OGH 9Ob902/88

OGH9Ob902/8816.11.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Bauer und Dr. Kellner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Otto F***, Angestellter, Wels, St. Stefanstraße 14, vertreten durch Dr. Heinrich E***, Sekretär der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Oberösterreich, Linz, Volksgartenstraße 40, dieser vertreten durch Dr. Alfred Eichler, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Dr. Peter P***, Rechtsanwalt, Wels, Eisenhowerstraße 40, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der Druck- und Verlagsanstalt W*** F*** & D*** Gesellschaft mbH & Co KG, Wels, Maria-Theresien-Straße 41, wegen Feststellung einer Konkursforderung (Streitwert 169.977 S sA), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 28. Juni 1988, GZ 4 R 8/88-26, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 19. Oktober 1987, GZ 9 Cg 148/85- 20, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger war vom 17. Juli 1961 bis 28. Juni 1985 zunächst als Arbeiter und dann als Angestellter bei der Druck- und Verlagsanstalt W*** F*** & D*** Gesellschaft mbH & Co KG beschäftigt. Am 27. Juni 1985 wurde der Konkurs über das Vermögen der Gesellschaft eröffnet. Am 28. Juni 1985 erklärte der Kläger seinen Austritt. Der Kläger begehrt die Feststellung, daß ihm eine weitere Konkursforderung im Betrag von 169.977 S netto zustehe. Im Juni 1983 sei zwischen dem Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat und der Gemeinschuldnerin ein Sozialplan vereinbart worden, der die durch die geplanten Rationalisierungs- und Umstrukturierungsmaßnahmen für die Arbeitnehmer zu erwartenden Nachteile mildern sollte. Im Punkt 3 dieses Sozialplanes habe sich die Gemeinschuldnerin verpflichtet, allen Arbeitnehmern, die durch Kündigung, einvernehmliche Auflösung oder Insolvenz aus dem Betrieb ausscheiden, eine Abfertigung in doppelter Höhe auszuzahlen. Nach dem Sozialplan seien alle im Unternehmen verbrachten Beschäftigungszeiten für den Abfertigungsanspruch voll anzurechnen. Da der Kläger Mitglied des Angestelltenbetriebsrates gewesen sei, hätte die Beklagte die Kündigung frühestens zum 31. März 1988 aussprechen können, so daß bei Bemessung des Abfertigungsanspruches von einer Dienstzeit von mehr als 25 Jahren auszugehen sei. Auf Basis des Bruttomonatsentgeltes des Klägers von 23.126,82 S errechne sich ein Bruttoabfertigungsanspruch von 555.043,68 S. Von diesem Betrag sei der anläßlich der Übernahme ins Angestelltenverhältnis ausgezahlte Abfertigungsbetrag von 6.525 S abzuziehen, so daß ein Bruttoabfertigungsanspruch von 548.518,68 S verbleibe. Von diesem Betrag entfielen 125.373,92 S brutto auf den gesetzlichen und kollektivvertraglichen Abfertigungsanspruch; der Restbetrag von 423.144,76 S sei die freiwillige Abfertigung nach dem Sozialplan. Von diesem Betrag seien 59,83 % Lohnsteuer abzuziehen, so daß sich der Klagsbetrag als Nettoanspruch aus dem Titel der freiwilligen Abfertigung ergebe. Diese vom Kläger im Konkursverfahren geltend gemachte Forderung sei vom Beklagten in der Prüfungstagsatzung vom 5. September 1985 bestritten worden. Da gemäß § 109 Abs. 3 ArbVG Maßnahmen zur Verhinderung, Beseitigung oder Milderung von wesentlichen Nachteilen, die eine Betriebsänderung mit sich bringe, durch eine Betriebsvereinbarung geregelt werden könnten und tatsächlich wegen weiterer geplanter Rationalisierungsmaßnahmen die Kündigung eines erheblichen Teiles der Belegschaft zu erwarten gewesen sei, enthalte der Sozialplan eine zulässige Betriebsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs. 1 Z 4 ArbVG. Darüber hinaus hätten sich die Arbeitnehmer als Gegenleistung bereit erklärt, die laufenden Bezüge, die das Unternehmen damals für einen Zeitraum von drei Monaten nicht zahlen habe können, über Kredite zu finanzieren. Dadurch sei das Unternehmen vor der Insolvenz bewahrt worden. Abgesehen davon, daß der Sozialplan mehr als zwei Jahre vor der Konkurseröffnung abgeschlossen worden sei, seien die im Sozialplan zugesagten Leistungen daher nicht unentgeltlich gewesen. Der Abfertigungsanspruch werde nicht nur auf den Sozialplan, sondern auch auf die bei mehreren Betriebsversammlungen erfolgten Zusagen der Gemeinschuldnerin gestützt.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Da im Sozialplan nicht festgelegt worden sei, wofür die erhöhte Abfertigung gewährt werden sollte, sei die Vereinbarung mangels Bestimmtheit unwirksam. Im Zeitpunkt des Sozialplanes sei weder eine Einschränkung noch eine Stillegung des Betriebes geplant gewesen; auch Rationalisierungs- und Automatisierungsmaßnahmen von erheblicher Bedeutung seien nicht ergriffen worden; die Gemeinschuldnerin habe sich lediglich um einen Personalabbau bemüht, um die Liquidität des Unternehmens zu erhalten. Derartige Maßnahmen rechtfertigten aber nicht den Abschluß einer Betriebsvereinbarung. Der Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder die Überschuldung sei keine Betriebsänderung im Sinne des § 109 Abs. 1 Z 1 bis 6 ArbVG und sei daher kein gerechtfertigter Grund für den Abschluß eines Sozialplanes. Derartige Rechtshandlungen könne die nachmalige Gemeinschuldnerin gegenüber den Gläubigern nicht verantworten. Gemäß § 109 Abs. 2 ArbVG sei bei Abschluß eines Sozialplanes auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Unternehmens Bedacht zu nehmen. Tatsächlich habe die Vereinbarung den Fortbestand des Unternehmens ernstlich gefährdet und zum Untergang des Unternehmens beigetragen oder diesen überhaupt ausgelöst. Gemäß Punkt 5.6. des Sozialplanes bleibe dieser so lange gültig, bis die öffentlichen Mittel zur Rationalisierung und Umstrukturierung des Unternehmens zurückgezahlt seien. Tatsächlich habe das Unternehmen keine öffentlichen Mittel für diese Zwecke in Anspruch genommen. Vielmehr seien die rückständigen Löhne und Gehälter von der Hausbank des Unternehmens gezahlt worden. Diese Bank habe sich die Ansprüche der Arbeitnehmer gegen den Insolvenzausfallgeldfonds zedieren lassen. Nicht nur die Verdoppelung des Abfertigungsanspruches, sondern auch die Vereinbarung, wonach alle im Unternehmen verbrachten Zeiten auch dann zusammenzurechnen seien, wenn die betreffenden Zeiten bereits abgefertigt worden seien, widerspreche dem § 109 Abs. 2 ArbVG. Da der Kläger gemäß § 25 KO ausgetreten sei, erlösche gemäß § 64 Abs. 1 Z 3 ArbVG auch die Mitgliedschaft zum Betriebsrat. Der Kläger könne sich daher nicht auf eine über die Dauer des Arbeitsverhältnisses hinausreichende Wirkung des Betriebsratsmandates berufen. Schließlich werde der Sozialplan gemäß § 29 KO als unentgeltliche Verfügung in den letzten zwei Jahren vor Konkurseröffnung angefochten und seine Unwirksamkeit einredeweise geltend gemacht. Das Erstgericht wies die Klage ab.

Es stellte folgenden Sachverhalt fest:

Die Gemeinschuldnerin befand sich schon im Jahr 1982 in finanziellen Schwierigkeiten und erwirtschaftete in diesem Jahr einen Verlust von 20 Mill. S. Im Jahr 1982 arbeitete Bernhard B*** als Angestellter der von der Gemeinschuldnerin beigezogenen Beraterfirma "P*** P***" ein Sanierungskonzept aus, in dem ein Abbau der Belegschaft von 340 auf 240 Personen, verschiedene Umgliederungen, Umstrukturierungen und Umorganisationen vorgesehen waren. Ab 1. Jänner 1983 war Bernhard B*** Mitgeschäftsführer der Gemeinschuldnerin und führte die vorgesehenen Maßnahmen zur Kostensenkung durch. Mitte 1983 war der geplante Personalabbau abgeschlossen. Im Frühjahr 1983 erwog man, den Finanzierungsbedarf der Gemeinschuldnerin durch eine Sanierungsbeteiligung der Arbeitnehmer zu decken. Die Gemeinschuldnerin, der Arbeiter- und Angestelltenbetriebsrat, die Bank für Oberösterreich und Salzburg sowie die Gewerkschaft der Privatangestellten vereinbarten, daß die Arbeitnehmer bei dieser Bank im Juni, Juli und August 1983 einen Kredit in Höhe des jeweiligen Gehaltes aufnehmen sollten. Bei Aufnahme eines weiteren Kredites für September sollte die Gemeinschuldnerin den Kredit für Juni abdecken. Diese Vorgangsweise sollte wiederholt und jeweils der älteste Kredit abgedeckt werden.

Dies wirkte sich wie eine Kreditgewährung an die Gemeinschuldnerin aus. Die Arbeitnehmer hatten Bedenken, daß mit diesem Sanierungsbeitrag zu einem Personalabbau führende Maßnahmen finanziert werden könnten. Sie waren daher zur Kreditgewährung nur unter der Voraussetzung bereit, daß ein "Sozialplan" abgeschlossen werde. Am 9. Juni 1983 kam es zur Unterzeichnung der mit "Sozialplan" bezeichneten Vereinbarung, der in Punkt 3 bezüglich der Abfertigungen folgendes bestimmt:

"Für die Feststellung des Abfertigungsanspruches wurde folgende Besserstellung gegenüber der gesetzlichen Regelung vereinbart:

3.1. Alle im Unternehmen ununterbrochen verbrachten Zeiten (Arbeiter- und Angestelltenjahre) werden voll angerechnet (dies gilt insbesondere auch für bereits abgefertigte Dienstzeiten, abzüglich des bereits ausbezahlten Schillingbetrages).

3.2. Alle Dienstnehmer, die durch Kündigung, Austritt (Ausnahme: unberechtigter Austritt) oder einvernehmliche Lösung ausscheiden, erhalten als Abgeltung zweimal 100 %

Abfertigung." Am 21. Juni 1983 wurde Punkt 3.2. abgeändert und lautete:

"Alle Dienstnehmer, die durch Kündigung, einvernehmliche Auflösung oder Insolvenz ausscheiden, erhalten als Abgeltung zweimal 100 % Abfertigung." Am 30. Juni 1983 wurde die endgültige Fassung des Punktes 3.2.

des "Sozialplans" unterzeichnet:

"Alle Dienstnehmer, die durch Kündigung des Dienstgebers, einvernehmliche Auflösung oder Insolvenz ausscheiden, erhalten als Abgeltung zweimal 100 % Abfertigung." Der letzte Absatz dieser Vereinbarung (Punkt 5.6.) lautet:

"Diese Vereinbarung ist so lange gültig, bis die öffentlichen Mittel zur Rationalisierung und Umstrukturierung der W*** zurückgezahlt sind (Insolvenz-Entgeltsicherungsfonds)." Das Unternehmen war im Frühjahr 1983 in derartigen finanziellen Schwierigkeiten, daß eine Kreditaufnahme unvermeidlich war, um weiter Löhne und Gehälter zahlen zu können. Da die Arbeitnehmer einer "Bevorschussung ihrer Löhne und Gehälter" unter der Voraussetzung des Abschlusses eines Sozialplanes zustimmten, erklärte sich die Geschäftsleitung des Unternehmens mit dem Sozialplan einverstanden. Zum Zeitpunkt des Abschlusses war von der Unternehmensleitung nicht an einen weiteren Personalabbau gedacht. Der "Sozialplan" wurde nicht im Hinblick auf konkret geplante Rationalisierungs- bzw. Umstrukturierungsmaßnahmen abgeschlossen. Ungeachtet dieser (fehlenden) Absicht wurde nach dem 30. Juni 1983 die Umorganisation fortgesetzt. Es wurden eine neue Rüttelstraße, eine Schneidstraße in der Buchdruckerei, eine Kalenderstraße und eine Kopiermaschine angeschafft; es kam zu einer starken Reduktion des Bleisatzes, während der Fotosatz ausgebaut wurde. Durch die Umorganisation gingen im Zeitraum vom 30. Juni 1983 bis zur Konkurseröffnung 110 Arbeitsplätze verloren. Der vorerwähnte "Sozialplan" wurde in nachfolgenden Betriebsversammlungen auch in Anwesenheit der Geschäftsleitung mehrmals besprochen und interpretiert.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Betriebsvereinbarung ungültig sei, weil sie nicht im Hinblick auf die später erfolgten Rationalisierungsmaßnahmen abgeschlossen worden sei. Zweck der Betriebsvereinbarung sei es lediglich gewesen, die Arbeitnehmer zur Mithilfe bei der Überwindung eines finanziellen Engpasses zu gewinnen.

Mit dem angefochtenen Beschluß gab das Berufungsgericht der Berufung des Klägers Folge, hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die in der Betriebsvereinbarung vorgesehene Erhöhung der Abfertigung des Klägers Bestandteil seines Arbeitsvertrages geworden sei. Der Kläger habe durch Aufnahme eines Bankkredites zur Finanzierung seiner Entgeltforderungen die Gegenleistung für die erhöhte Abfertigung erbracht; die Gemeinschuldnerin habe zumindest bei einem Arbeitnehmer die Zusage der erhöhten Abfertigung eingehalten. Die Vereinbarung sei auch nicht nach § 29 Z 1 KO anfechtbar, weil die Arbeitnehmer als Gegenleistung für die erhöhte Abfertigung ihre Entgeltansprüche im Kreditwege vorfinanziert hätten. Auch wenn die Arbeitnehmer das wirtschaftliche Risiko des Kreditgeschäftes auf den Insolvenzausfallgeldfonds überwälzt hätten, sei die Leistung der Gemeinschuldnerin nicht unentgeltlich erfolgt. Darüber hinaus sei die Anfechtung der Vereinbarung verfristet, weil sie am 9. Juni 1983 und daher außerhalb der Zweijahresfrist des § 29 KO abgeschlossen worden sei. Da das Erstgericht wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache die Höhe der Klagsforderung nicht geprüft habe, sei die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Aber auch für den Fall, daß der Oberste Gerichtshof die Rechtsansicht, die Zusage erhöhter Abfertigungen sei zum Inhalt der einzelnen Arbeitsverträge geworden, nicht teilen sollte, wären noch die vom Kläger beantragten Beweise über den Zusammenhang der Betriebsvereinbarung mit effektiv geplanten Betriebsänderungen aufzunehmen. Tatsächlich hätten sich die umfangreichen Investitionen der Gemeinschuldnerin nicht auf eine Anpassung der maschinellen Ausrüstung des Unternehmens an die fortschreitende Entwicklung beschränkt, sondern zu tiefgreifenden Änderungen in der Betriebsstruktur geführt, wodurch im Anschluß an die Maßnahmen 110 Arbeitnehmer "freigesetzt" worden seien. Der mittelbare Kündigungsschutz der Arbeitnehmer durch erhöhte Abfertigungen sei daher nachträglich gesehen ein Anliegen gewesen, das eine Betriebsvereinbarung gerechtfertigt habe. Die Gültigkeit einer derartigen Betriebsvereinbarung werde auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß sie die finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers überfordere; der Betriebsrat habe in erster Linie die Interessen der Arbeitnehmer wahrzunehmen und sei durch die Verpflichtung, auch auf die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Betriebes Bedacht zu nehmen, nicht in seiner Mitwirkungsbefugnis eingeschränkt. Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, in der Sache selbst im Sinne einer Klageabweisung zu entscheiden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die klagende Partei beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben. Der nach Zustellung der Berufungsentscheidung (5. August 1988) am 8. September 1988 zur Post gegebene Rekurs ist rechtzeitig. Gemäß § 111 Abs. 1 KO ist zur Verhandlung und Entscheidung von - bei Konkurseröffnung noch nicht anhängigen (§ 113 KO) - Rechtsstreitigkeiten über die Richtigkeit von Konkursforderungen ausschließlich das Konkursgericht zuständig. Für derartige Rechtsstreitigkeiten bestimmt § 179 KO als Abweichung von den ansonsten auf derartige Rechtsstreitigkeiten anzuwendenden Bestimmungen der JN und ZPO, daß im Verfahren erster Instanz ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes ein Mitglied des Gerichtes als Einzelrichter entscheidet (Z 1) und bezüglich der ansonsten in die Kompetenz der Arbeitsgerichte fallenden Streitigkeiten, daß die für die Vertretung der Parteien im arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Bestimmungen anzuwenden sind (Z 3). (Die vor dem IRÄG in § 172 KO enthaltene Verweisungsbestimmung für Rechtsstreitigkeiten sollte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, nach den Gesetzesmaterialien zum IRÄG !vgl. § 178 Abs. 3 Z 4 KO idF RV BlgNR 3 XV GP, sowie EB, wonach die Z 4 die bisher in § 173 Abs. 1 KO enthaltene Einschränkung durch eine allgemeine ersetzt und "dem Streit vorbaut", ob und inwieweit die Abweichungen der §§ 173 ff KO von der ZPO in Rechtsstreitigkeiten vor dem Konkursgericht anzuwenden sind, sowie AB BlgNR 1147 XV GP zu Z 92, wonach die §§ 178 und 179 KO auf dem durch die RV vorgeschlagenen § 178 KO beruhen erhalten bleiben; bei Fassung des § 179 Z 4 KO über die Nichtanwendung der §§ 171 bis 177 KO wurde jedoch übersehen, daß damit die früher im § 172 KO und nunmehr im § 171 KO enthaltene Verfahrensvorschrift für Rechtsstreitigkeiten vor dem Konkursgericht wegfiel.) Daraus ergibt sich aber, daß, wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat, die Verfahrensbestimmungen des ASGG im übrigen auf derartige Prüfungsprozesse nicht anzuwenden sind (vgl. Bartsch-Heil, Grundriß des Insolvenzrechtes4, Rz 25 und 299). Die Bestimmungen des § 11 ASGG über die Gerichtsbesetzung und des § 39 Abs. 4 ASGG (keine Anwendung der Bestimmungen über Gerichtsferien) sind daher im Prüfungsprozeß vor dem Konkursgericht nicht anzuwenden. Der Auffassung Finks (Arbeitsrechtssachen vor dem Konkurs- und Ausgleichsgericht, DRdA 1988, 212), ungeachtet der mit § 179 Z 1 KO angeordneten Besetzung des Erstgerichtes und der Übernahme lediglich der für die Vertretung in arbeitsgerichtlichen Verfahren geltenden Bestimmungen seien das Berufungs- und das Revisionsgericht nach den §§ 10 ff ASGG zu besetzen und das Rechtsmittelverfahren nach den Bestimmungen des ASGG durchzuführen, kann angesichts des in § 1 ASGG aufgenommenen, Sonderregelungen unberührt lassenden Vorbehaltes und des Umstandes, daß die KO aus Anlaß des Inkrafttretens des ASGG nicht geändert wurde, nicht beigetreten werden.

Rechtliche Beurteilung

In der Sache selbst ist der Rekurs nicht berechtigt, soweit er sich gegen die Aufhebung des Ersturteils richtet. Zu Recht wendet sich der Rekurswerber aber gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes.

Grundlage des vom Kläger geltend gemachten Anspruches ist eine Betriebsvereinbarung und für den Fall ihrer Unwirksamkeit eine entsprechende Abänderung des Einzelarbeitsvertrages des Klägers. Die Betriebsvereinbarung ist ein Vertrag, auf den neben den besonderen Vorschriften des ArbVG über den Abschluß und den zulässigen Inhalt die Bestimmungen des ABGB über die Erlaubtheit anzuwenden sind (vgl. Strasser in Floretta-Strasser Kommentar zum ArbVG, 168). Der Inhalt von Betriebsvereinbarungen soll daher rechtlich möglich sowie erlaubt sein und darf nicht gegen die guten Sitten verstoßen (siehe Cerny ArbVG8, 97). Die Betriebsvereinbarung wird zwischen Betriebsinhaber und dem zuständigen Organ der Arbeitnehmerschaft (Betriebsrat) abgeschlossen. Sie kann normativ nur auf die Rechtsbeziehungen zwischen Arbeitgeber und die vom betreffenden Belegschaftsorgan vertretenen Arbeitnehmer (einschließlich der bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmer) einwirken (siehe Strasser aaO, 167). Soweit die Betriebsvereinbarung ausschließlich oder vor allem auf die Belastung eines weder am Vertragsabschluß beteiligten Dritten noch eines von den Vertragschließenden vertretenen Dritten abzielt, ist sie nur mit Zustimmung des Dritten wirksam (vgl. Krejci in Rummel ABGB Rz 128 zu § 879; Rummel aaO Rz 1 zu § 880 a). Sozialpläne, die den Arbeitnehmern lediglich deshalb übergebührliche Leistungen zubilligen, weil diese ohnehin der Insolvenzausfallgeldfonds zahlt und die damit lediglich der Chance wegen geschlossen werden, einen Dritten zu belasten, sind daher unzulässig (siehe Krejci, Konstruktionsprobleme des Sozialplanes, Floretta FS, 562 sowie Krejci, Der Sozialplan, 141).

Da durch eine derartige Vereinbarung zu Lasten eines öffentlichrechtlichen Fonds allgemeine Interessen beeinträchtigt werden, der Insolvenzausfallgeldfonds darüber hinaus in diesem Verfahren nicht Prozeßpartei ist und der Fonds gemäß § 7 Abs. 1

Satz 1 IESG an die in diesem Verfahren ergehende Entscheidung gebunden ist, kann die Wahrnehmung der durch eine sittenwidrige Belastung des Fonds begründeten Nichtigkeit der Vereinbarung nicht allein den Parteien überlassen bleiben, sondern ist von Amts wegen zu beachten (vgl. Krejci in Rummel ABGB, Rz 248 zu § 879). Geht man von den diesbezüglich unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes aus - mit seiner Berufung bekämpfte der Kläger lediglich die Feststellung, der Sozialplan sei nicht im Hinblick auf konkret geplante Rationalisierungs- bzw. Umstrukturierungsmaßnahmen abgeschlossen worden -, dann liegt es auf der Hand, daß nicht nur die im Sozialplan zugesagte Leistung des Arbeitgebers (Zusatzabfertigung), sondern auch die Gegenleistung der Arbeitnehmer (Vorfinanzierung von drei Monatsgehältern durch Kreditaufnahme) schon nach der Sachlage bei Abschluß der Vereinbarung (vgl. Krejci in Rummel ABGB Rz 16 zu § 879) - das Unternehmen war im Frühjahr 1983 in derartigen finanziellen Schwierigkeiten, daß eine Kreditaufnahme unvermeidlich war, um die Löhne und Gehälter weiterzahlen zu können - letztendlich vom Insolvenzausfallgeldfonds zu tragen sein würden. In diesem Zusammenhang sei auch auf Punkt 9 der Urkunde Beilage 2 verwiesen, wonach im Insolvenzfall die Gewerkschaft die Anmeldung für alle Arbeitnehmer vorzunehmen und aus den einlangenden Beträgen die offenen Kredite abzudecken habe. Zieht man auch noch in Betracht, daß der Arbeitgeber nicht nur die Kosten der Vorfinanzierung der Gehälter zu tragen hatte (siehe Punkt 3 und 4 von Beilage 2), sondern diese "Gegenleistung" der Arbeitnehmer auch noch mit einer Erhöhung der gesetzlichen und kollektivvertraglichen Abfertigungsansprüche auf mehr als das Doppelte (im Fall des Klägers ergab sich eine Erhöhung auf mehr als das Vierfache) erkaufte, dann mußte beiden Vertragsteilen bei Abschluß der Vereinbarung klar sein, daß sich die prekäre finanzielle Situation des Arbeitgebers, der nicht einmal die laufenden Gehälter aufbringen konnte, durch die Übernahme der im "Sozialplan" vereinbarten unverhältnismäßigen zusätzlichen Leistungen noch weiter verschlechtern und die Inanspruchnahme dieser zusätzlichen Leistungen auch nur durch einen Teil der Belegschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Insolvenz führen werde. Mußten aber die Vertragsteile bereits bei Abschluß des "Sozialplanes" damit rechnen, daß die darin vorgesehenen erheblichen Zusatzabfertigungen an ausscheidende Arbeitnehmer nur zu Lasten des Insolvenzausfallgeldfonds zu realisieren waren, dann handelte es sich um eine gemäß § 879 Abs. 1 ABGB ungültige Vereinbarung zu Lasten Dritter. Diese Erwägungen treffen in gleicher Weise zu, wenn der "Sozialplan" zwar als Betriebsvereinbarung nicht wirksam, aber durch schlüssige Unterwerfung unter die getroffenen Vereinbarungen Inhalt der Einzelarbeitsverträge geworden wäre (vgl. DRdA 1988, 124, mit Anmerkung von Strasser).

Dennoch ist die Sache nicht im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils spruchreif, weil auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie nicht beachtet haben (SZ 50/35 = JBl. 1978, 262 mit Anmerkung von König; JBl. 1988, 467, mit Anmerkung von Pfersmann). Den Parteien ist daher Gelegenheit zur Erörterung und damit zum Vortrag des bei Zugrundelegung dieser Rechtsansicht erheblichen Tatsachenmaterials zu geben.

Dem Rekurs war somit - lediglich in formaler Hinsicht - nicht Folge zu geben.

Der Vorbehalt bezüglich der Kosten des Rekursverfahrens beruht auf § 52 ZPO.

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