Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass der Beschluss unter Einschluss der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile insgesamt zu lauten hat:
„Die Mutter J***** S*****, ist schuldig, ihren beiden Kindern M***** und L***** F***** ab dem 20. 11. 2008 einen vorläufigen Unterhaltsbeitrag zu Handen ihres Vertreters zu zahlen, und zwar M***** in der Höhe von monatlich 141,81 EUR und L***** in der Höhe von monatlich 122,09 EUR.
Die bereits fällig gewordenen Beträge sind sofort, die weiteren Beträge jeweils am 1. eines jeden Monats im Voraus zu zahlen.“
Text
Begründung
Mit ihrem am 20. 11. 2008 beim Erstgericht eingelangten Antrag vom 17. 11. 2008 begehrten die bei ihrem Vater S***** J***** wohnhaften Kinder M***** und L***** F***** von ihrer Mutter J***** S***** ab 1. 10. 2008 monatlichen Unterhalt von 213 bzw 179 EUR. Zugleich beantragten sie, die Mutter gemäß § 382a EO zu vorläufigem Unterhalt zu verpflichten, und zwar zuletzt (nach Ausdehnung zufolge Einrechnung der „13. Familienbeihilfe“) in Höhe von monatlich 141,81 EUR und 122,09 EUR. Die Kinder brachten dazu im Wesentlichen vor, die Mutter beziehe eine monatliche Pension von 1.185,52 EUR inklusive anteiliger Sonderzahlungen. Die Mutter, die noch eine Sorgepflicht für den mj M***** S*****, geboren am ***** 2005, treffe, erbringe für die antragstellenden Kinder, deren Unterhalt massiv gefährdet sei, keine Unterhaltsleistungen.
Die Mutter äußerte sich dahin, dass ihre Pension derzeit lediglich 1.047,89 EUR monatlich betrage. Der von den Kindern begehrte Unterhalt entspreche nicht ihrer Leistungsfähigkeit. Der Vater, bei dem sich die Kinder hauptsächlich aufhalten, habe auch für deren Unterhalt aufzukommen.
Das Erstgericht verpflichtete die Mutter mit einstweiliger Verfügung, ab 20. 11. 2008 gemäß § 382a EO vorläufige Unterhaltsbeiträge von monatlich 130,90 EUR für M***** und 112,70 EUR für L***** zu zahlen, und wies das Mehrbegehren der Kinder ab. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung vorläufigen Unterhalts gemäß § 382a EO lägen vor. Gemäß dieser Bestimmung sei vorläufiger Unterhalt allerdings nur bis zum Grundbetrag der Familienbeihilfe nach dem Familienlastenausgleichsgesetz zu gewähren.
Das Rekursgericht bestätigte diese lediglich von den Kindern in ihrem abweislichen Teil angefochtene Entscheidung und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig. Entgegen der Auffassung der Kinder sei die „13. Familienbeihilfe“ beim vorläufigen Unterhalt nicht zu berücksichtigen. Der Grundbetrag der Familienbeihilfe sei ebenso im FLAG festgelegt, wie ihre 13. Auszahlung, ohne dass aus diesem Grund der Grundbetrag erhöht worden wäre. Hätte der Gesetzgeber eine Anpassung des vorläufigen Unterhalts an die Familienbeihilfe beabsichtigt, hätte er dies im §382a EO leicht ausdrücken können. Eine Erhöhung des vorläufigen Unterhalts um den aliquoten Teil einer „Sonderzahlung“ bedeutete hingegen ein Abgehen vom klaren Wortlaut des Gesetzes. Der Revisionsrekurs sei zuzulassen, weil zur Frage der Einbeziehung der „13. Familienbeihilfe“ noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs der Kinder wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinn der Stattgebung des Antrags auf vorläufigen Unterhalt in beantragter Höhe abzuändern.
Die Mutter hat keine Revisionsrekursbeantwortung erstattet.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs der Kinder ist zulässig und berechtigt. In der Zwischenzeit gibt es bereits eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur gegenständlichen Frage (1 Ob 216/09k). Diese lag allerdings im Zeitpunkt der Entscheidung des Rekursgerichts noch nicht vor.
§ 382a Abs 2 EO bestimmt seit seiner Einführung mit dem Bundesgesetz über den vorläufigen Unterhalt für Minderjährige, BGBl 1987/645, in der bis zum 31. 12. 2009 geltenden Fassung vor dem FamRÄG 2009, BGBl I 2009/75, dass vorläufiger Unterhalt gemäß Abs 1 höchstens bis zum „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ nach dem Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) bewilligt werden kann. Nach anfänglichen Unklarheiten entspricht es nun gesicherter Rechtsprechung, dass mit dem Begriff des „Grundbetrags der Familienbeihilfe“ - der im FLAG selbst gar nicht verwendet wird - jener Betrag gemeint ist, der einer Person an Familienbeihilfe für ein Kind zusteht und der sich nach dem Alter des Kindes richtet (RIS-Justiz RS0006134 ua); er umfasst aber etwa nicht die Zuschläge aufgrund der Geschwisterstaffelung nach § 8 Abs 3 FLAG (10 Ob 28/04x = SZ 2004/90). Sinn des § 382a EO ist es, der Existenzgefährdung von auf Unterhaltszahlungen angewiesenen minderjährigen Kindern entgegenzuwirken und in einem raschen Verfahren die finanzielle Existenzgrundlage für das Kind zu sichern (1 Ob 216/09k; RIS-Justiz RS0097430 ua).
Aufgrund des Initiativantrags mehrerer Abgeordneter zum Nationalrat vom 12. 9. 2008 (IA 900/A 23. GP 1 f) wurde dem §8 FLAG ein neuer Abs 8 angefügt (BGBl I 2008/131), in dem angeordnet wird, dass der Gesamtbetrag an Familienbeihilfe für September verdoppelt wird (vgl dazu auch Neuhauser, Die Höhe des vorläufigen Unterhalts nach Einführung der 13. Familienbeihilfe, iFamZ 2009, 81 ua). Zur Begründung des Initiativantrags wurde dabei unter anderem Folgendes ausgeführt (IA 900/A 23. GP 1 f):
„Familien mit Kindern sind von der herrschenden Inflation und der dadurch bedingten allgemeinen Teuerung besonders betroffen. Diese verstärkte Belastung erhöht sich für Kinder ab dem Schuleintritt gerade im Monat September, in dem üblicherweise das Schul- bzw Ausbildungsjahr beginnt, betrifft allerdings auch Kinder unter 6 Jahren, bei denen z. B. Kosten für die Betreuung anfallen. Es soll daher die Familienbeihilfe, die einen Beitrag des Staates für noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder darstellt, im Monat September zur gezielten Unterstützung bei den anfallenden Mehrausgaben ein dreizehntes Mal ausgezahlt werden. Die Verdoppelung der Familienbeihilfe für September soll für alle Kinder ausbezahlt werden, wobei die Erhöhung der Geschwisterstaffel alle Kinder, für die Familienbeihilfe bezogen wird, umfasst.
Auch die erhöhte Familienbeihilfe von 138,30 EUR monatlich für ein erheblich behindertes Kind soll für September verdoppelt werden, da gerade diese Kinder oft besondere Förderungen, die mit zusätzlichen finanziellen Aufwendungen verbunden sind, benötigen.
Um die Familien auch wirklich rasch noch umfassender unterstützen zu können, soll die 13. Familienbeihilfe rückwirkend bereits für September 2008 ausbezahlt werden.“
Fraglich ist nun, ob diese Novellierung des FLAG bei der Ermittlung des „Grundbetrags der Familienbeihilfe“ nach § 382a Abs 2 EO zu berücksichtigen ist oder ob dieser „Grundbetrag“ weiterhin jene (nunmehr dreizehnmal auszuzahlende) Summe bezeichnen soll, die an Familienbeihilfe für ein Kind einer bestimmten Altersgruppe monatlich gebührt.
Davon, dass der verwendete Begriff wegen des klaren Wortlauts des Gesetzes keinen Interpretationsspielraum offen lasse und schon deshalb eine Erhöhung des vorläufigen Unterhalts um den „aliquoten Teil einer Sonderzahlung“ ausgeschlossen sei, kann hier nicht gesprochen werden, hat doch - wie bereits aufgezeigt wurde - dieser Begriff im FLAG keine Entsprechung. Darüber hinaus ist nach herrschender Rechtsprechung keineswegs bloß der in § 8 Abs 2 Satz 1 FLAG genannte Basisbetrag für jedes Kind von monatlich 105,40 EUR heranzuziehen, sondern schließt der „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ nach § 382a Abs 2 EO jedenfalls auch die altersabhängigen Erhöhungsbeträge mit ein. Insgesamt soll mit dem verwendeten Begriff daher auf jenen Betrag abgestellt werden, der sich an Familienbeihilfe für ein Kind einer bestimmten Altersstufe stets - also etwa unabhängig vom Vorhandensein von Geschwistern - ergibt. Hätte der Gesetzgeber des FLAG nun etwa die in § 8 Abs 2 FLAG genannten Beträge erhöht, könnte kein Zweifel daran bestehen, dass diese Erhöhung auch auf den in § 382a Abs 2 EO genannten Grundbetrag durchschlagen würde (1 Ob 216/09k).
Nach der Entscheidung des 1. Senats (1 Ob 216/09k), der sich der 9. Senat anschließt, besteht keine Veranlassung, die Anordnung einer 13. Auszahlung der Familienbeihilfe (jeweils im September) als Statuierung einer „Sonderzahlung“ zu betrachten, die bei der Beurteilung der Frage, in welcher Höhe für jedes Kind einer bestimmten Altersgruppe staatliche Unterstützung in Form der Familienbeihilfe zumindest gebühren soll, außer Betracht bleiben könnte. Dies legt insbesondere die Begründung des zur Gesetzesänderung führenden Initiativantrags nahe, in der in erster Linie darauf hingewiesen wird, dass Familien mit Kindern von der herrschenden Inflation und der dadurch bedingten allgemeinen Teuerung besonders betroffen seien. Nur in zweiter Linie wird auf eine besondere Belastung gerade im Monat September, in dem „üblicherweise das Schul- bzw Ausbildungsjahr beginnt“, verwiesen, gleichzeitig jedoch darauf hingewiesen, dass auch Kinder unter 6 Jahren von der allgemeinen Teuerung - etwa im Zusammenhang mit Betreuungskosten - betroffen sind.
Eindeutig im Vordergrund stand somit ersichtlich nicht ein besonderer „Sonderbedarf“ eines großen Teils der betroffenen Familien, sondern eine generelle Erhöhung der staatlichen Familienleistungen wegen der allgemeinen Teuerung, die ebensogut durch eine Erhöhung der im Gesetz vorgesehenen Monatsbeträge um je ein Zwölftel vorgenommen hätte werden können. Jedenfalls kann kein Zweifel daran bestehen, dass es sich dabei um eine Erhöhung der Familienbeihilfe handelt, die jedem Kind ohne Rücksicht darauf zugute kommt, ob dieses im September einen Sonderbedarf in Form von Schul-, Ausbildungs- oder Betreuungskosten hat. Gibt der Gesetzgeber des FLAG nun mit der Erhöhung der Familienbeihilfe um insgesamt ein Zwölftel zu erkennen, dass eine entsprechende Unterstützung von Familien deshalb geboten ist, weil sich ihr Geldbedarf vor allem aufgrund der allgemeinen Teuerung gegenüber früheren Perioden erhöht hat, erscheint es naheliegend, diesen „Bedarfsgedanken“ auch auf die Ansprüche nach § 382a Abs 2 EO zu übertragen, die ja zweifellos dazu dienen sollen, dem Kind vorläufig eine finanzielle (Mindest-)Existenzgrundlage zu sichern. Soweit die allgemeine Teuerung Anlass dafür war, die jedem Kind einer bestimmten Altersgruppe zukommenden staatlichen Familienleistungen zu erhöhen, muss dies konsequenterweise auch auf die durch § 382a Abs 2 EO angestrebte Unterhaltssicherung übertragen werden (Neuhauser, iFamZ 2009, 81 [82]; 1 Ob 216/09k).
Auch wenn der Gesetzgeber nach der dargestellten Novellierung des FLAG bedauerlicherweise zunächst nicht für eine entsprechende Klarstellung in § 382a Abs 2 EO gesorgt hat, ist es bei einer teleologischen Betrachtungsweise geboten, die durch § 8 Abs 8 FLAG eingeführte Erhöhung der Familienbeihilfe - um insgesamt ein Zwölftel - als Erhöhung des „Grundbetrags der Familienbeihilfe“ iSd § 382a Abs 2 EO zu qualifizieren, um dem erkennbaren Gesetzeszweck im Rahmen des Zuspruchs vorläufigen Unterhalts zum Durchbruch zu verhelfen (1 Ob 216/09k). Dafür spricht auch die am 1. 1. 2010 in Kraft getretene Änderung des § 382a Abs 2 EO durch das Familienrechts-Änderungsgesetz2009 (FamRÄG 2009) BGBl I 2009/75, aufgrund der die Wortfolge „Grundbetrag der Familienbeihilfe“ durch „jeweiligen altersabhängig bestimmten Betrag der Familienbeihilfe“ ersetzt wurde (vgl IA 673/A 24. GP 37).
Angesichts der gebotenen Durchschnittsbetrachtung im Unterhaltsrecht und dem damit verbundenen Zuspruch von (gleichbleibenden) monatlichen Unterhaltsbeiträgen für die Zukunft bestehen keine Bedenken dagegen, die durch § 8 Abs 8 FLAG statuierte Erhöhung der Familienbeihilfe für die Bemessung des monatlichen Unterhaltsanspruchs iSd § 382a Abs 2 EO prozentuell auf ein ganzes Jahr aufzuteilen (1 Ob 216/09k).
Damit ist dem Revisionsrekurs der Kinder Folge zu geben und es sind die Entscheidungen der Vorinstanzen im Sinn einer vollständigen Antragsstattgebung abzuändern.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)