArbSlg 8163; Ercher/Stech aaO; Wolfsgruber aaO Rz 21). Das Arbeitsinspektorat kann eine Entscheidung für einen konkreten Einzelfall treffen, aber auch allgemein, ohne dass tatsächlich eine Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin vorliegt, die Feststellung treffen, ob eine bestimmte Tätigkeit unter § 4 MSchG fällt (Ercher/Stech aaO; Knöfler aaO 137). Die Argumentation des Klägers, dass trotz der Zuständigkeit des Arbeitsinspektorats im Einzelfall eine Feststellungsklage nach § 54 Abs 1 ASGG wegen des allgemein gehaltenen Begehrens zulässig sein müsse, kann nicht überzeugen. Aus der Bestimmung des § 4 Abs 4 MSchG ist nämlich klar abzuleiten, das immer dann, wenn ein Zweifelsfall besteht, das Arbeitsinspektorat zu entscheiden hat, ohne dass es darauf ankommen könnte, ob dies nur eine einzige Arbeitnehmerin oder eine größere Anzahl von Arbeitnehmerinnen betrifft. Eine Entscheidung durch das Gericht wäre daher ein Verstoß gegen die vom Gesetzgeber angeordnete Zuweisung dieser Agenden in die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde.

Der Kläger ist daher gehalten, eine Klärung im Verwaltungsverfahren herbeizuführen, zumal ihm dafür auch die Möglichkeit eigener Antragstellung auf Erlassung eines entsprechenden Bescheides durch das Arbeitsinspektorat eingeräumt ist. Ein abschlägiger Bescheid wäre dann im Verwaltungsrechtsweg zu bekämpfen. Den Einwand, dass der Verwaltungsrechtsweg mit den Erfordernissen des Art 6 EMRK nicht im Einklang stehe, wird der Revisionsrekurswerber vor den für den geltend gemachten Anspruch zuständigen Verwaltungsbehörden zu erheben haben. Die Zulässigkeit des ordentlichen Rechtswegs kann er mit diesem Einwand nicht bewirken (9 ObA 104/03i; 9 ObA 199/02h). Dem Revisionsrekurs war daher ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO iVm § 58 Abs 1 ASGG. Da der Kläger eine - im Rahmen des § 10 Z 6a RATG mögliche - Bewertung unterlassen hat, ist als Kostenbemessungsgrundlage der Zweifelsstreitwert nach § 14 lit a RATG heranzuziehen.

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