OGH 9Ob902/91

OGH9Ob902/9119.6.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Gamerith, Dr.Maier, Dr.Petrag und Dr.Jelinek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L***** T*****, vertreten durch ***** Rechtsanwälte *****, wider die beklagte Partei Dr.A***** E*****, Rechtsanwalt, ***** als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der A***** Gesellschaft mbH, ***** wegen Feststellung einer Konkursforderung von S 1,817.856,80, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 14. Dezember 1990, GZ 4 R 132/90-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. März 1990, GZ 8 a Cg 26/89-22, bestätigt wurde, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 22.627,43 bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.771,24 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Strittig ist im Revisionsverfahren nur mehr, welcher Stellenwert der wirtschaftlichen Abhängigkeit bei der Beurteilung des Vorliegens eines freien Dienstvertrages zukommt und ob eine Kündigungsentschädigung im Konkursfall nur bei Verschulden des Dienstgebers gebührt. Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil es hinsichtlich der erstgenannten Streitfrage von der ständigen Rechtsprechung des Höchstgerichtes abgewichen sein will und zur zweitgenannten Streitfrage divergierende oberstgerichtliche Entscheidungen vorlägen.

Die Revision ist unzulässig, weil sich das Berufungsgericht im erstgenannten Punkt ohnedies im Rahmen der oberstgerichtlichen Rechtsprechung hält und der zweitgenannten Frage, in der es von der oberstgerichtlichen Rechtsprechung abweicht, keine entscheidungserhebliche Bedeutung zukommt (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

1. Der freie Dienstvertrag unterscheidet sich vom (echten) Dienstvertrag im Sinn der §§ 1151 ff ABGB besonders durch die Möglichkeit, den Ablauf der Arbeit selbst zu regeln und jederzeit zu ändern, also durch das Fehlen der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit (Arb 9.538, 10. 055, 10.779 uva). Die wirtschaftliche Abhängigkeit kann zwar einen wesentlichen Hinweis auf die persönliche Abhängigkeit bilden (Arb 10.741; DRdA 1990, 353 ua); entscheidendes Kriterium ist sie aber nicht, wenn andere wesentliche Indizien gegen eine persönliche Abhängigkeit sprechen. Das Berufungsgericht (S 9-15) hat in Übereinstimmung mit den vom Obersten GErichtshof als entscheidungswesentlich gehaltenen Kriterien den vorliegenden Vertrag zu Recht als freien Dienstvertrag beurteilt; ausschlaggebend ist vor allem die einem Gesellschaftsorgan angenäherte Stellung des Klägers; dessen Vertragsverhältnisse zur Gesellschaft sind in der Regel als freie Dienstverträge einzustufen (Arb 10.406 ua). Dem Kläger stehen daher die nur bei Dienstnehmereigenschaft zustehenden Ansprüche, wie zB Urlaubsentschädigung, nicht zu; Sonderzahlungen gebühren ihm mangels Vereinbarung oder auf ihn anzuwendenden Kollektivvertrags ebenfalls nicht (hinsichtlich des "Zielbonus" geht der Kläger nicht vom festgestellten Sachverhalt aus - vgl S 14 des Ersturteils).

2. Es trifft nicht zu, daß zur Frage, ob eine Kündigungsentschädigung nur dann gebühre, wenn der austretende Dienstnehmer zumindest ein Verschulden des Dienstgebers am Konkurs behauptet, eine divergierende oberstgerichtliche Rechtsprechung vorliegt. Seine ständige - wenn auch von der Lehre zum Teil kritisierte - Rechtsprechung, von der abzugehen sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlaßt sieht, verlangt weder, daß der nach § 25 Abs 1 KO austretende Dienstnehmer ein Verschulden seines Dienstgebers an der Zahlungsunfähigkeit behauptet noch daß er es beweisen muß; es wird vielmehr im Konkursfall ein Verschulden des Dienstgebers an der Zahlungsunfähigkeit gesetzlich unwiderleglich vermutet, um langwierige Prozesse zur Klägung der das Verschulden an der die Zahlungsunfähigkeit begründenden Tatsachen zu vermeiden (Arb 9.919, 10.093; RdW 1988, 137 uva, zuletzt 9 Ob 901/90; Kuderna, DRdA 1984, 8). Das Berufungsgericht weicht in dieser Frage von der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung ab, weil es - jedenfalls bei freien Dienstverträgen - dem wegen der Konkurseröffnung austretenden freien Dienstnehmer Kündigungsentschädigung nur bei Verschulden des Dienstgebers gewähren will, und kommt mangels Behauptung eines solchen Verschuldens zur Klagsabweisung.

Trotz dieser Abweichung ist die Revision des Klägers aber unzulässig, weil es aus folgenden Gründen bei der Klagsabweisung zu bleiben hat:

Auch wenn die §§ 1151 ff ABGB auf freie Dienstverträge nicht unmittelbar und uneingeschränkt angewendet werden können, sind sie doch insoweit beachtlich, als sie nicht von der persönlichen Abhängigkeit ausgehen und es sich nicht um spezifische Regeln zum Schutz des sozial Schwächeren handelt (Krejci in Rummel ABGB I2 Rz 83 zu § 1151). Ansprüche auf Kündigungsentschädigung nach § 1162 b ABGB zählen nicht zu diesen. Dies gilt auch für den § 1161 ABGB, der hinsichtlich der Wirkungen, welche die Konkurseröffnung über das Vermögen des Dienstgebers auf das Dienstverhältnis hat, auf die Bestimmungen der KO verweist (Wachter, DRdA 1984, 405 ff, 414). Deren § 25 enthält Sonderregeln über die Beendingung von Dienstverträgen und die daraus ableitbaren Ansprüche, welche die sich aus § 1162 b ABGB - und den parallell konstruierten § 29 AngG - ergebenden Ansprüche des Dienstnehmers modifizieren. Der vom Berufungsgericht vertretene, nicht näher begründete Schluß, § 25 KO sei auf freie Dienstverhältnisse nicht anwendbar, ist unrichtig. Sowohl § 1162 b ABGB als auch der durch § 1161 ABGB verwiesene § 25 KO gehen nicht von der persönlichen Abhängigkeit des Dienstnehmers aus und sind nicht am Schutz des sozial Schwächeren orientiert. Da - wie bereits erwähnt - nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dem Dienstnehmer die sich aus § 25 KO iVm § 1162 b ABGB ergebenden Rechte gebühren, ohne daß dieser ein Verschulden behaupten oder gar beweisen müßte, könnte dem Kläger eine nach seinem Dienstvertrag allenfalls noch zustehende Kündigungsentschädigung (vgl P.C 4.3 des Vertrages) nicht aus diesem Grund verwehrt werden. Im Hinblick auf die klare Verweisung des wertungsneutralen § 1161 ABGB auf die KO vermag auch die zu bejahende Anwendbarkeit des § 25 KO auf freie Dienstverhältnisse nicht die Zulässigkeit der Revision zu begründen, wenn dies - wie noch auszuführen sein wird - im vorliegenden Fall zu keiner abweichenden Sachentscheidung führt.

Hat der Kläger die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der beklagten Partei zum Anlaß genommen, sein freies Dienstverhältnis zu dieser Gesellschaft innerhalb der Monatsfrist des § 25 Abs 1 KO durch vorzeitigen Austritt aufzulösen, gebührt ihm gemäß § 1162 b ABGB Anspruch auf das vertragsmäßige Entgelt für den Zeitraum, der "bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch ordnungsgemäße Kündigung durch den Dienstgeber" verstrichen wäre. Im Zeitpunkt der Austrittserklärung des Klägers wäre der beklagte Masseverwalter berechtigt gewesen, das Dienstverhältnis seinerseits gemäß § 25 Abs 1 KO unter Einhaltung der gesetzlichen (oder hier nicht in Betracht kommenden kollektivvertraglichen) Kündigungsfrist, jedoch ohne Bindung an einen bestimmten Kündigungstermin "ordnungsgemäß" aufzukündigen. An eine vertraglich vereinbarte längere Kündigungsfrist ist der Masseverwalter nicht gebunden (Arb 9.857; 10.093; 10.224; 10.328 ua; zuletzt 9 Ob 901/90 mit ausführlicher Begründung). Daraus folgert die ständige oberstgerichtliche Rechtsprechung, daß der Anspruch des gemäß § 25 Abs 1 KO vorzeitig austretenden Arbeitnehmers auf die sogenannte Kündigungsentschädigung auf die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist begrenzt ist, auch wenn der Masseverwalter seinerseits das Dienstverhältnis nicht nach § 25 KO aufgelöst hat. § 25 KO regelt nämlich den Schadenersatzanspruch des austretenden Dienstnehmers nicht ausdrücklich. Ein Schadenersatzanspruch ist nur daraus ableitbar, daß das für den Fall des Konkurses des Dienstgebers im § 25 KO normierte Austrittsrecht des Dienstnehmers einen über die Austrittsgründe des § 1162 ABGB bzw § 26 AngG hinausgehenden weiteren Austrittsgrund schafft, der infolge des bei Zahlungsunfähigkeit des Dienstgebers unwiderleglich zu vermutenden Verschuldens einen Ersatzanspruch des Dienstnehmers gemäß § 1162 b ABGB auslöst. Daß dem Dienstnehmer, der seinen vorzeitigen Austritt gemäß § 25 Abs 1 KO erklärt, Ansprüche nach § 1162 b ABGB lediglich für einen kürzeren Zeitraum zustehen als bei Inanspruchnahme eines anderen Austrittsgrundes, ist notwendige Folge der im § 1162 b ABGB vorgesehenen Bedachtnahme auf die Möglichkeit einer "ordnungsgemäßen Kündigung" des Dienstverhältnisses durch den Masseverwalter gemäß § 25 Abs 1 KO (Arb 10.041; 10.093; 10.328 ua; zuletzt 9 Ob 901/90 mit ausführlicher Begründung).

Selbst wenn man § 1159 a ABGB auf freie Dienstverträge anwenden wollte - wogegen aber der dieser Norm offensichtlich immanente Schutz des sozial Schwächeren spricht - würde die gesetzliche Kündigungsfrist, die der Masseverwalter gemäß § 25 Abs 1 KO einzuhalten hätte, nur vier Wochen betragen und stünde daher dem Kläger aus den oben dargelegten Gründen auch nur eine Kündigungsentschädigung für diese Zeit zu; sogar als Angestellten würde ihm gemäß §§ 20 Abs 2, 29 AngG iVm § 25 KO nur eine Kündigungsentschädigung für sechs Wochen gebühren.

Nach den Feststellungen der Untergerichte hat der Kläger eine Überzahlung von mehr als S 300.000 erhalten. Da er eine Kündigungsentschädigung von sechs Monaten in Höhe von S 493.289,10 begehrt hat, kann dahingestellt bleiben, ob ihm eine solche überhaupt, und wenn ja, in welcher Höhe, zustünde, weil er bereits eine Überzahlung erhalten hat, die mehr als drei Monatsentgelten entspricht.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO; dem Revisionsgegner sind die Kosten seiner Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil er auf die Unzulässigkeit der Revision verwiesen hat.

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