OGH 9ObA120/92

OGH9ObA120/928.7.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr.Gamerith und Dr.Petrag sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr.Monika Angelberger und Paul Binder als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei L***** W***** I***** T***** AG, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei T***** B*****, Angestellter, ***** vertreten durch *****, Rechtsanwalt *****, wegen 210.000 S netto sA (Revisionsinteresse 110.000 S netto und 46.654 S brutto) infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Soziagericht vom 4.Februar 1992, GZ 5 Ra 10/92-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 27. September 1991, GZ 44 Cga 277/90-14, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird nicht Folge gegeben.

Der Revision der beklagten Partei wird hingegen Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 12.452,40 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 2.075,40 S Umsatzsteuer) sowie die mit 13.412,64 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 3.000 S Barauslagen und S 1.735,44 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 18. September 1965 geborene Beklagte legte im Juni 1987 an der Handelsakademie in Wörgl die Matura ab. Ausgenommen eine nicht die Branche der klagenden Partei betreffende Ferialarbeit hatte der Beklagte vor Aufnahme seiner Tätigkeit bei der klagenden Partei keinerlei Berufserfahrung. Dem Beklagten war der Begriff der Konkurrenzklausel aufgrund seiner schulischen Ausbildung im Arbeitsrecht geläufig. Bereits vor Ablegung der Matura wurde das Arbeitsverhältnis mit der klagenden Partei angebahnt.

Die klagende Partei sandte dem Beklagten ein mit 3. März 1987 datiertes Schreiben, welchem der Anstellungsbrief und gesondert eine Vereinbarung über die Konkurrenzklausel angeschlossen waren.

Der Anstellungsbrief lautete auszugsweise wie folgt:

"Sehr geehrter Herr B*****!

Mit gegenständlichem bestätigen wir, daß Sie am 1. Juli 1987 als Angestellter in unserem Unternehmen eintreten können.

Als Bruttogehalt haben wir folgendes vereinbart:

Die ersten acht Monate 12.500 S pro Monat

ab dem 9. Monat garantieren wir Ihnen mindestens 13.000 S pro Monat,

ab dem 13. Monat garantieren wir Ihnen mindestens 13.500 S pro Monat.

Das Gehalt wird 14-mal jährlich zur Auszahlung gebracht. ... Für

dieses Dienstverhältnis wurde eine Konkurrenzklausel mit separatem

Schreiben vereinbart. ... Wir weisen darauf hin, daß wir nur an einer

Mitarbeit auf lange Sicht interessiert sind. ..."

Die Vereinbarung über die Konkurrenzklausel lautet wie folgt:

"Konkurrenzklausel

In Ergänzung zum Anstellungsbrief Punkt "Konkurrenzklausel" verpflichte ich mich der Firma L*****-W*****,I***** T*****, gegenüber, innerhalb eines Jahres nach Beendigung des Dienstverhältnisses weder einen Posten im Speditions- und (oder Transportgewerbe) anzunehmen, noch mich an einem Speditions- und (oder) Transportgewerbe zu beteiligen, noch selbst ein solches auszuüben.

Das Zuwiderhandeln gegen die Konkurrenzklausel gemäß § 36 AngG berechtigt L*****-W*****, den vollen Ersatz jedes wie immer der Firma erwachsenen Schadens, der durch die Verletzung der Konkurrenzklausel entstanden ist, zumindest jedoch die Bezahlung einer Konventionalstrafe (gemäß § 37 AngG) in Höhe des Zehnfachen des letzten Monatsbruttobezuges von mir zu begehren.

Ich erkläre ausdrücklich, daß diese Konkurrenzklausel keine unbillige Erschwerung meines Fortkommens darstellt, daß ich die Angemessenheit der Konventionalstrafe anerkenne und daß ich diese Vereinbarung gelesen, verstanden und freiwillig anerkannt habe."

Der Beklagte, der sich hinsichtlich der Konkurrenzklausel nochmals in der Handelsakademie Wörgl informiert hatte, unterfertigte die beiden Schriftstücke und trat am 1. Juli 1987 seinen Dienst bei der klagenden Partei an.

Dort war er vorest im England-Verkehr zur Einschulung eingesetzt, anschließend im Italien-Deutschland-Verkehr, wobei der Beklagte für den Verkehr von bzw nach Süditalien und sodann von bzw nach Norditalien zuständig war. Nach einem einjährigen Einsatz im Containerverkehr übernahm der Beklagte in den letzten vier oder fünf Monaten seines Dienstverhältnisses das Gebiet Süddeutschland-Süditalien als Leiter einer sogenannten "Area". Im Zuge seiner Tätigkeit absolvierte der Beklagte auch Einschulungen in der Zentrale der klagenden Partei in Wien und Baden, ferner erhielt er eine Sprachausbildung in Italienisch und Spanisch. Der Spanisch-Kurs fand im Mai 1990 in Salamanca statt. Die Kosten dieses Kurses von 40.000 S trug die klagende Partei.

Dem Beklagten wurde als einem von 10 weiteren Leitern einer Area eine Prämienvereinbarung angeboten, die am 24. Februar 1989 auch tatsächlich abgeschlossen wurde und die im wesentlichen wie folgt lautet:

"... Wir teilen Ihnen mit, daß wir Sie mit Wirkung vom 1. Jänner 1989 am Ergebnis der Niederlassung Kufstein bzw des nachstehend spezifizierten Teilbereiches der Niederlassung in folgender Weise beteiligen:

Ihre Gesamtprämie setzt sich zusammen aus:

1. einem Anteil von 0,20 am Nettoertrag der Niederlassung Kufstein des jeweiligen Verrechnungsjahres, zuzüglich

2. einer Beteilung am Nettoertragszuwachs des Teilbereiches Nord-Süd/Süd-Nord im Verband Kufstein. Vom jeweiligen jährlichen Nettoertragszuwachs dieses Bereiches sind grundsätzlich 33 % als Gesamtsumme für den Bereichausschüttungsfähig, wobei sich Ihre Beteiligung nach dem derzeitigen Stand auf 6 % des ausschüttungsfähigen Betrages beläuft.

Parallel dazu garantieren wir Ihnen eine jährliche Mindestprämie in Höhe von 36.000 S brutto, die auch für die Folgejahre bis auf weiteres gilt und dann zu Abrechnung gelangt, falls die tatsächliche Prämie des jeweiligen Verrechnungjahres nicht diesen Garantiebetrag übersteigen sollte. ...

Die Errechnung der Prämie wird in dem dem Geschäftsjahr folgenden Jahr vorgenommen, sobald die diversen Borderau in den Abteilungen abgeschlossen werden konnten. ...

Wir weisen ausdrücklich darauf hin, daß es sich bei der gegenständlichen Prämie um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche finanzielle Zuwendung unserer Firma handelt, die nicht als Teil des Gehaltes anzusehen ist und deshalb zB auch nicht für die Berechnung des gesetzlich vorgeschriebenen 13. und 14. Gehaltes oder bei einer eventuellen Abfertigung geltend gemacht werden kann, sowie auf den Umstand, daß diese Prämienvereinbarung jeweils nur auf ein Jahr gilt und jährlich neu vergeben wird. ..."

Im Jahre 1990 wurde eine derartige Prämie an alle Mitarbeiter, die eine solche Prämienvereinbarung abgeschlossen hatten, ausgezahlt, nur an den Beklagten nicht. Die aliquote Prämie für das Jahr 1990 bis zum Ausscheiden des Beklagten hätte brutto 46.654 S betragen.

Am 31. August 1990 wurde dem Beklagten von seinem Vorgesetzten mitgeteilt, daß er ab dem darauffolgenden Monat in der Spanienabteilung arbeiten sollte. Der Beklagte entgegnete, er würde diese Entscheidung nicht klug finden, da er seit vier Monaten den Bereich Süddeutschland-Süditalien übernommen habe und er sich in diesem Bereich gerade erst eingearbeitet habe. Es entwickelte sich dann eine längere Diskussion, in der sich der Beklagte vergeblich gegen die Versetzung wehrte. Bei der Einstellung war dem Beklagten nicht versprochen worden, er müsse nur im Geschäft Deutschland-Italien arbeiten; der Beklagte mußte vielmehr damit rechnen, versetzt zu werden.

Da trotz Widerstandes des Beklagten an seiner Versetzung festgehalten worden war, überlegte sich der Beklagte zu Hause sein weiteres Vorgehen. Dabei erinnerte er sich, daß vor ca zweieinhalb Jahren ein früherer Disponent der H***** Transporte Gesellschaft mbH & Co KG (im folgenden Firma H*****) gegenüber dem Beklagten - ebenso wie gegenüber anderen Mitarbeitern der klagenden Partei - die Bemerkung gemacht hatte, wenn der Beklagte nicht mehr wolle, könne er zur Firma H***** kommen. Der Beklagte nahm sodann Kontakt mit der Firma H***** auf und erhielt eine Anstellungszusage. Daraufhin kündigte der Beklagte das Dienstverhältnis zur klagenden Partei zum 30.September 1990 auf.

Mit Schreiben vom 1.Oktober 1990 erklärte die klagende Partei, daß sie diese Kündigung mit Bedauern zur Kenntnis genommen habe und hoffe, daß es nicht nur eine Trotzreaktion gewesen sei. Weiters wies die klagende Partei den Beklagten in diesem Schreiben auf die Konkurrenzklausel hin und gab bekannt, daß auf deren exakter Einhaltung bestanden werde.

Ca. zwei Wochen nach seiner Kündigung, jedenfalls ab 1.Oktober 1990, nahm der Beklagte eine Tätigkeit bei der Firma H***** auf. Die Anstellung erfolgte jedenfalls auch wegen der Ausbildung des Beklagten bei der klagenden Partei.

Der Beklagte war allerdings zu Beginn seiner Tätigkeit bei der Firma H***** nicht mit Dispositionstätigkeiten, sondern mit dem gesamten Management des Unternehmens beschäftigt. Dieses Unternehmen fährt hauptsächlich die Route Italien - Deutschland. 30 % des Umsatzes wird im Gebiet Süddeutschland - Süditalien erzielt. Während bis zum Frühjahr-Frühsommer die klagende Partei mit der Firma H***** beträchtliche Umsätze erzielte, änderte sich ab Sommer-Herbst 1990 dieses Bild wesentlich. Die Umsätze, die vorher zwischen 1,8 bis 3,5 Mio S pro Monat lagen, betrugen im Oktober 1990 nur mehr 347.800 S, im November und Dezember 1990 wurde keinerlei Umsatz mehr erzielt. Im Jänner 1991 betrug der zwischen der Firma H***** und der klagenden Partei erzielte Umsatz 236.500 S und stieg dann bis auf 1,5 Mio S im Juni 1991. Da das Jahr 1990 eines der schlechtesten Jahre für das Transportgewerbe überhaupt war, war die Firma H***** dazu übergegangen, unter Ausschaltung der klagenden Partei als Vermittlerin selbst Kunden anzusprechen, womit ihr Gewinn etwas größer wurde. Nach dem Ausscheiden des Beklagten aus dem Betrieb der Klägerin wurden die Mitarbeiter der Firma H***** angewiesen, von der klagenden Partei keine Ladungen mehr zu entgegenzunehmen. Seitens der Firma H***** war man der Ansicht, daß die klagende Partei für die Transporte zuwenig zahle. Weiters war der Inhaber der Firma H***** verärgert, weil von der klagenden Partei dem Beklagten nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei der Firma H***** ausdrücklicht mitgeteilt worden war, daß die klagende Partei die Konkurrenzklausel zur Anwendung bringen würde. Als der Beklagte sein Arbeitsverhältnis zur Klägerin aufkündigte und ein neues Arbeitsverhältnis zur Firma H***** einging, nahm er das Risiko, aus der ihm bekannten Konkurrenzklausel in Anspruch genommen zu werden, in Kauf.

Bei der Firma H***** bezieht der Beklagte ein monatliches Grundgehalt von 23.000 S, dazu Überstundengrundlöhne und Zuschläge für 34 Überstunden monatlich, woraus sich ein Bruttogehalt von 30.806 S (21.098 S) S netto) ergibt. Eine Prämienbeteiligung erhält der Beklagte bei der Firma H***** nicht.

Der Beklagte hat keine Sorgepflichten, jedoch diverse Belastungen an Krediten, Versicherungen und Bausparverträgen zu tragen. Insbesondere ist der Beklagte mit Rückzahlungen aus einem Kredit von 130.000 S für Anschaffung eines PKW belastet. Diesen PKW benötigt der Beklagte, weil es für ihn infolge der schlechten Zugsverbindungen von seinem Wohnort nach Kufstein schwer möglich war, mit einem öffentlichen Verkehrsmittel zur Arbeit zu fahren. Weiters war der Beklagte mit Rückzahlungen für einen Kredit von 48.800 S belastet, der zur Finanzierung eines Motorrades diente.

Neben den Versicherungsprämien für die beiden Fahrzeuge ist der Beklagte mit Prämien für eine private Unfallversicherung, eine private Krankenversicherung und eine Lebensversicherung belastet.

Da dem Beklagten die Preisgestaltung der klagenden Partei in den von ihm bearbeiteten Gebieten bekannt war, konnte er sich ausrechnen, welche Preise die Firma H***** bei einem Direktanbot an die Kunden bieten mußte. Durch den Wechsel des Beklagten zur Firma H***** standen der Klägerin plötzlich 20 bis 30 LKW weniger zur Disposition. Es war ein betriebsinterner Mehraufwand notwendig, um die Lücke aufzufüllen.

Die Höhe des Schadens, den die klagende Partei durch den Wechsel des Beklagten zur Firma H***** erlitten hat, läßt sich nicht feststellen. Weiters konnte nicht festgestellt werden, daß der Beklagte der klagenden Partei Kunden abgeworben hat.

Zuletzt bezog der Beklagte ein monatliches Grundgehalt von 21.000 S brutto. Weiters erhielt er im Jahre 1989 eine Jahresprämie von 156.537,80 S brutto.

Die klagende Partei begehrt den Betrag von 210.000 S sA als Konventionalstrafe wegen Verletzung der Konkurrenzklausel durch den Beklagten. Im Hinblick auf den starken Konkurrenzdruck sei die klagende Partei bemüht, entsprechend qualifizierte Personen anzustellen und habe Interesse nur an längerfristiger Mitarbeit. Der Beklagte habe im Zuge seiner Tätigkeit bei der klagenden Partei umfangreiche Kenntnisse im Transportgewerbe erworben und verfüge insbesondere auch über interne Informationen aus dem Betrieb der klagenden Partei. Der Beklagte sei zuletzt als Verantwortlicher der Area Süddeutschland - Süditalien eigenverantwortlich tätig gewesen und sei der einzige Mitarbeiter der Deutschlandabteilung mit Fremdsprachenkenntnissen und gutem Fachwissen gewesen. Der Beklagte hätte Leiter der Abteilung Deutschland-Spanien-Deutschland werden sollen, wozu er auch einen Spaniensprachkurs absolviert habe. Nach Erwerb dieser Kenntnisse sei der Beklagte offensichtlich aus rein finanziellen Gründen zum Konkurrenzunternehmen H***** übergewechselt. Eine andere Tätigkeit außerhalb des Transportgewerbes, etwa im Bankenbereich, wäre dem Beklagten offengestanden. Die bei der klagenden Partei erworbenen Kenntnisse setze der Beklagte bei der Firma H***** ein, wodurch die klagende Partei einen derzeit nicht exakt abschätzbaren Schaden erleide. Die klagende Partei habe mit der Firma H***** in den früheren Jahren Geschäfte abgeschlossen. Im Jahre 1989 sei ein durchschnittlicher Monatsumsatz von 3,2 Mio S erzielt worden. Seit dem Wechsel des Beklagten führe die Firma H***** keine Transporte für die klagende Partei mehr durch. Im Rahmen der Tätigkeit bei der Firma H***** habe der Beklagte der klagenden Partei Kunden abgeworben, insbesondere die Firmen S***** und St***** sowie den Frächterbtrieb St*****. Da eine Konventionalstrafe unter Zugrundelegung eines durchschnittlichen Monatsbezuges von 34.000 S (21.000 S Grundgehalt zuzüglich 13.000 S Prämie) zur Existenzvernichtung des Beklagten führen würde, werde nur ein Teilbetrag von 210.000 S geltend gemacht. Im Jahre 1990 habe der Beklagte eine Prämie nicht mehr erzielen können, weil es für das gesamte Frächtergewerbe ein schlechtes Jahr gewesen sei. Er habe daher nur einen monatlichen Bruttobezug (inklusive garantierter Prämie) von 24.000 S erhalten.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, daß finanzielle Gründe nicht ausschlaggebend für den Wechsel zur Konkurrenz gewesen seien. Der Beklagte habe bereits auf ein länger bestehendes Anbot der Firma H***** reagiert. Der Verdienst des Beklagten bei der Firma H***** sei wesentlich niedriger als der bei der klagenden Partei. Im übrigen bewirke die Konkurrenzklausel eine unbillige Erschwerung des Fortkommens des Beklagten. Nach dem Schulbesuch habe er bei der klagenden Partei seine erste Stelle angetreten. Im Banken- und Versicherungswesen hätte der Beklagte höchstens 10.000 bis 11.000 S netto verdienen können. Zum Zeitpunkt der Unterfertigung der Konkurrenzklausel habe dem Beklagten jegliche Berufserfahrung gefehlt. Nach der Konkurrenzklausel habe der Beklagte für die Dauer eines Jahres keinen Posten im Speditions- und Transportgewerbe antreten dürfen, wodurch er seine Kenntnisse und Berufserfahrungen hätte brachliegen lassen müssen. Der Aufgabenbereich des Beklagten bei der Firma H***** sei ein anderer als bei der klagenden Partei; eine Wissensverwertung zum Nachteil der klagenden Partei finde nicht statt. Die klagende Partei habe durch das Ausscheiden des Beklagten keinen Schaden erlitten; andererseits würde der begehrte Betrag den Beklagten in massive finanzielle Schwierigkeiten bringen, weil er im Hinblick auf diverse Verpflichtungen Fixkosten von monatlich 9.000 S habe. Grund für die Beendigung der Tätigkeit der Firma H***** für die klagende Partei sei nicht der Wechsel des Beklagten, sondern der Umstand gewesen, daß die klagende Partei der Firma H***** weniger gezahlt habe als andere Speditionen.

Aufrechnungsweise wandte der Beklagte seinen Anspruch auf anteilige Prämie für das Jahr 1990 von 117.000 S ein.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 100.000 S netto, die Gegenforderung mit 46.654 S brutto fest, verpflichtete den Beklagten zur Zahlung des Differenzbetrages und wies das Mehrbegehren von 110.000 S netto und 46.654 S brutto sA ab. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Konkurrenzklausel gültig vereinbart worden sei und daß der Beklagte im Anschluß an die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der klagenden Partei in deren Geschäftsbereich tätig geworden sei. Das Fortkommen des Beklagten sei durch die Konkurrenzklausel nicht unbillig erschwert worden, wenn man das Alter des Beklagten, seine mangelnden Sorgepflichten und seine Mobilität berücksichtige. Dazu komme noch, daß sich der Beklagte nicht einmal bemüht habe, einen Arbeitsplatz bei einem branchenfremden Arbeitgeber zu erlangen. Bei Bemessung der Höhe der Konventionalstrafe sei von dem zuletzt bezogenen Bruttomonatsgehalt von 21.000 S auszugehen. Im Hinblick auf die erheblichen Verpflichtungen des Beklagten - auch wenn man die Anschaffung des Motorrades außer acht lasse - sei die Konventionalstrafe auf 100.000 S zu mäßigen. Die Prämienvereinbarung habe auch für das Jahr 1990 Gültigkeit; jedenfalls stünde dem Beklagten die aliquote Prämie in der von der klagenden Partei selbst errechneten Höhe zu.

Das Berufungsgericht gab der nur von der klagenden Partei erhobenen Berufung teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß die Klagsforderung mit 140.000 S netto, die Gegenforderung wie bisher mit 46.654 S brutto festgestellt und der Differenzbetrag zuerkannt sowie das Mehrbegehren abgewiesen wurde.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß der Beklagte nicht bewiesen habe, daß der klagenden Partei durch die Verletzung der Konkurrenzklausel ein die Höhe der bedungenen Konventionalstrafe nicht erreichender Schaden entstanden sei, so daß dieses Mäßigungskriterium nicht herangezogen werden könne. Bemessungsgrundlage für die Konventionalstrafe sei laut Vereinbarung der "letzte Monatsbezug", während im gleichzeitig abgeschlossenen Anstellungsvertrag der Begriff "Bruttogehalt" verwendet werde. Der Begriff des Bezuges sei umfassender als der des Gehaltes, der im allgemeinen nur das Grundgehalt ohne Zulagen umfasse. Berücksichtige man den gleichzeitig abgeschlossenen Anstellungsvertrag, in dem ein 14-mal jährlich auszuzahlendes Bruttogehalt genannt wurde, habe der Beklagte den weiteren Begriff des Bezuges nur dahin verstehen können, daß auch die Sonderzahlungen einzubeziehen seien. Die Prämienvereinbarung sei zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt abgeschlossen worden; bei Vereinbarung der Konventionalstrafe sei eine allfällige Prämie nicht einmal andeutungsweise erwähnt worden. Die Prämie sei daher nicht in die Bemessungsgrundlage für die Konventionalstrafe einzubeziehen. Der Bemessung der Konventionalstrafe sei ein Betrag von 24.500 S als Monatsbezug zugrundezulegen.

Bei Mäßigung der Konventionalstrafe sei nicht nur die Höhe des dem Arbeitgeber entstandenen Schadens zu berücksichtigen, sondern auch die Verhältnismäßigkeit der Strafe, die wirtschaftlichen oder sozialen Verhältnisse des Arbeitnehmers, insbesondere seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Art und Ausmaß des Verschuldens an der Vertragsverletzung. Im Rahmen der Mäßigung sei aber auch zu berücksichtigen, daß die Konkurrenzklausel räumlich überhaupt nicht beschränkt worden sei, obwohl nur die Niederlassung der klagenden Partei in Kufstein involviert gewesen sei und sich die Tätigkeit des Beklagten nur auf Transportaufträge aus dem süddeutschen Raum nach Süditalien (und umgekehrt) erstreckt habe. Auch die teilweise Unwirksamkeit der gesicherten Konkurrenzklausel sei im Rahmen der Mäßigung der Konventionalstrafe zu berücksichtigen. Weiters sei dem Beklagten ein beträchtliches Verschulden an der Vertragsverletzung anzulasten; er habe nicht einmal den Versuch unternommen, einen Arbeitsplatz in einer anderen Branche zu erlangen, habe die Tätigkeit beim Konkurrenzunternehmen fast ohne zeitliche Unterbrechung aufgenommen und sei von der klagenden Partei gewarnt worden, eine solche Tätigkeit aufzunehmen. Daß der Beklagte seine zweifellos erworbenen Spezialkenntnisse brachliegen lassen müsse, könne der klagenden Partei nicht zum Nachteil gereichen, weil der Beklagte diese Kenntnisse ausschließlich bei ihr erworben habe. Was die finanziellen Belastungen des Beklagten betreffe, seien die durch den Kauf des Motorrades bedingten Aufwendungen zur Gänze außer acht zu lassen. Dasselbe gelte für die Zusatzkrankenversicherung und Zahlungen im Rahmen eines Bausparvertrages und einer Lebensversicherung. Die Auslagen für die Haltung eines PKW seien von der klagenden Partei selbst als berücksichtigungswürdig zugestanden worden. Ziehe man noch in Betracht, daß die klagende Partei in den Beklagten Ausbildungskosten von rund 40.000 S investiert habe, sei eine Mäßigung auf 140.000 S angemessen.

Die Prämie habe den Zweck gehabt, die Mitarbeiter der klagenden Partei zu belohnen; ein Widerruf sei von der klagenden Partei nicht einmal behauptet worden. Darüber hinaus werde der Widerrufsvorbehalt durch den Hinweis, daß die garantierte Mindestprämie bis auf weiteres auch für die Folgejahre gelten solle, relativiert. Da die klagende Partei im Jahre 1990 an alle übrigen Mitarbeiter, denen wie dem Beklagten eine solche Prämienzusage erteilt worden war, entsprechende Prämien ausgeschüttet habe, sei von der Weitergeltung dieser Vereinbarung für das Jahr 1990 auszugehen, so daß auch der Beklagte für dieses Jahr Anspruch auf die aliquote Prämie habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Revisionen beider Parteien. Die klagende Partei macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Klagestattgebung abzuändern. Der Beklagte macht als Revisionsgrund gleichfalls unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils abzuändern. Hilfsweise wird von beiden Revisionswerbern ein Aufhebungsantrag gestellt.

Beide Parteien beantragen, jeweils der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Nur die Revision des Beklagten ist berechtigt.

1. Zur Klagsforderung:

Rechtliche Beurteilung

Daraus, daß ein bestimmter Schaden nicht erwiesen wurde, kann die beklagte Partei kein Argument gegen die Mäßigung der vereinbarten Konventionalstrafe gewinnen. Im Hinblick auf die Unzumutbarkeit des Negativbeweises und die mangelnde Beweisnähe des beklagten Arbeitnehmers (siehe Fasching ZPR 2 Rz 883), ist eine Beweispflicht des Arbeitnehmers jedenfalls dann nicht vertretbar, wenn man daraus folgern würde, die Konventionalstrafe sei nicht zu mäßigen, weil nicht erwiesen sei, daß der tatsächliche Schaden geringer gewesen sei. Dies würde das in § 38 AngG ausdrücklich vorgesehene Mäßigungsrecht weitgehend illusorisch machen. Der Oberste Gerichtshof folgt daher für jene Fälle, in denen die Höhe des tatsächlich erlittenen Schadens wie im vorliegenden Fall nicht erwiesen wurde, der Ansicht Steinbauers in der Besprechung der Entscheidung DRdA 1984, 150 (157 f), wonach in einem solchen Fall lediglich der wirkliche Schaden als Mäßigungskriterium unberücksichtigt zu bleiben hat.

Soweit die klagende Partei die Ansicht vertritt, dem Beklagten falle nicht bloß ein geringes Verschulden zur Last, ist ihr zu erwidern, daß der Beklagte keineswegs zielstrebig auf den Arbeitgeberwechsel hingearbeitet hat; die Entscheidung des Beklagten erfolgte vielmehr spontan und wurde durch eine gegen seinen Willen erfolgte Versetzung auf einen anderen Arbeitsplatz veranlaßt.

Zu Recht hat das Berufungsgericht ferner die fehlende räumliche Begrenzung der Konkurrenzklausel im Rahmen der Mäßigung berücksichtigt, weil nicht auszuschließen ist, daß der Beklagte eine örtlich beschränkte Konkurrenzklausel, die ihm die Verwertung seiner Kenntnisse nicht unmöglich gemacht hätte, eingehalten hätte.

Entgegen der Ansicht der klagenden Partei kann dem Beklagten weiters

daraus, daß er einen mit erheblichem Absinken des Verdienstes

verbundenen Wechsel in den Banken- oder Versicherungsbereich nicht vorgenommen hat, kein Vorwurf gemacht werden, zumal er dort die im Speditionswesen erworbenen Fachkenntnisse nicht hätte verwerten können und als Anfänger ohne spezifische Berufserfahrung hätte beginnen müssen. Ob es dem Beklagten bei äußerster Einschränkung seiner Lebensführung auf Befriedigung der notwendigsten Bedürfnisse möglich gewesen wäre, auch mit dem vergleichsweise geringen Anfangsgehalt bei einer Bank oder Versicherung das Auslangen zu finden, ist entgegen der Ansicht der klagenden Partei für die Beurteilung der Zumutbarkeit eines Berufswechsels nicht von wesentlicher Bedeutung.

Die Bemessungsgrundlage hat das Berufungsgericht nicht zu niedrig, sondern zu hoch angesetzt.

Zutreffend ist es davon ausgegangen, daß die erst später vereinbarte freiwillige und von der klagenden Partei ausdrücklich nicht als Teil des Gehaltes bezeichnete Prämie mangels ausdrücklicher oder konkludenter Vereinbarung nicht einzubeziehen ist.

Zu Recht wendet sich hingegen der Beklagte gegen die Ansicht des Berufungsgerichtes, daß unter einem Monatsbezug als Bemessungsgrundlage für die Konventionalstrafe nicht nur das Monatsgehalt, sondern auch die anteiligen Sonderzahlungen zu verstehen seien. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß die Vereinbarung von der klagenden Partei formuliert wurde, so daß Unklarheiten gemäß § 915 Satz 2 ABGB zu ihren Lasten gehen. Darüber hinaus hat die klagende Partei selbst nie geltend gemacht, daß die Sonderzahlungen in die Bemessungsgrundlage einzubeziehen seien.

Berücksichtigt man die vom Erstgericht zutreffend mit 21.000 S monatlich angenommene Bemessungsgrundlage, dann ist jedenfalls die Mäßigung auf den vom Erstgericht aus dem Titel der Konventionalstrafe zuerkannten Betrag von 100.000 S netto gerechtfertigt, wobei noch zu berücksichtigen ist, daß auch die Dauer der dem Beklagten mit der Konkurrenzklausel auferlegten Beschränkung unangemessen war, da es ihm auch dann, wenn man der klagenden Partei ein erhebliches Interesse an der Einhaltung der Vereinbarung zubillige, jedenfalls unzumutbar war, seine Fachkenntnisse für ein ganzes Jahr brach liegen zu lassen.

2. Zur Gegenforderung des Beklagten:

Da die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes diesbezüglich zutrifft, genügt es, auf ihre Richtigkeit hinzuweisen (§ 48 ASGG).

Ergänzend sei noch auszuführen, daß ein Widerruf der Prämienvereinbarung nur gegenüber dem Beklagten auch aus dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgrundsatzes unwirksam gewesen wäre, weil der Beklagte damit gegenüber der Mehrheit der vergleichbaren Arbeitnehmer diskriminiert worden wäre.

Das Berufungsgericht ist schließlich zu Recht im Hinblick auf den Abzug der Gegenforderung von 46.654 S brutto von der geltend gemachten Klagsforderung von einer Abweisung des Klagebegehrens in dieser Höhe und einem entsprechenden Unterliegen der klagenden Partei ausgegangen.

Der Revision der klagenden Partei war daher ein Erfolg zu versagen, hingegen war der Revision der beklagten Partei Folge zu geben und das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils in der Hauptsache abzuändern.

Bei der Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz war auf die wegen Wiederherstellung des Ersturteils wieder aktuelle Bekämpfung der Kostenentscheidung im Rahmen der von der klagenden Partei erhobenen Berufung Bedacht zu nehmen (Fasching Kommentar III 354; JBl 1978, 433; 9 Ob A 120/90 ua). Die Kostenrüge ist allerdings nicht berechtigt. Wie das Erstgericht zutreffend erkannt hat, konnte die klagende Partei nicht davon ausgehen, daß die relativ hohe Konventionalstrafe ohne jede Mäßigung zuerkannt werde; die Konventionalstrafe wurde schließlich mit weniger als der Hälfte des geltend gemachten Betrages bemessen und auch dieser Betrag um die berechtigte, ermessensunabhängige Gegenforderung des Beklagten erheblich gemindert. Unter diesen Umständen hat das Erstgericht zu Recht von der ihm mit § 43 Abs 2 ZPO eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht, sondern den Kostenersatz nach § 43 Abs 1 ZPO beurteilt.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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