OGH 9Ob86/19s

OGH9Ob86/19s21.10.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofrätinnen und den Hofrat Dr. Fichtenau, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Land *****, 2. Gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft „L*****“ eingetragene Gen.m.b.H., *****, 3. E*****gesellschaft mbH, *****, 4. W***** Gesellschaft m.b.H., *****, 5. WS***** reg.Gen.m.b.H., *****, 6. N***** Gemeinnützige Wohnungs- und SiedlungsgesmbH, *****, 7. B***** eingetragene Gen.m.b.H., *****, 8. ***** eingetragene Gen.m.b.H., *****, 9. V*****, Gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, 10. ***** reg.Gen.m.b.H., *****, 11. I***** reg. Gen.m.b.H., *****, 12. ***** S***** GmbH, *****, 13. ***** I*****aktiengesellschaft, *****, 14. Ge*****gesellschaft mbH *****, und 15. GE***** Wohnungsgesellschaft m.b.H., *****, alle vertreten durch Binder Grösswang Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. O***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch bpv Hügel Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. S***** GmbH, 3. Sch***** GmbH, *****, beide vertreten durch Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, 4. K***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, und 5. T***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Freshfields Bruckhaus Deringer LLP in Wien, wegen 9.066.814,45 EUR sA und Feststellung (Streitwert 30.001 EUR), über den Rekurs der beklagten Parteien (Rekursinteresse 2.089.065,21 EUR) gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. April 2017, GZ 5 R 193/16p‑73, mit dem der Berufung der erstklagenden Partei gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 21. September 2016, GZ 40 Cg 65/10z‑66, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00086.19S.1021.000

 

Spruch:

Das Verfahren wird fortgesetzt.

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Voranzustellen ist, dass im derzeitigen Verfahrensstadium nur Ansprüche der Erstklägerin zu beurteilen sind.

Am 21. 2. 2007 verhängte die Europäische Kommission gegen die Unternehmensgruppen der Erst‑ bis Viertbeklagten eine Geldbuße von insgesamt 992.000.000 EUR wegen Teilnahme an Kartellen beim Einbau und bei der Wartung von Aufzügen und Fahrtreppen in Belgien, Deutschland, Luxemburg und den Niederlanden. Mit Entscheidung vom 8. 10. 2008 bestätigte der Oberste Gerichtshof den Beschluss des Kartellgerichts, mit dem über die Erst‑, Zweit‑ und Viertbeklagte sowie zwei weitere Gesellschaften Geldbußen verhängt wurden. Die Fünftbeklagte war als Kronzeugin im Kartellverfahren nicht Antragsgegnerin.

Dem Kartellverfahren lag im Wesentlichen zugrunde, dass die Beklagten seit zumindest den 1980er Jahren ein zwischen ihnen immer wieder bestätigtes Übereinkommen im großen Umfang, wenn auch nicht lückenlos, durchführten, wonach der Markt der Aufzugs‑ und Fahrtreppenindustrie aufgeteilt wurde. Im Zuge dessen wurden regelmäßig sensible Unternehmensdaten ausgetauscht. Das Verhalten war darauf gerichtet, dem jeweils bevorzugten Unternehmen einen höheren Preis zu sichern als er unter Wettbewerbsbedingungen erreichbar gewesen wäre. Unter den Kartellanten wurde zumindest ein Drittel des Marktvolumens konkret abgesprochen. Ungefähr zwei Drittel der abgestimmten Projekte kamen wie geplant zustande. Bei einem Drittel der Fälle kamen entweder nicht am Kartell beteiligte Unternehmen (Kartellaußenseiter) zum Zug oder einer der Kartellanten, der sich nicht an die vereinbarte Zuteilung hielt und billiger anbot. Das Verhalten der Kartellanten führte dazu, dass sich die Marktpreise auch in den letzten Jahren vor 2004 kaum änderten und ihre Marktanteile annähernd gleich blieben. Die Koordination wurde erst Ende 2005 endgültig eingestellt, vorher abgesprochene Projekte wurden noch durchgeführt.

Die Erstklägerin , das Land *****, begehrt von den Beklagten die Zahlung von 2.059.064,21 EUR samt Zinsen, Rechnungslegung und die Feststellung der Haftung der Beklagten für sämtliche bereits entstandenen sowie zukünftig noch entstehenden Schäden und sonstige Vermögensnachteile aufgrund des kartellrechtswidrigen Verhaltens der Beklagten.

Die Erstklägerin begehrt den Ersatz von Schäden aus überhöht gewährten Förderdarlehen von 2.014.894,85 EUR und aus überhöhten Direktförderungen bzw Annuitätendarlehen von 44.169,36 EUR.

Zu den Förderdarlehen brachte die Erstklägerin vor, dass sie auf der Grundlage von gesetzlichen Wohnbauförderbestimmungen einer Vielzahl von Personen für die Durchführung von Bauprojekten Förderdarlehen im Ausmaß eines bestimmten Prozentsatzes der Gesamtbaukosten gewährt habe. Ein Förderdarlehen biete dem Förderwerber die Möglichkeit zur Aufnahme günstiger Fremdmittel durch die Verrechnung eines niedrigeren Prozentsatzes als dem marktüblichen.

Damit seien auch die von diesen Förderwerbern den Beklagten für den Einbau von Aufzügen bezahlten Kosten mit diesem Prozentsatz gefördert worden. Durch die aufgrund der Kartellabsprache überhöhten Preise der Beklagten sei auch die Förderung im selben Prozentsatz höher als ohne die Kartellabsprache gewesen. Hätte es das Kartell nicht gegeben, hätte die Erstklägerin geringere Darlehen ausbezahlt. Den Differenzbetrag hätte sie zum durchschnittlichen Zinssatz von Bundesanleihen anlegen können. Die Differenz sei der Schaden, der der Erstklägerin aus der Kartellabsprache entstanden sei.

Bei Direktzuschüssen erhalte der Förderungsnehmer einen Teil der Errichtungskosten als Zuschuss, den er nicht zurückzahlen müsse. Bei Annuitätenzuschüssen ersetze die Erstklägerin dem Förderungsnehmer einen Teil seiner Kreditraten. Bei den im Verfahren aufgelisteten Förderungswerbern seien zum einen im Rahmen der Wohnumfeldverbesserungsförderung ausgezahlte Direktzuschüsse von jeweils 50 % der Gesamtbaukosten des Bauvorhabens und damit auch der Aufzugskosten gewährt worden bzw Annuitätenzuschüsse in Höhe von insgesamt 50 % der Gesamtbaukosten zuzüglich Zinsen bezahlt worden. Diese Gesamtbaukosten seien hinsichtlich der Aufzüge um den Kartellzuschlag überhöht gewesen. Da die Förderungen in Abhängigkeit von der Höhe der Gesamtbaukosten zugeteilt und ausgezahlt worden seien, seien auch sie um denselben Prozentsatz überhöht ausbezahlt worden. Der Erstklägerin sei damit direkt ein Schaden in Höhe von 50 % des überhöhten Betrags entstanden. Darüber hinaus hätten die Förderwerber den der Förderung entsprechenden Anteil ihrer Ansprüche an die Erstklägerin abgetreten. Die Abtretung betreffe 50 % der Mehraufwendungen. Vorsichtshalber mache sie nur diesen Anteil von 50% an den Mehraufwendungen sowohl aufgrund des ihr selbst unmittelbar zustehenden Anspruchs als auch als Einzelrechtsnachfolgerin der Förderungswerber geltend.

Es sei weiters zu befürchten, dass die Erstklägerin durch das rechtswidrige Verhalten der Beklagten über die geltend gemachten Beträge hinaus Schäden erlitten habe, die sie trotz aller Bemühungen nicht feststellen oder beziffern könne. Vor diesem Hintergrund habe sie auch ein rechtliches Interesse an der Feststellung der Haftung der Beklagten für bereits entstandene und ihr nicht bekannte wie auch für zukünftige Schäden.

Eventualiter habe sie einen Anspruch auf Rechnungslegung durch die Beklagten. Der materielle Rechnungslegungsanspruch ergebe sich aus den von den Beklagten zu vertretenden rechtswidrigen Verhaltensweisen gegenüber der Erstklägerin.

Die Beklagten wandten im Wesentlichen ein, dass die Klage unschlüssig sei. Es werde bestritten, dass es durch das Aufzugskartell zu einer Schädigung der Abnehmer gekommen sei, da die verrechneten Preise in völligem Einklang mit den Marktpreisen gestanden seien. Die gewährten Förderungsdarlehen, die nach dem Prozentsatz der Gesamtbaukosten, einem Fixbetrag je Quadratmeter Nutzfläche oder nach einem Pauschalbetrag bemessen würden, könnten nicht den Kosten der Errichtung einer konkreten Liftanlage zugeordnet werden. Jede Liftanlage sei auch gesondert zu prüfen, eine Gesamtmarktbetrachtung könne nicht vorgenommen werden.

Nach der Bußgeldentscheidung seien nur 22,2 % der Projekte erfolgreich abgesprochen worden, der ganz überwiegende Teil des Marktvolumens sei gerade nicht von den Absprachen betroffen gewesen. Es habe kein Preiskartell gegeben. Es werde nicht schlüssig behauptet, warum ein Preisschirmeffekt eingetreten sein soll. Jedenfalls läge eine generelle Änderung des Preisniveaus außerhalb des adäquaten Kausalzusammenhangs. Es sei keine Gesamtmarktänderung eingetreten. Es gäbe nicht einmal einen einheitlichen Aufzugsmarkt. Die Beklagten hätten hinsichtlich jener Projekte, die nicht abgestimmt worden seien oder nicht abstimmungsgemäß zustande gekommen seien, kein kausales Verhalten für einen Schaden gesetzt.

Es könne daher auch nicht von einem gemeinschaftlichen Handeln im Sinne der §§ 1301 f ABGB gesprochen werden. Es bestehe keine Solidarhaftung.

Weiters fehle der Rechtswidrigkeitszusammenhang. Schutzobjekt des Wettbewerbsrechts sei der Wettbewerb. Das Kartellverbot wolle allerdings nicht Förderstellen, die ihrerseits nichts mit dem Wettbewerb zu tun hätten, im Gegenteil diesen sogar zu verfälschen drohten, schützen. Die Erstklägerin sei ausgehend von ihrem eigenen Vorbringen nicht unmittelbar geschädigt, sondern bloß mittelbar betroffen. Es fehle jeder direkte Zusammenhang, der allenfalls eine Verpflichtung zur Drittschadensliquidation begründen könne.

Selbst wenn aufgrund kartellbedingter Absprachen erhöhte Darlehen gewährt worden seien, könne sich die Erstklägerin nicht auf dadurch entgangene Zinseinnahmen berufen. Es sei Pflicht des Landes, Fördergelder aus den festgelegten Fördermitteln zu gewähren und nicht mit diesem Geld zu wirtschaften bzw diese Gelder gewinnbringend anzulegen. Fördergelder würden in der Regel ausgeschöpft, sodass davon auszugehen sei, dass die Erstklägerin diese Mittel jedenfalls an andere Förderungswerber zum gleichen Zinssatz ausgezahlt hätte. Ein geringerer Förderaufwand hätte allenfalls das Ausmaß reduziert, in dem das Land ***** öffentliche Mittel für Zwecke der Wohnbauförderungen eingesetzt hätte. Demnach sei kein Zinsschaden entstanden.

Das Vorbringen zum Schaden in Form kapitalisierter Zinsen sei auch unschlüssig. Sofern die Erstklägerin Zinsen aus Fremdkapital bzw verpassten Anlagemöglichkeiten behaupte, handle es sich um einen positiven Schaden, der detailliert aufzuschlüsseln und im Einzelnen zu beweisen sei. Es reiche nicht aus, pauschal auf die Sekundärmarktrendite seit 1988 zu verweisen, ohne die tatsächlichen Kreditverträge vorzulegen. Basis der Ansprüche seien keine beiderseitigen Unternehmensgeschäfte. Es könne ein Zinssatz von lediglich 4 % gemäß § 1000 ABGB angewendet werden. Bereicherungsansprüche gingen ebenfalls ins Leere, es fehle an einer schlüssig behaupteten Unrechtmäßigkeit der Bereicherung. Eine bereicherungsrechtliche Rückabwicklung würde überdies den genauen Nachweis voraussetzen, welcher Vertrag rückzuabwickeln sei.

Soweit Ansprüche für Zeiträume vor dem EU‑Beitritt Österreichs geltend gemacht wurden, seien diese abzuweisen, weil die Klage einen Verstoß gegen das Kartellgesetz 1988 nicht schlüssig vorgetragen habe.

Hinsichtlich bereits eingetretener Schäden fehle das Feststellungsinteresse bzw stehe einer Feststellungsklage deren Subsidiarität zur Leistungsklage entgegen. Zukünftige Schäden seien ausgeschlossen. Die Feststellungsbegehren seien auch zu unbestimmt.

Das Rechnungslegungsbegehren entbehre jeder rechtlichen Grundlage. Eine Klage nach Art XLII EGZPO zur Vorbereitung einer Schadenersatzklage und zur Bezifferung des Schadens sei unzulässig. Schaden und Bereicherung seien von der Erstklägerin zu beweisen.

Auch hinsichtlich der Direkt- und Annuitätenzuschüsse sei die Klage unschlüssig. Es würden Errichtungspreise der Anlagen genannt, die Schadensbeträge würden sich aber nicht aus den Errichtungspreisen unter Anwendung der behaupteten Kartellpreisaufschläge ergeben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren der Erstklägerin, sowohl das Haupt- als auch das Eventualbegehren, ab. Die Erstklägerin sei kein unmittelbarer Marktteilnehmer am Markt der Aufzugs‑ und Fahrtreppenindustrie. Sie mache nur einen mittelbaren Schaden geltend, der als solcher nicht ersatzfähig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil nur insoweit, als die Feststellung der Haftung für bereits eingetretene Schäden abgewiesen wurde. Im Übrigen hob es die Entscheidung auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht. Es ging davon aus, dass das Kartellverbot auch dem Schutz finanzieller Interessen derjenigen diene, die den zusätzlichen Aufwand, der durch die Verzerrung der Marktverhältnisse entstanden sei, zu tragen hätten. Dazu gehörten auch öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Erstklägerin. Da eine Schutzgesetzverletzung vorliege, sei der Schaden der Erstklägerin auch als mittelbarer Schaden ersatzfähig.

Das Berufungsgericht erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig, da Rechtsprechung zur schadenersatzrechtlichen Einordnung von Ansprüchen wie im vorliegenden Fall als unmittelbarer bzw überwälzter Schaden des Förderungsgebers aus kartellbedingten Preiserhöhungen fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Klage abzuweisen, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Erstklägerin beantragt dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist, soweit er nicht bereits mit dem ersten Beschluss vom 17. 5. 2018, 9 Ob 44/17m, wegen absoluter Unzulässigkeit zurückgewiesen wurde, aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, er ist aber nicht berechtigt.

1. Aus Anlass des Rechtsmittelverfahrens legte der Oberste Gerichtshof mit dem zweiten Beschluss vom 17. 5. 2018, 9 Ob 44/17m‑2, zunächst dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) die Frage nach der grundsätzlichen Ersatzfähigkeit der geltend gemachten Zinsschäden zur Vorabentscheidung vor und setzte das Rekursverfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus. Aufgrund der nunmehr vorliegenden Entscheidung des EuGH ist das Verfahren fortzusetzen.

2. Mit Urteil vom 12. 12. 2019, C-435/18 , hat der EuGH die Vorlagefrage wie folgt beantwortet:

Art. 101 AEUV ist dahin auszulegen, dass Personen, die nicht als Anbieter oder Nachfrager auf dem von einem Kartell betroffenen Markt tätig sind, sondern Subventionen in Form von Förderdarlehen an Abnehmer der auf diesem Markt angebotenen Produkte gewährt haben, verlangen können, dass Unternehmen, die an dem Kartell teilgenommen haben, zum Ersatz des Schadens verurteilt werden, den die betreffenden Personen erlitten haben, weil der Betrag der Subventionen höher war, als er ohne das Kartell gewesen wäre, so dass sie den Differenzbetrag nicht für andere gewinnbringendere Zwecke verwenden konnten.“

Der EuGH verwies dabei auf seine Rechtsprechung, dass die volle Wirksamkeit von Art 101 AEUV und insbesondere die praktische Wirksamkeit des in seinem Abs 1 ausgesprochenen Verbots beeinträchtigt wären, wenn nicht jedermann Ersatz des Schadens verlangen könnte, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb beschränken oder verfälschen kann, oder durch ein entsprechendes Verhalten entstanden ist (Rn 22). Daher könne jedermann Ersatz des ihm entstandenen Schadens verlangen, wenn zwischen dem Schaden und einem nach Art 101 AEUV verbotenen Kartell oder Verhalten ein ursächlicher Zusammenhang besteht (Rn 23). Dabei sei es nicht erforderlich, dass der von der betreffenden Person erlittene Schaden zudem einen spezifischen Zusammenhang mit dem von Art 101 AEUV verfolgten „Schutzzweck“ aufweist, denn sonst wären die Teilnehmer an einem Kartell nicht verpflichtet, alle von ihnen möglicherweise verursachten Schäden zu ersetzen (Rn 31).

Zugleich stellte er klar, dass es Sache des nationalen Gerichts sei, zu klären, ob der Erstklägerin im vorliegenden Fall konkret ein solcher Schaden entstanden ist; dabei müsse es insbesondere prüfen, ob sie die Möglichkeit zu gewinnbringenderen Anlagen hatte und, wenn ja, ob sie die erforderlichen Nachweise für das Vorliegen eines Kausalzusammenhangs zwischen dem Schaden und dem fraglichen Kartell erbringt (Rn 33).

3. Auch wenn der EuGH in früheren Entscheidungen darauf verwiesen hat, dass es Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten sei, die Verfahrensmodalitäten für Klagen zu regeln, wobei der Äquivalenz- und der Effektivitätsgrundsatz zu wahren seien und auch die Bestimmung der Einzelheiten für die Ausübung dieses Rechts einschließlich derjenigen für die Anwendung des Begriffs „ursächlicher Zusammenhang“ Aufgabe des innerstaatlichen Rechts der einzelnen Mitgliedstaaten sei, ist damit klargestellt, dass sich die Beklagten im Rahmen der Anwendbarkeit europäischen Rechts auf die im nationalen Recht relevanten haftungsbegrenzenden Grundsätze des Schutzzwecks der verletzten Norm bzw des nur mittelbar verursachten Schadens nicht berufen können.

Vielmehr beschränkt der EuGH auf unionsrechtlicher Ebene die Frage des „ursächlichen Zusammenhangs“ bei durch eine Kartellabsprache verursachten Schäden auf den – allerdings von der Erstklägerin zu erbringenden – reinen Nachweis der faktischen Verursachung.

Das hat zur Folge, dass, soweit es der Erstklägerin gelingt nachzuweisen, dass sie aufgrund der Kartellverstöße der Beklagten eine Vermögenseinbuße erlitten hat, dieser Schaden, auch wenn er in einem entgangenen Zinsgewinn gründet, von den Beklagten zu ersetzen ist.

4. Die von den Beklagten in ihrem Rekurs angesprochenen Fragen des fehlenden Schutzzwecks des Art 101 AEUV, des Vorliegens eines nur mittelbaren Schadens und der fehlenden Voraussetzungen für eine Drittschadensliquidation sind daher durch die Entscheidung des EuGH und die durch den EuGH vorgegebene Auslegung der entsprechenden unionsrechtlichen Bestimmungen geklärt.

Insofern hat das Berufungsgericht richtig eine grundsätzliche Berechtigung der Erstklägerin zur Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen aus Förderschäden bejaht und mangels entsprechender Feststellungen zu den Voraussetzungen dieses Anspruchs die erstgerichtliche Entscheidung aufgehoben.

5. Zu berücksichtigen ist aber auch, dass die Erstklägerin auch Schadenersatzansprüche aus einem Zeitraum geltend macht, in dem Österreich noch nicht der EU beigetreten war. Solche Ansprüche, die aus einem Verstoß gegen Art 18 KartG 1988 abgeleitet werden, sind ausschließlich nach innerstaatlichem Recht zu beurteilen.

Bereits in der Entscheidung 16 Ok 5/08 hat der Oberste Gerichtshof darauf verwiesen, dass das inkriminierte Verhalten der Beklagten den Tatbestand der verbotenen Durchführung eines Kartells gemäß § 18 KartG 1988 erfülle. In der Entscheidung 7 Ob 48/12b wurde, ebenfalls im Zusammenhang mit der vorliegenden Kartellabsprache, auf den Charakter dieser Bestimmung als Schutzgesetz verwiesen (vgl auch RS0127672 [T1]). Zum Umfang des Schutzzwecks wurde dort ausgeführt:

Auch wenn das KartG 1988 keine Legaldefinition dafür bietet, ob der Schutz des Ordnungsprinzips Marktwirtschaft, der Schutz einzelner Unternehmen oder der Schutz der Letztverbraucher im Vordergrund steht (Gugerbauer, Kommentar zum Kartellgesetz², § 1 Rz 1), bestand doch zweifellos insofern eine andere Rechtslage als heute, als bei volkswirtschaftlicher Rechtfertigung Kartelle nach Genehmigung (§ 24 KartG 1988) auf bestimmte Zeit zulässig waren. Dass vom Schutzzweck des KartG 1988 im hier interessierenden Fall jedenfalls die Mitbewerber umfasst sind, ist anerkannt (4 Ob 46/12m, Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht II, 105; [grundsätzlich differenzierend] Koppensteiner, Wettbewerbsrecht [1981], 190 ff mwN; zum deutschen Recht BGH: BGHZ 28, 222; NJW 1959, 880). Koziol aaO vertritt unter Hinweis auf die Judikatur des BGH zum Mitbewerber die Ansicht, dass die Normen des KartG ausschließlich Mitbewerber, nicht hingegen Kunden, die durch das verbotswidrige Verhalten geschädigt wurden, schützt. Koppensteiner aaO S 194 meint, dass aus der Hervorhebung der Letztverbraucherinteressen innerhalb des Tatbestands volkswirtschaftlicher Rechtfertigung zu schließen sei, dass auch dieser Personengruppe Schadenersatz zustehen könne.

Da die Bestimmungen des KartG 1988 jedenfalls die Förderung des Wettbewerbs bewirken und gesamtwirtschaftlich nachteilige Folgen von Kartellen verhindern wollte, bezieht dieser Schutzgedanke hier auch den am Markt beteiligten Letztverbraucher mit ein, der durch die durch das Kartell wettbewerbswidrig hoch gehaltenen Marktpreise ebenfalls geschädigt wird. In diesem Sinn sprach der Oberste Gerichtshof zu 4 Ob 46/12m in einem Rechtsstreit (in dem die Schadenersatz fordernde Klägerin allerdings Mitbewerberin war) ganz allgemein aus, dass sich der persönliche Schutzbereich des Kartellverbots auf alle jene Anbieter und Nachfrager erstrecke, die auf den von einem Kartell betroffenen sachlich und räumlich relevanten Markt tätig seien.“

Zur Frage, inwieweit der Schutzzweck auch öffentliche Körperschaften umfasst, die durch das Gewähren von Förderungen am Marktgeschehen beteiligt sind, hat der erkennende Senat bereits im Vorlagebeschluss vom 17. 5. 2018, 9 Ob 44/17m‑2, Stellung genommen und darauf hingewiesen, dass nach nationalem Recht „davon auszugehen wäre, dass der persönliche Schutzbereich des Kartellverbots sich auf all jene Anbieter und Nachfrager erstreckt, die auf den von einem Kartell betroffenen sachlich und räumlich relevanten Märkten tätig sind (4 Ob 46/12m). Öffentlich‑rechtliche Körperschaften, die durch finanzielle Förderungen bestimmten Gruppen von Abnehmern einen leichteren Erwerb des angebotenen Produkts ermöglichen, sind dagegen keine unmittelbaren Marktteilnehmer, auch wenn ein wesentlicher Teil des Marktgeschehens erst durch diese Förderungen ermöglicht wird. Ihre Rolle ist im Zusammenhang mit der Gewährung von Förderdarlehen mit einem Kreditgeber vergleichbar, wobei die Förderung nicht gewinnorientiert mit privatem Kapital erfolgt, sondern aus Steuereinnahmen zur Förderung von Bauprojekten aus politischen Erwägungen zu marktunüblich günstigen Bedingungen. Ihr Schaden resultiert damit auch nicht unmittelbar aus der rechtswidrigen Handlung der Kartellanten, sondern daraus, dass die von ihnen den Abnehmern zu – gegenüber privaten Kreditgebern – günstigeren Konditionen gewährte Kredite aufgrund der überhöhten Kartellpreise höher gewährt wurden, als dies ohne die Kartellabsprachen erfolgt wäre. Damit konnten sie den Differenzbetrag zwischen der Kredithöhe ohne Kartellabsprache und mit Kartellabsprache nicht anderweitig etwa durch Veranlagung gewinnbringend nutzen. Dieser Schaden stünde daher nach nationalem Recht in keinem ausreichenden Zusammenhang mehr mit dem Zweck des Verbots von Kartellabsprachen, der Erhaltung des Wettbewerbs auf dem vom Kartell betroffenen Markt. Nach österreichischem Recht wäre daher in diesem Fall der Rechtswidrigkeitszusammenhang zu verneinen.“

Es ist daher für Schäden aus dem Zeitraum vor dem Beitritt Österreichs zur EU davon auszugehen, dass die Erstklägerin soweit es sich um Schäden handelt, die dadurch entstanden sind, dass sie überhöhte Förderungen gewährt hat und das Geld nicht stattdessen gewinnbringend veranlagen konnte, diese Schäden nicht von Schutzzweck des Kartellverbots umfasst sind und daher nicht ersatzfähig sind.

In diesen Fällen kann auch nicht von einer bloßen Schadensverlagerung gesprochen werden, da der Schaden eines Förderwerbers, der ohne die Förderung eine Fremdfinanzierung zu ungünstigeren Konditionen hätte vornehmen müssen, nicht dem von der Erstklägerin behaupteten entspricht, der daraus resultieren soll, dass sie vorhandenes Kapital nicht gewinnbringend anlegen konnte.

Es wird daher im fortgesetzten Verfahren bei den aus Förderdarlehen abgeleiteten Schäden zu unterscheiden sein, inwieweit die geltend gemachten Schäden aus der Zeit vor dem EU-Beitritt Österreichs resultieren.

Anders ist dies bei den Ansprüchen zu beurteilen, die aus Direkt- und Annuitätenzuschüssen abgeleitet werden. Hier macht die Erstklägerin nicht nur geltend, dass aufgrund der Förderung die überhöhten Kosten zu 50 % von ihr selbst und nicht dem Förderwerber getragen werden mussten, sondern auch, dass ihr Schadenersatzansprüche des Förderwerbers selbst abgetreten wurden (vgl Pkt 7).

6. Weiters wird noch Folgendes zu beachten sein:

Die Vorinstanzen sind von der Schlüssigkeit des klägerischen Vorbringens ausgegangen. Allgemein ist die Schlüssigkeit des Vorbringens von seiner Beweisbarkeit zu unterscheiden. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RS0037516; RS0037780). Das Gericht hat also aufgrund des materiellen Rechts zu prüfen, ob das klägerische Vorbringen, wenn es dessen Richtigkeit unterstellt, den Klageantrag rechtfertigt, ob also der Tatsachenvortrag den Tatbestand eines Rechtssatzes verwirklicht, aus dem sich die vom Kläger begehrte Rechtsfolge ergibt. Muss dies verneint werden, so ist der Vortrag des Klägers unschlüssig und die Klage – nach erfolglos gebliebener richterlicher Belehrung und Anleitung (§§ 182, 182a ZPO) – als unbegründet abzuweisen (Unschlüssigkeitsurteil). Schlüssigkeit betrifft somit die sachliche Berechtigung der Klage, die Schlüssigkeitsprüfung ist nichts anderes als die einseitige Subsumtion allein des klägerischen Tatsachenvortrags unter die in Betracht kommenden materiell‑rechtlichen Normen ( Geroldinger in Fasching/Konecny 3 III/1 § 226 ZPO Rz 192).

Die Erstklägerin brachte zu dem Schadenersatzanspruch aus Förderdarlehen vor, die Gesamtbaukosten der jeweiligen Projekte mit einem bestimmten Prozentsatz gefördert zu haben, wodurch auch die in den Gesamtbaukosten enthaltenen Liftkosten mit diesem Prozentsatz gefördert worden seien. Da diese Liftkosten um den „Kartellzuschlag“ überhöht gewesen seien, sei auch der Förderbetrag in diesem Umfang überhöht.

Dieser überhöhte Förderbetrag kann aus dem Verhältnis oberer Größen bei Beweisbarkeit der Prämissen errechnet werden:

Die Erstklägerin hat die Liftkosten der einzelnen Anlagen insoweit aufgeschlüsselt, als diese in der Auflistung ./E enthalten sind. Zur Höhe der Förderung hat sie auf die jeweiligen Landesgesetze verwiesen und zur Berechnung des konkreten Kartellzuschlags auf zwei jedenfalls einer Überprüfbarkeit zugängliche Sachverständigengutachten.

Dieses Vorbringen ist allerdings insoweit unvollständig, als entgegen der Behauptung der Erstklägerin die Höhe der Förderung aus den Fördergesetzen gerade nicht eindeutig abgeleitet werden kann, sondern diese hinsichtlich Berechnungsart und Förderhöhe einen Spielraum einräumen. Das Vorbringen bedarf daher hinsichtlich des Prozentsatzes/der Höhe der Förderung für die einzelnen Fälle oder Fallgruppen einer Ergänzung.

Ausgehend vom überhöhten Förderbetrag behauptet die Erstklägerin einen Zinsschaden, weil sie das Geld andernfalls gewinnbringend angelegt hätte. Zur Höhe dieses Zinsschadens wurde ebenfalls ein Vorbringen zu den einzelnen Projekten erstattet, das sich ebenfalls aus ./E ergibt. Es fehlt jedoch, was allerdings im Verfahren bisher noch nicht erörtert wurde, eine Klarstellung, für welchen Zeitraum bei jedem Projekt entgangene Zinsen geltend gemacht werden. Zwar wird der Beginn des Zinsenlaufs mit dem behaupteten Zeitpunkt der Darlehensgewährung angenommen. Da die Darlehen und damit auch die überhöhte Förderung zurückbezahlt wurden, kann danach auch kein Schaden der Erstklägerin mehr entstehen. Auch hier genügt der Verweis auf die Förderbestimmungen nicht, sondern wird dies für jeden Förderfall aufzuschlüsseln sein.

Da beide Vorinstanzen in diesem Zusammenhang von der Schlüssigkeit der Klage ausgegangen sind und die Erstklägerin nicht zu einer entsprechenden Ergänzung ihres Vorbringens angeleitet haben, wird der Erstklägerin im fortgesetzten Verfahren die Möglichkeit zu einer solchen Aufschlüsselung zu geben sein.

7. Die Beklagten behaupten auch eine Unschlüssigkeit hinsichtlich des Vorbringens zu den Direkt- und Annuitätenzuschüssen.

Da sich bei einer wie von der Erstklägerin vorgebrachten Förderung des jeweiligen Bauvorhabens im Umfang von 50 % ein Kartellschaden je zur Hälfte im Vermögen des Bauwerbers und der Erstklägerin verwirklicht, steht unter Zugrundelegung der Entscheidung des EuGH der Ersatz dieses Schadens zur Hälfte der Erstklägerin zu. Dass sich diese auch den Anteil der Bauwerber hat abtreten lassen und dennoch („vorsichtshalber“) nur 50 % des behaupteten Gesamtschadens geltend macht, macht die Klage nicht unschlüssig.

Die Frage, ob die vorgebrachten Lifterrichtungskosten im Rahmen der Gesamterrichtungskosten tatsächlich mit 50 % gefördert wurden, ist im Beweisverfahren zu klären.

8. Die Bedingung, bei deren Eintritt über das Eventualbegehren zu entscheiden ist, tritt erst durch die Abweisung des Klagehauptbegehrens ein. Die Aufhebung der erstgerichtlichen Abweisung des Hauptbegehrens entzieht daher der erstgerichtlichen Entscheidung über das Eventualbegehren die Berechtigung. Die Abweisung des Eventualbegehrens ist demnach nicht rechtskräftig und gilt auch ohne ausdrücklichen Ausspruch als aufgehoben, weil es keine bedingten Entscheidungen gibt (vgl RS0041082).

Dass das Berufungsgericht die Aufhebung der Entscheidung über das Eventualbegehren daher im Rahmen der Aufhebung der Entscheidung über das Hauptbegehren nicht weiter begründet hat, ist nicht zu beanstanden.

9. Mangels entsprechender Beweisaufnahme ist derzeit auch das Feststellungsbegehren, soweit es auf die Haftung für zukünftige Schäden gerichtet ist, nicht spruchreif, auch in diesem Punkt war daher die Entscheidung des Berufungsgerichts zu bestätigen.

10. Insgesamt war daher dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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