Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S
22.455 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 3.742,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 6.11.1947 geborene Kläger, der gemäß Bescheid des Landesinvalidenamtes für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12.11.1993 ab 14.10.1993 mit einem Behinderungsgrad von 50 % dem Kreis der begünstigten Behinderten angehört, wurde vom Dienstgeber mit Schreiben vom 5.11.1993 zum 15.2.1994 gekündigt. Der Antrag der Beklagten auf nachträgliche Zustimmung zur Kündigung oder auf Zustimmung zur einer in Zukunft auszusprechenden Kündigung wurde mit Bescheid des Behindertenausschusses für das Bundesland Wien beim Bundessozialamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland abgewiesen. Dieser Bescheid wurde von der Berufungskommission beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales bestätigt. Im Verfahren auf Feststellung der Behinderung hatte die beklagte Partei weder Parteinoch Beteiligtenstellung.
Der Kläger begehrt die infolge der unwirksamen Kündigung aus dem aufrecht bestehenden Dienstverhältnis zustehenden Ansprüche.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehens. Mangels Parteistellung der Beklagten im Verfahren zur Feststellung der Behinderung des Klägers sei der Umstand, daß der Kläger lediglich eine Behinderung von 30 % aufweise, nicht erörtert worden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.
In seiner rechtlichen Begründung führte es aus, daß eine Kündigung ohne vorherige Zustimmung des Behindertenausschusses rechtsunwirksam sei und dem Kläger daher die aus dem sohin aufrecht bestehenden Dienstverhältnis entstandenen Ansprüche zustehen.
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte aus, daß dem Dienstgeber im Feststellungsverfahren gemäß § 14 Abs 2 BEinstG keine Parteienstellung zukomme. Infolge der Tatbestandswirkung dieses Bescheides sei auch die beklagte Partei an die Tatbestandsfolge gebunden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das Klagebegehren in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger stellt den Antrag, der Revision keine Folge zu geben.
Die Revision ist nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsprechung hat bereits im Anschluß an die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes VfSlg 11.934 = ZAS 1990, 137 [Stolzlechner] den Ausschluß des Arbeitgebers von der Parteistellung im Verfahren auf Zuerkennung der Behinderteneigenschaft als sachlich gerechtfertigt angesehen (Ernst/Haller, BEinstG Rz 10 zu § 14; Arb 11.241). Die Entscheidung, ob eine Behinderung gegeben ist, ist zwingend der Verwaltungsbehörde übertragen. Eine Überprüfung dieser für eine Kündigung relevanten Vorfrage durch die Gerichte ist demnach ausgeschlossen (DRdA 1991/53 [Simotta]). Dem steht das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes, daß die im § 8 Abs 2 BEinstG vorgesehene Zustimmung zur Kündigung eines Behinderten eine Entscheidung über ein "civil right" sei, nicht entgegen. Ausschließlich die Zulässigkeit des privatrechtlichen Aktes der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses betrifft eine zivilrechtliche Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, in der die Interessen des Arbeitgebers denen des Arbeitnehmers gegenüberstehen (EuGRZ 1990, 209; VfSlg 12.973). Die Aufnahme in den Kreis der begünstigten Behinderten erfolgt aus dem Blickwinkel der öffentlichen Interessen (VfSlg 11.934) vor allem unter Berücksichtigung der persönlichen Betroffenheit, sohin der persönlichen Interessen des Behinderten, so daß in diesem Verfahren privatrechtliche Interessen des Arbeitgebers nicht gestaltet werden und daher über "civil rights" nicht zu entscheiden ist.
Eine Bindung an durch Verwaltungsbehörden entschiedene Vorfragen ist zwar zu verneinen, wenn diese "Zivilrechte" betreffen (Walter, Die Bindung der Zivilgerichte an rechtskräftige präjudizielle Bescheide nach AVG im Rahmen der ZPO im Vorfragenbereich ÖJZ 1996, 601). Nur unter besonderen Umständen - etwa bei Statusentscheidungen (die Feststellung der Behinderteneigenschaft ist einer solchen Statusentscheidung ähnlich [VfSlg 11.934]) - kann es zulässig sein, bestimmte Rechtsfolgen aus behördlichen oder gerichtlichen Akten abzuleiten, die unter Ausschluß der von diesen - sekundären - Folgen Betroffenen ergangen sind. Die Zulässigkeit der Durchbrechung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs in diesen Fällen begründet der Verfassungsgerichtshof damit, daß es Gründe geben kann, diese Entscheidungen nicht als solche über "deren Sache" im Sinne des Art 6 Abs 1 MRK anzusehen (Elsner, Bindungswirkung der Zuerkennung einer begünstigenden Behinderung, ecolex 1996, 932; VfSlg 11.934 = ZAS 1990, 137 [Stolzlechner]; VfSlg 13.648; JBl 1991, 104). Der Feststellungsbescheid im Sinne des § 14 Abs 2 BEinstG entfaltet trotz mangelnder Parteistellung des Arbeitgebers volle Tatbestandswirkung auch gegenüber dem Arbeitgeber (Spitzl/Körner, Ausgewählte Probleme zum Behinderteneinstellungsgesetz ZAS 1995, 120 f; DRdA 1991/53 [Simotta, 459]; VfSlg 11.934 = ZAS 1990, 137 [Stolzlechner]). Das heißt, daß der Bescheid über die Einschätzung des Grades der Behinderung bereits genügt, um bestimmte rechtliche Wirkungen hervorzurufen, die sich nicht aus dem Bescheid selbst, sondern daraus ergeben, daß der Bescheid in einer Rechtsvorschrift als Tatbestand für eine Rechtsfolge eingesetzt ist. Die Tatbestandswirkung umfaßt daher nicht nur die durch den Bescheid Verpflichteten, sondern alle, an die die Rechtsvorschrift adressiert ist, welche die in Rede stehende Wirkung normiert (Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3 579; JBl 1990, 662). Ob grundsätzlich auch dem, dessen Rechtsbeziehungen durch einen individuellen Staatsakt berührt werden, das Recht zusteht, "die Richtigkeit der urteilsmäßigen Entscheidung des Vorstreites und die Rechtsbeziehungen der damaligen Streitteile, soweit sie für den Rechtsstreit erheblich sind", neu überprüfen zu lassen (JBl 1990, 662) ist hier nicht entscheidend.
Es besteht keine Verfassungsnorm, die Parteirechte in einem Verfahren überhaupt oder in einem bestimmten Umfang garantiert. Das die Parteirechte bestimmende Gesetz unterliegt aber dem aus dem Gleichheitssatz abzuleitenden Sachlichkeitsgebot, weshalb die Zuerkennung subjektiver Rechte in aller Regel auch die Zuerkennung von Parteirechten erfordert (VfSlg 13.646 ua). Aus der Bestimmung des § 14 BEinstG, die die Feststellung der nur den Behinderten unmittelbar betreffenden Begünstigung regelt, läßt sich nicht ableiten, daß außer ihm im Bescheiderlassungsverfahren auch noch anderen Personen Parteistellung zukommen soll, zumal Gegenstand dieser Regelung nicht ausschließlich eine zivilrechtliche Beziehung ist, in der eine Abwägung der gegensätzlichen Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers erfolgt (VfSlg 12.933). In der Hauptsache wird nämlich ausschließlich die Rechtsposition des Behinderten berührt (VfSlg 11.934 = ZAS 1990, 137 [Stolzlechner]). Die Zustimmung zur Kündigung ist ein davon weitgehend verschiedenartiger Rechtsvorgang (Ernst/Haller aaO Rz 10 zu § 14). Zwar wird jeder Arbeitgeber durch die Feststellung der Behinderung in seiner Rechtsstellung berührt (zB erhöhter Kündigungsschutz etc), jedoch reichen irgendwelche Auswirkungen der Parteienstellung nicht aus. Maßgeblich ist ein rechtliches Interesse "an der Sache". Alleiniger Gegenstand dieses Verfahrens ist aber die Feststellung der nur den Behinderten betreffenden Behinderung, nicht aber auch über die damit kraft Tatbestandswirkung verbundenen Auswirkungen der Feststellung auf die Rechtsstellung des Arbeitgebers (VfSlg 11.934 = ZAS 1990/16 [Stolzlechner]). Darüber hinaus ist festzuhalten, daß die Feststellung der Behinderung nicht vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses abhängt, so daß schon dieser Gesichtspunkt nicht für ein vom Zufall eines bestehenden Arbeitsverhältnisses abhängiges rechtliches Interesse des jeweiligen Arbeitgebers an der "Sache" spricht (Ernst/Haller aaO Rz 10 zu § 14; DRdA 1992, 407).
Anders war die Sachlage in der Entscheidung JBl 1990, 662, weil dort die Verletzung des rechtlichen Gehörs desjenigen bejaht wurde, der an einen gegen einen Dritten gerichteten rechtskräftigen Rückstandsausweis unmittelbar gebunden sein sollte, obwohl er in diesem Verfahren nicht beigezogen wurde. Der Unterschied besteht darin, daß die Rechtsfolgen des Rückstandsausweises unmittelbar und nicht im geringen Ausmaß den nicht am Verfahren Beteiligten, der den materiellen Bestand der Forderung hinzunehmen hatte, betraf. Im vorliegenden Fall diente das Verfahren aber überwiegend den Interessen der behinderten Person gleichsam wie bei einer Statusentscheidung und ist einem Verfahren, in dem der materielle Bestand einer Geldforderung geprüft wird, nicht vergleichbar (ZAS 1990/16 [Stolzlechner]).
Da nur die Tatbestandswirkung der Entscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen von Bedeutung ist, läßt sich aus der Entscheidung EvBl 1996/34 über die materielle Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung, die die Tatbestandswirkung ausdrücklich, weil nicht Gegenstand, dahingestellt ließ, für den Standpunkt des Revisionswerbers nichts gewinnen.
Der Revision war daher keine Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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