OGH 9ObA104/11a

OGH9ObA104/11a30.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Manfred Engelmann und Robert Hauser als weitere Richter in den verbundenen Arbeitsrechtssachen der klagenden Parteien 1. F***** K*****, Tierpfleger, *****, 2. R***** H*****, Tierpfleger, *****, 3. T***** J*****, Tierpfleger, *****, 4. Y***** K*****, Tierpfleger, *****, 5. A***** K*****, Tierpfleger, *****, 6. I***** O*****, Tierpfleger, *****, 7. R***** O*****, Tierpfleger, *****, 8. P***** P*****, Tierpfleger, *****, 9. Y***** T*****, Tierpfleger, *****, gegen die beklagte Partei Spanische Hofreitschule - Bundesgestüt Piber, Hofburg, Michaeler Platz 1, 1010 Wien, vertreten durch Dr. Roland Gerlach ua, Rechtsanwälte in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Juni 2011, GZ 7 Ra 51/11p-14, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 1. Februar 2011, GZ 14 Cga 99/10w-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Beklagte wurde gemäß § 1 Spanische Hofreitschule-Gesetz, BGBl I 2000/115, ab 1. 1. 2001 als Gesellschaft öffentlichen Rechts errichtet, auf die die Bestimmungen des GmbH-Gesetzes, RGBl 1906/58, anzuwenden sind, soweit im Spanische Hofreitschule-Gesetz nicht anderes bestimmt ist. Die neun Kläger, die zuvor beim Bund als Vertragsbedienstete (Tierpfleger) beschäftigt gewesen waren, wurden gemäß § 8 Abs 1 Z 2 Spanische Hofreitschule-Gesetz mit 1. 1. 2001 Dienstnehmer der Beklagten. Ab diesem Zeitpunkt setzt die Beklagte die Rechte und Pflichten des Bundes als Dienstgeber fort. In einem sich über acht Jahre erstreckenden Zeitraum (1. 1. 2001 bis 31. 12. 2008) wurde den Klägern die tägliche 30-minütige Mittagspause von der Beklagten - wie schon zuvor vom Bund - wie reguläre Arbeitszeit bezahlt. Seit der Einführung von Stechkarten ab 1. 1. 2009 ist die Beklagte dazu nicht mehr bereit.

Das Erstgericht stellte aufgrund der zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Feststellungsklagen fest, dass die Kläger gegenüber der Beklagten Anspruch auf eine bezahlte Pause von einer halben Stunde an jedem Arbeitstag haben, dessen Gesamtarbeitszeit mehr als sechs Stunden betrage. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Die ordentliche Revision wurde nicht zugelassen.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte behauptet in ihrer außerordentlichen Revision das Vorliegen zweier erheblicher Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO:

Die erste Frage betreffe das Thema, ob auf die Kläger als ehemalige Vertragsbedienstete des Bundes das VBG bloß als Vertragsschablone Anwendung finde (Standpunkt der Kläger und der Vorinstanzen) oder ob das VBG ex lege weitergelte (Standpunkt der Beklagten). Aus letzterem folge, dass die von den Klägern geltend gemachte Betriebsübung nicht wirksam begründet werden konnte.

Richtig ist der Hinweis der Beklagten, dass die vorstehende Frage nicht mit der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 8 ObA 13/08g „abschließend geklärt“ wurde. Dies wurde allerdings auch vom Berufungsgericht nicht behauptet. Die Entscheidung 8 ObA 13/08g betraf eine dem Universitätsgesetz 2002 (UG), BGBl I 2002/120, unterliegende Universität. Das Berufungsgericht setzte sich mit dieser Entscheidung auseinander, weil der Oberste Gerichtshof darin ausführlich verschiedene Fragen der Ausgliederung behandelt hat. § 8 Abs 1 Z 2 Spanische Hofreitschule-Gesetz normiert, dass die Bestimmungen des VBG nach Maßgabe des am 31. 12. 2000 bestehenden jeweiligen Dienstvertrags „Inhalt des Arbeitsvertrags zwischen der Gesellschaft und den einzelnen Dienstnehmern“ werden. Nach dem insoweit eindeutigen - und damit der Behauptung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO entgegenstehenden (vgl RIS-Justiz RS0042656 ua) - Wortlaut der gesetzlichen Regelung gingen die Vorinstanzen zutreffend davon aus, dass das VBG für die Kläger ab dem 1. 1. 2001 als lex contractus Vertragsinhalt der Einzelarbeitsverträge wurde, sohin als Vertragsschablone dient (vgl die Erörterung verschiedener Gestaltungs-möglichkeiten der Ausgliederung in 8 ObA 162/01h; 8 ObA 13/08g ua).

Richtig weist die Beklagte darauf hin, dass sich in § 8 Abs 3 Spanische Hofreitschule-Gesetz eine besondere Regelung bezüglich jener Dienstnehmer der Beklagten befindet, die nicht der Niederösterreichischen, Steiermärkischen oder Wiener Landarbeitsordnung unterliegen. Darin wird angeordnet, dass hinsichtlich der arbeitszeitrechtlichen Bestimmungen die Regelungen des VBG „anzuwenden“ sind. Daraus könnte man für einen bestimmten Kreis von Dienstnehmern eine partielle ex lege-Weitergeltung des VBG ableiten. Diese Frage muss jedoch hier nicht geklärt werden, weil sich die allfällige ex lege-Weitergeltung des VBG gemäß der vorstehenden Regelung nur auf arbeitszeitrechtliche Bestimmungen bezieht. Nach dem Inhalt der gegenständlichen Feststellungsbegehren sind jedoch keine arbeitszeitrechtlichen Fragen strittig. Dass den Klägern an jedem Arbeitstag, dessen Gesamtarbeitszeit sechs Stunden übersteigt, eine Ruhepause von einer halben Stunde zusteht, wird nicht in Frage gestellt.

Im vorliegenden Verfahren geht es nur um die Bezahlung der Ruhepausen aufgrund einer Betriebsübung bei der Beklagten. Ob auch schon zuvor bei der Tätigkeit der Kläger als Vertragsbedienstete des Bundes eine Betriebsübung auf Bezahlung der Ruhepausen wirksam begründet werden konnte, kann hier auf sich beruhen. Die Kläger leiten ihren Anspruch nämlich nicht daraus ab, dass eine diesbezügliche Verpflichtung des Bundes im Zuge der Ausgliederung auf die Beklagte übergegangen wäre. Sie stützen sich vielmehr darauf, dass die Beklagte ihrerseits ab dem 1. 1. 2001, also nach der Ausgliederung, durch regelmäßige vorbehaltlose Bezahlung der Pausen über einen Zeitraum von immerhin acht Jahren eine entsprechende Verpflichtung stillschweigend begründet habe. Nach allgemeinem Verständnis ist eine Ruhepause nicht Arbeitszeit, sondern unbezahlte Freizeit. Hinsichtlich der Bezahlung der Ruhepause kann jedoch zugunsten der Arbeitnehmer Günstigeres vereinbart werden (vgl Klein in Heilegger/Klein/Schwarz, AZG³ § 11 Erl 1; vgl beispielsweise auch § 9d Abs 1 Dienstordnung A der Sozialversicherungsträger, der die Ruhepausen zur Hälfte als Normalarbeitszeit behandelt).

Die Beklagte räumte schon in erster Instanz ein, dass zwischen den Parteien privatrechtliche Dienstverhältnisse bestehen. Sie behauptet auch nicht, dass es im allgemeinen Arbeitsrecht verboten wäre, mit den Arbeitnehmern ein Entgelt auch für die Zeit der Ruhepause - ausdrücklich oder schlüssig - zu vereinbaren. Dass das VBG gemäß § 8 Abs 1 Z 2 Spanische Hofreitschule-Gesetz als Vertragsschablone der Arbeitsverträge der Kläger dient, steht der Vereinbarung einer günstigeren Regelung im vorstehenden Sinn nicht entgegen (vgl RIS-Justiz RS0116309 ua). Dass die Gesellschaftsanteile der Beklagten zu 100 % im Eigentum des Bundes stehen (§ 1 Spanische Hofreitschule-Gesetz), betrifft Fragen des Innenverhältnisses der Beklagten und nicht ihr Außenverhältnis gegenüber den Arbeitnehmern (vgl die die Ausgliederung der Österreichischen Bundesforste in die Österreichische Bundesforste AG betreffende Entscheidung 9 ObA 332/99k). Auch der Alleinaktionär der Österreichische Bundesforste AG ist gemäß § 2 Abs 5 Bundesforstegesetz 1996, BGBl 1996/793, der Bund.

Eine zweite erhebliche Rechtsfrage will die Beklagte im Umstand erblicken, dass die Berufungsentscheidung zu dem „absurden“ Ergebnis führe, dass die Kläger sowohl jeglichen Vorteil aus dem VBG als auch nach dem AngG in Anspruch nehmen können. Aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes nach dem VBG und der bezahlten Mittagspause nach dem AngG seien die Kläger gegenüber sämtlichen anderen Dienstnehmern bessergestellt.

Die Beklagte vermengt hier Ursache und Wirkung. Die Berufungsentscheidung schuf nicht einen neuen Anspruch der Kläger, sondern stellte lediglich fest, dass die Beklagte durch ihre eigene über acht Jahre gehende Praxis der vorbehaltlosen Bezahlung der Ruhepausen einen entsprechenden Zahlungsanspruch der Kläger begründet hat (vgl RIS-Justiz RS0014154 ua). Weder der Kündigungsschutz der Kläger noch andere „Vorteile“ haben damit etwas zu tun. Sie sind auch nicht Gegenstand dieses Verfahrens und stehen nach der Ausgliederung einer für die Arbeitnehmer günstigeren Entgeltvereinbarung nicht entgegen (vgl 9 ObA 325/99f [Gewährung einer Mehrentlohnung für die arbeitsstarken Tage vor Weihnachten]; 9 ObA 332/99k [Gewährung einer Weihnachtsentlohnung] ua). Die von der Beklagten zitierte Einschränkung, dass gesetzwidriges Handeln von Organen des Bundes eine Betriebsübung nicht begründen könne (vgl RIS-Justiz RS0029319 ua), muss auf den Fall reduziert werden, in dem der öffentliche Dienstgeber (im Dienstverhältnis) fortbesteht (vgl 9 ObA 325/99f; 9 ObA 332/99k ua). Dies ist hier nicht der Fall. Bei den Klägern kam es per 1. 1. 2001 zu einem Dienstgeberwechsel vom Bund auf die Beklagte als eine durch Gesetz errichtete, weitgehend dem GmbHG unterliegende Gesellschaft. Der gegenständliche Anspruch der Kläger beruht nicht auf einer im Zuge der Ausgliederung vom Bund auf die Beklagte übergegangenen Verpflichtung. Anspruchsgrundlage ist vielmehr das eigene schlüssige Erklärungsverhalten der Beklagten gegenüber den Klägern (vgl RIS-Justiz RS0014489 ua).

Zusammenfassend ist die außerordentliche Revision der Beklagten mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Zurückweisungsbeschluss nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

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