European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00080.19H.0226.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit 551,86 EUR (darin enthalten 91,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
Die Kläger begehren die Unterlassung der von der Solaranlage des Beklagten auf das Grundstück der Kläger ausgehenden Lichtimmissionen.
Der Beklagte bestritt. Die Anlage würde seit Jahren bestehen. Von ihr gingen auch keine ortsunüblichen Immissionen aus.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge und verpflichtete den Beklagten zur Unterlassung der Lichtimmissionen.
Die Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich zugelassen, weil zur Frage, ob bei der Beurteilung der Blendwirkung einer Photovoltaikanlage die Richtlinie OVE-Richtlinie R 11-3:2016 11 01 herangezogen werden könne, keine oberstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die Anfechtung der Ergebnisse von Sachverständigengutachten mit Revision ist nur insoweit möglich, als dabei ein Verstoß gegen zwingende Denkgesetze oder zwingende Gesetze des sprachlichen Ausdrucks unterlaufen ist (RS0043404), nicht aber das Ergebnis der Anwendung einer an sich geeigneten Methode (RS0118604 [T5]; RS0127336). Besteht – wie hier – keine gesetzlich vorgeschriebene Methode, so unterliegt das von der Tatsacheninstanz gebilligte Ergebnis eines Gutachtens grundsätzlich keiner Nachprüfung durch den Obersten Gerichtshof, weil es um eine Tatfrage geht (RS0118604).
Dass die OVE-Richtlinie R 11-3:2016 11 01 „Blendung durch Photovoltaikanlagen“ nicht unmittelbar auf die vorliegende Solaranlage Anwendung findet, hat der Sachverständige ohnehin offengelegt. Er hat aber auch darauf verwiesen, dass die grundlegenden Festlegungen der Richtlinie auch auf vergleichbare Anlagen übertragbar sind. Dies wurde vom Beklagten in erster Instanz auch nicht bezweifelt.
Ob diese Richtlinie zur Beurteilung der Blendwirkung der Anlage herangezogen werden kann, ist vom Sachverständigen aufgrund seiner Fachkenntnisse zu entscheiden. Soweit das Erstgericht die entsprechenden technischen Ausführungen des Sachverständigen seinen Feststellungen zugrunde gelegt hat, ist dies der vom Obersten Gerichtshof nicht überprüfbaren Tatsachenebene zuzurechnen.
Die Beurteilung der Ortsüblichkeit bzw Wesentlichkeit der von der Anlage ausgehenden Beeinträchtigung stellt dagegen eine Rechtsfrage dar, die ausgehend von den getroffenen Feststellungen unabhängig von der Richtlinie zu beurteilen ist und von den Vorinstanzen auch beurteilt wurde.
Die Überlegungen des Berufungsgerichts zu dieser Richtlinie, mit der es die nachträgliche Zulassung der ordentlichen Revision rechtfertigte, begründen daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO.
2. Auch dem Beklagten gelingt es nicht, eine erhebliche Rechtsfrage darzulegen. Eine solche läge nach § 502 Abs 1 ZPO nämlich nur dann vor, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier mit Blick auf Aspekte, deren Lösung der Fall vor dem Hintergrund erstinstanzlichen Parteivorbringens und bindender Tatsachenfeststellungen erfordert, nicht gegeben.
3. In der Übernahme der Feststellungen des Erstgerichts durch das Berufungsgericht kann schon begrifflich keine Aktenwidrigkeit liegen (RS0043240). Die Bezeichnungen „östliches Toilettenfenster“ und „östliches Garagentor“ finden sich schon – als solches vom Beklagten unbeanstandet – im Sachverständigengutachten.
Damit ist auch offenbar nicht die Ausrichtung von Fenster oder Tor gemeint, unstrittig nach Norden, sondern die Lage an der Hausfront.
4. Nach § 364 Abs 2 ABGB sind Immissionen nur soweit unzulässig, als sie das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß überschreiten und die ortsübliche Benutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen. Der Unterlassungsanspruch nach § 364 Abs 2 ABGB setzt daher voraus, dass die Beeinträchtigung (Immission) sowohl ortsunüblich als auch unzumutbar ist (RS0010587). Der Maßstab der Wesentlichkeit der Einwirkung ist in erster Linie ein objektiver, der auf die Benützung der Nachbargrundstücke abstellt und daher von der Natur und Zweckbestimmung des beeinträchtigenden Grundstücks abhängig ist. Maßgeblich ist demnach nicht das subjektive Empfinden des sich gestört fühlenden Nachbarn, sondern das eines Durchschnittsmenschen, der sich in der Lage des Gestörten befindet (RS0010607).
Ob eine Einwirkung das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß übersteigt und die ortsübliche Benutzung der Liegenschaft wesentlich beeinträchtigt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0010558; RS0014685).
Zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs nach § 364 Abs 2 ABGB hat der Kläger sein Eigentumsrecht und die Einwirkung zu beweisen, der Beklagte hingegen die Zulässigkeit seiner Einwirkung (RS0010474 [T4]).
5. Lichtimmissionen waren bereits mehrfach Gegenstand oberstgerichtlicher Entscheidungen. Diese betrafen nicht nur die von künstlichen (technischen) Lichtquellen ausgehenden Einwirkungen, sondern auch die Einwirkung reflektierten Sonnenlichts (10 Ob 20/11f mwN). Es ist aber unerheblich, ob die Immission von einer künstlichen oder natürlichen Lichtquelle ausgeht. Es spricht nichts dagegen, die zu Lichtimmissionen aufgrund künstlicher Lichtquellen von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze auch auf Lichtimmissionen aufgrund reflektierten Sonnenlichts zu übertragen (vgl 4 Ob 43/16a).
Dabei kommt es nicht auf die Ortsüblichkeit der emittierenden Anlagen, sondern nur auf die Ortsüblichkeit der Emissionen an (4 Ob 43/16a mwN). Soweit daher der Beklagte Feststellungen dazu vermisst, dass ihm eine andere Aufstellung der Anlage nicht möglich gewesen wäre bzw ob die Art der Anbringung (nicht am Dach, sondern entlang der Grundstücksgrenze) üblich ist, kommt es darauf nicht an.
6. Nach den Feststellungen kommt es zwischen März und Ende September zu Lichtimmissionen, die bezüglich unterschiedlicher Betrachtungspunkte zwischen 64 und 360 Minuten pro Tag zu einer „Absolutblendung“ führen. Die Reflexionen erreichen unter anderem den Gang vor dem Küchenfenster, die Fenster der Galerie, die Poteste der Zugangsstiege, das Garagentor und den Ausfahrts- und Eingangsbereich.
Die Kläger halten sich zumeist in der Küche und in der Galerie auf. Damit handelt es sich um Teile der Räumlichkeiten, die von den Klägern als Wohnräume genutzt werden und um den gesamten Zugangs- bzw Zufahrtsbereich. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass diese Beeinträchtigung wesentlich ist und den Klägern auch im Rahmen eines Interessenausgleichs zwischen Nachbarn nicht zumutbar ist, regelmäßig tagsüber die Fenster abzudunkeln und im Zugangsbereich Sonnenbrillen zu tragen, ist nicht korrekturbedürftig.
7. Ob die Ortsüblichkeit einer vom Nachbargrund ausgehenden Immissionsbeeinträchtigung allein durch die Nichtausübung möglicher Abwehrrechte verändert werden kann, ist umstritten. Uneinigkeit herrscht dabei nicht zuletzt über die Zeit der Untätigkeit, die verstreichen muss, damit sich die Grenzen der Duldungspflicht verschieben (vgl 5 Ob 65/03z mwN; 8 Ob 61/19g).
Die Umgebung, die der in § 364 Abs 2 ABGB verwendete Begriff „Ort“ („örtliche Verhältnisse“) umschreibt, lässt sich nämlich im Regelfall nicht auf das emittierende und das oder die davon wesentlich beeinträchtigte(n) Grundstück(e) reduzieren. Die „örtlichen Verhältnisse“ sind weiträumiger zu verstehen; es geht um Gebiets- bzw Stadtteile („Viertel“) mit annähernd gleichen Lebens- und Umweltbedingungen (5 Ob 65/03z). Was auf einem einzigen Grundstück in der Gemeinde herkömmlich ist, muss noch nicht ortsüblich sein (RS0010672).
So wird bei Immissionseinwirkungen, die von einer Liegenschaft ausgehen, die den Charakter der Gegend prägt, nach kürzerer Zeit von einer Ortsüblichkeit auszugehen sein (vgl 5 Ob 65/03z).
Wann daher aus einer Überschreitung des bis dahin Ortsüblichen eine Änderung des Üblichen wird, richtet sich ebenfalls nach den Umständen des Einzelfalls (7 Ob 361/97g).
Die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, dass im konkreten Fall allein die Untätigkeit der Kläger über einen längeren Zeitraum noch nicht zu einer Ortsüblichkeit der Blendwirkung ausgehend von einer einzelnen privaten Solaranlage führt, hält sich dabei im gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraum.
Auf einen konkludenten Verzicht der Kläger auf die Geltendmachung von Ansprüchen hat sich der Beklagte in erster Instanz nicht berufen. Entsprechende Ausführungen in der Revision stellen daher eine unzulässige Neuerung dar, auf die nicht weiter einzugehen ist.
8. Die Revision des Beklagten ist daher mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Entscheidung nicht.
9. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Kläger haben auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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