Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 334,66 EUR (darin enthalten 55,78 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die seit 1. 1. 2006 bei der Beklagten als Handelsangestellte beschäftigte Klägerin vereinbarte am 21. 8. 2006 folgenden „Nachtrag zum Dienstvertrag":
„1. Der Arbeitgeber ermöglicht dem Arbeitnehmer eine Aus- und/oder Weiterbildung zum Officemanager/in verbunden mit der Absolvierung folgender Ausbildungsveranstaltung: WIFI Steiermark, Kurs Nr. 30901016 vom 22. 6. 2006 bis 17. 2. 2006 (richtig wohl: 2007).
2. Der Arbeitgeber übernimmt die Kosten für die oben genannte Ausbildungsveranstaltung in der Höhe von 3.600 EUR inklusive USt exklusive Arbeitsunterlagen und Arbeitsbücher.
3. Der Arbeitnehmer bestätigt ausdrücklich, dass durch die vorgesehene Aus- und/oder Weiterbildung ein für ihn auch außerhalb des Arbeitsverhältnisses verwertbarer Vorteil (zB Verbesserung der Verdienstchancen bei Wechsel des Arbeitsplatzes) erzielt wird.
4. Endet das Arbeitsverhältnis vor Ablauf von fünf Jahren nach Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Aus- und/oder Weiterbildung durch unberechtigten vorzeitigen Austritt, berechtigte Entlassung, Nichtbestehen der Abschlussprüfung, mehrmaliges unentschuldigtes Fernbleiben von der Ausbildungsveranstaltung, Kündigung durch den Arbeitnehmer oder einvernehmliche Auflösung, verpflichtet sich der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber getragenen Gesamtkosten für die oben genannte Ausbildungsveranstaltung zurückzubezahlen. Eine Ausnahme besteht nur bei Beendigung des Dienstverhältnisses durch einen Wechsel des Firmenstandortes (außerhalb der Steiermark). Hierbei besteht keine Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitnehmers.
5. Zeiten einer Karenz nach dem Mutterschutzgesetz/Väterkarenzgesetz werden nicht auf den Zeitraum von fünf Jahren nach Erwerb der Kenntnisse und Fähigkeiten aus der Aus- und/oder Weiterbildung angerechnet und Verlängern diesen Zeitraum entsprechend."
Die Klägerin nahm vom 22. 9. 2006 bis 17. 2. 2007 an dem vereinbarten Ausbildungskurs zur Officemanagerin beim WIFI Steiermark teil. Die Ausbildungskosten in Höhe von 3.600 EUR und die Prüfungsgebühren von 128 EUR wurden von der Beklagten getragen.
Am 17. 10. 2007 kündigte die Klägerin zum 12. 12. 2007. Auf die Ansprüche für November und Dezember 2007 in Höhe von insgesamt einschließlich Sonderzahlungen 3.929,71 EUR brutto hat die Beklagte einen Betrag von 2.223,72 EUR netto bezahlt.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin den offenen Betrag von 3.929,71 EUR brutto abzüglich 2.223,72 EUR netto an Entgeltansprüchen für die Monate November und Dezember 2007 einschließlich Sonderzahlungen. Hinsichtlich der von der Beklagten eingewendeten Ansprüche aus der Ausbildungsrückersatzvereinbarung wendet sie ein, dass die Vereinbarung nichtig sei, da sie keine Aliquotierung enthalte.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und stützte sich darauf, dass sich die Klägerin im Hinblick auf die Übernahme der Kosten für die teure Ausbildungsveranstaltung verpflichtet habe, fünf Jahre im Unternehmen der Beklagten zu bleiben bzw andernfalls die Ausbildungskosten zurückzuerstatten. Im Hinblick auf den Umstand, dass die Klägerin bloß drei Monate nach erfolgreichem Abschluss der Ausbildung bereits gekündigt habe, stehe der Beklagten ein Rückersatzanspruch von 55/60stel der Ausbildungskosten von zusammen 3.728 EUR, sohin 3.417,33 EUR zu. Insoweit habe die Beklagte bereits außergerichtlich aufgerechnet.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es ging rechtlich zusammengefasst davon aus, dass die Frage des Rückersatzes der Ausbildungskosten nunmehr in § 2d AVRAG geregelt sei, der im Hinblick auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Nachtrags zum Dienstvertrag anzuwenden sei. Nach § 2d Abs 2 AVRAG sei die Vereinbarung der Rückerstattung von Ausbildungskosten nur dann zulässig, wenn auch eine Aliquotierung vereinbart sei. Nach der überwiegenden Meinung im Schrifttum bewirke die fehlende Aliquotierung die gänzliche Unwirksamkeit der Rückzahlungsvereinbarung. Die Formulierung sei hier vom Gesetzgeber offensichtlich bewusst anders als etwa in § 36 Abs 2 Z 2 zweiter Fall AngG betreffend die zeitliche Begrenzung von Konkurrenzklauseln getroffen worden.
Mangels wirksamer Gegenforderung und Aufrechnung durch die Beklagte sei daher dem Klagebegehren stattzugeben.
Das Berufungsgericht schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichts an. Es verwies auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut und die Gesetzesmaterialien. Eine geltungserhaltende Reduktion der Rückersatzpflicht mangels Aliquotierungsvereinbarung sei hier nach dem Willen des Gesetzgebers nicht möglich.
Die ordentliche Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu der hier maßgeblichen Frage, inwieweit das Fehlen einer Aliquotierungsregel in einer Ausbildungskostenrückersatzvereinbarung im Sinn des § 2d AVRAG deren Gültigkeit berühre, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht vorliege.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
§ 2d AVRAG idF BGBl I 2006/26 lautet in seinem Abs 3 wie folgt:
„(3) Eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Ausbildungskosten besteht insbesondere dann nicht, wenn:
1. Der Arbeitnehmer im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung minderjährig ist und nicht die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters des Minderjährigen dazu vorliegt;
2. das Arbeitsverhältnis nach mehr als fünf Jahren, in besonderen Fällen nach mehr als acht Jahren nach dem Ende der Ausbildung nach Abs 1 oder vorher durch Fristablauf (Befristung) geendet hat und
3. die Höhe der Rückerstattungsverpflichtung nicht aliquot, berechnet vom Zeitpunkt der Beendigung der Ausbildung bis zum Ende der zulässigen Bindungsdauer, vereinbart wird."
Nach § 879 Abs 1 ABGB ist ein Vertrag, der gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, nichtig. Der Umfang der Nichtigkeit ist nicht nach dem Parteiwillen, sondern nach dem Zweck der Verbotsnorm zu beurteilen (vgl etwa Krecji in Rummel ABGB3 § 879 Rz 250; Apathy/Riedler in Schwimann ABGB3 § 879 Rz 37; Bollenberger in KBB2 § 879 Rz 29 jeweils mwN). Es ist zu prüfen, ob die gesetzliche Anordnung des § 2d Abs 3 Z 3 AVRAG dahin zu verstehen ist, dass sie die gesamte Nichtigkeit der Rückersatzklausel erfordert, oder ob sie nur einen Mindeststandard festlegt und der Vertrag bloß insoweit unwirksam ist, als er über eine „hypothetische Aliquotierung" hinausgeht.
Fasst man die hier maßgebliche Anordnung des Gesetzgebers zusammen, so geht sie dahin, dass eine Verpflichtung zur Rückerstattung von Ausbildungskosten dann nicht besteht, wenn die Höhe der Rückerstattungsverpflichtung nicht aliquot vereinbart wird. Nach dem Wortlaut der gesetzlichen Anordnung geht es nicht darum, einen gewissen inhaltlichen Mindeststandard abzusichern, sondern darum, dass die vertragliche Vereinbarung eine formelle Qualität aufweisen muss, ohne die keine Verpflichtung besteht. Insoweit passt sich diese Regelung auch systematisch in die anderen Anordnungen des Abs 3 des § 2d AVRAG ein, weil auch bei Abschluss einer Vereinbarung mit Minderjährigen (Z 1) oder nach Ablauf von mehr als fünf bzw acht Jahren (Z 2) danach überhaupt keine Verpflichtung zur Rückerstattung der Ausbildungskosten bestehen soll.
Betrachtet man die Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung, so geht sie auf einen Abgeordnetenantrag zurück (22. GP, 605/A der Beilagen zum NR). Einleitend wird dabei auf die mobilitätshemmende Wirkung des Ersatzes von Ausbildungskosten verwiesen und auf das Bedürfnis Rechtssicherheit zu schaffen. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es bei der Regelung darum geht, Eckpunkte, bei deren Vorliegen die Vereinbarung über die Rückerstattung von Ausbildungskosten zulässig sein soll, festzulegen (vgl Vorblatt S 4 des Antrags). Die Überlegungen hinsichtlich der mobilitätshemmenden Wirkung und der fehlenden Rechtssicherheit werden auch im Ausschussbericht (1215 der Beilagen des NR der 22. GP) einleitend genannt und auf die Bedeutung der Transparenz hingewiesen.
Vor dem Hintergrund der Absicht des Gesetzgebers, die mobilitätshemmende Wirkung von Ausbildungskostenrückersatzklauseln ohne Aliquotierung möglichst zu vermeiden, macht es auch Sinn, eine völlige Unwirksamkeit der Rückersatzklausel vorzusehen, wenn keine Aliquotierung festgelegt wird. Könnten sich doch viele Arbeitnehmer durch die unvermindert dargestellte gesetzwidrige Rückersatzverpflichtung und die damit bewirkte Rechtsunsicherheit abhalten lassen, zu einem anderen Arbeitgeber zu wechseln.
Da also sowohl die wörtliche als auch die systematische und die historische Interpretation ergeben, dass es der Wille des Gesetzgebers ist, Rückersatzklauseln, die überhaupt keine Aliquotierung vorsehen, als zur Gänze unwirksam einzustufen, um die Vereinbarung solcher besonders mobilitätshemmender Klauseln möglichst zu verhindern, ist hier von der gänzlichen Unwirksamkeit der Rückersatzklausel auszugehen. Dies entspricht auch der weit überwiegenden Ansicht der Lehre und im Schrifttum (vgl Schrank, Arbeitsrecht und Sozialversicherungsrecht 60/X; Schindler in Mazal/Risak [Hrsg], Das Arbeitsrecht II, Kapitel 20, 68; Reissner/Preiss, Die Neuerungen im Recht der Konkurrenzklausel und Ausbildungskostenklausel DRdA 2006, 183 ff; Neubauer/Rath, Nochmals zu den Neuerungen bei der Konkurrenzklausel und beim Ausbildungskostenrückersatz, ASok 2007, 46 ff; anderer Ansicht Oberhofer, Ausbildungskostenrückersatz und Konkurrenzklausel Neu Überlegungen zu den gesetzlichen Neuregelungen des § 2d AVRAG und § 36 AngG, ZAS 2006/24).
Insgesamt war daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 2 ASGG, 50 und 41 ZPO.
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