OGH 9Ob713/91

OGH9Ob713/9123.10.1991

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr. Gamerith, Dr. Maier, Dr. Petrag und Dr. Bauer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** T***** - W*****, Angestellte, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wider die beklagte Partei R***** K*****, Angestellter, ***** vertreten durch ***** Rechtsanwalt *****, wegen S 128.750,-- sA, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 2. Mai 1991, GZ 1 R 55/91-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 22. November 1990, GZ 4 Cg 7/90-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird, soweit sie Nichtigkeit geltend macht, Folge gegeben.

Bezüglich des Begehrens auf Ausfolgung der vom Beklagten bezogenen Familienbeihilfe im Betrag von S 49.550,-- samt 4 % Zinsen seit 8. Februar 1990 und im Kostenpunkt werden die Urteile der Vorinstanzen und das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage diesbezüglich zurückgewiesen. Im übrigen - bezüglich der Entscheidung über das Begehren auf Ersatz eines Unterhaltsaufwandes von S 79.200,-- samt 4 % Zinsen seit 8. Februar 1990 - wird die außerordentliche Revision zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 11.341,24 bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin S 1.357,20 Umsatzsteuer und S 3.198,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.778,80 (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit S 2.288,40 (Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

A***** K***** ist der am 23. Oktober 1969 geborene eheliche Sohn der Streitteile. Die Ehe der Eltern wurde mit Beschluß des Bezirksgerichtes H***** vom 12. August 1981 geschieden. Mit Beschluß dieses Gerichtes vom 28. September 1981 wurde die anläßlich der Scheidung getroffene Vereinbarung über die Übertragung der Obsorge über den Minderjährigen an den Beklagten pflegschaftsgerichtlich genehmigt. Zunächst wohnte A***** K***** - dem von den Streitteilen freigestellt worden war, bei wem er wohnt - beim Beklagten, ab dem Jahre 1984 hingegen überwiegend und ab dem Jahre 1986 ausschließlich bei der Klägerin. Kleidung erhielt der Minderjährige von der Klägerin, dem Beklagten und der Mutter des Beklagten. Bis einschließlich November 1988 bezog der Beklagte die Familienbeihilfe für den Minderjährigen. Der Beklagte bezog im maßgeblichen Zeitraum ab Jänner 1986 ein monatliches Nettoeinkommen von S 22.000,-- bis S 25.000,--, 14 mal jährlich. Die Miete für seine Wohnung in I***** beträgt inklusive Betriebskosten S 6.300,--. Der Beklagte ist für seine nicht berufstätige Ehegattin und den 1982 geborenen gemeinsamen Sohn sorgepflichtig. In der Zeit, in der der Minderjährige beim Beklagten wohnte, zahlte die Klägerin für das Kind keinen Unterhalt; eine Unterhaltsleistung der Klägerin wurde vom Beklagten weder gefordert noch gewünscht. Im Jahre 1984 forderte die Klägerin vom Beklagten die Herausgabe der Familienbeihilfe, im Jahre 1988 forderte sie von ihm Unterhaltszahlungen für den Minderjährigen.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten S 128.750,-- sA und zwar den Rückersatz des von ihr geleisteten Unterhaltes für den Zeitraum von Jänner 1986 bis einschließlich August 1989 im Betrag von monatlich S 1.800,-- das ergibt S 79.200,--, und ferner die Herausgabe der vom Beklagten im Zeitraum vom Jänner 1986 bis November 1988 bezogenen Familienbeihilfe für den Minderjährigen von S 49.550,--. Seit 1986 versorge die Klägerin den Minderjährigen in ihrem Haushalt und sei allein für seinen Unterhalt aufgekommen.

Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Unterhaltsleistungen seien von der Klägerin ohne Rückforderungswillen erbracht worden. Der Beklagte und seine Mutter hätten darüber hinaus finanzielle Beiträge geleistet. Schließlich seien von der Klägerin für den Minderjährigen jahrelang keine Unterhaltsleistungen erbracht worden; der vom Beklagten für die Klägerin in diesem Zeitraum geleistete Unterhaltsbeitrag übersteige die Klagsforderung und werde compensando eingewendet. Zum Bezug der Familienbeihilfe sei der Beklagte berechtigt gewesen; sie sei auch für den Minderjährigen verwendet worden. Im übrigen handle es sich dabei um einen öffentlich rechtlichen Anspruch, der von der Klägerin nicht wahrgenommen werden könne.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit S 128.750,-- fest, verneinte den Bestand der Gegenforderung und gab dem Klagebegehren statt. Der Klägerin stehe ein Ersatzanspruch für den an den Minderjährigen geleisteten Unterhalt gegen den Beklagten als Unterhaltspflichtigem im Rahmen von dessen Leistungsfähigkeit zu. Ein Rückforderungswille der Klägerin sei anzunehmen. Die Familienbeihilfe habe uneingeschränkt dem zuzukommen, in dessen Haushalt das Kind betreut werde.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß der Unterhaltsanspruch des Minderjährigen durch seinen vom Beklagten gebilligten Auszug aus dessen Haushalt nicht verwirkt worden sei. Der Beklagte könne nach seiner Leistungsfähigkeit Unterhalt in Höhe des Regelbedarfes leisten; die Klägerin verlange ohnehin nur den Ersatz der Hälfte des Regelbedarfes. Die Familienbeihilfe sei ein Einkommensbestandteil der das Kind betreuenden Person. Der Klägerin stehe daher ein Anspruch nach § 1042 ABGB gegen den die Familienbeihilfe beziehenden, aber das Kind nicht betreuenden unterhaltspflichtigen Beklagten zu.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der beklagten Partei aus den Revisionsgründen (inhaltlich) der Nichtigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn der Abweisung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagende Partei beantragt, die außerordentliche Revision hinsichtlich des Teilbetrages von S 49.550,-- zurückzuweisen und ihr bezüglich des restlichen Betrages von S 79.200,-- keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision ist teilweise zulässig. Gemäß § 502 Abs 3 Z 1 ZPO gilt die Wertgrenze des Abs 2 dieser Gesetzesbestimmung nicht für die im § 49 Abs 1 Z 1, 2, 2 a, 2 b und 2 c JN bezeichneten familienrechtlichen Streitigkeiten. Die heutige Fassung erhielten die im § 49 Abs 2 JN genannten familienrechtlichen Kompetenzen durch das Eherechtsänderungsgesetz BGBl 280/1978 sowie durch das Familiengerichtsgesetz BGBl 90/1985. Dem Ausschußbericht 916 BlgNR 14. GP, 21 und 23 ist zu entnehmen, daß mit diesen Bestimmungen eine besondere familienrechtliche Zuständigkeit auf bezirksgerichtlicher Ebene geschaffen und davon auch alle auf Ersatz des für ein eheliches Kind geleisteten Aufwandes gerichteten Klagen erfaßt werden sollten; auch ein Rechtsübergang sollte die Zuständigkeit nicht berühren. Wie sich aus dem Ausschußbericht zum Familiengerichtsgesetz 528 BlgNR 16.GP, 1 f, ergibt, war der Gesetzgeber bestrebt, mit diesem Gesetz die Kompetenzzersplitterung für Verfahren mit familienrechtlichem Bezug zu beseitigen und sie bei dem jeweils in Frage kommenden örtlich zuständigen Bezirksgericht zu konzentrieren. Geht man von diesem Gesetzeszweck aus, dann ist nicht nur eine Klage auf Ersatz des für ein eheliches Kind geleisteten Aufwandes nach § 1042 ABGB unter § 49 Abs 2 Z 2 JN zu subsumieren (siehe Fasching ZPR2 Rz 243; SZ 37/86), sondern auch eine Streitigkeit über die Herausgabe der für ein Kind bezogenen Familienbeihilfe als aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern entspringende Streitigkeit im Sinne des § 49 Abs 2 Z 2 c JN zu qualifizieren, da dieser Anspruch aus der Betreuung des Kindes im Haushalt des jeweiligen Elternteiles und daher aus dem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern abgeleitet wird. Die Revision ist sohin trotz des S 50.000,-- nicht übersteigenden Streitgegenstandes bezüglich des Anspruches auf Herausgabe der Familienbeihilfe auch dann nicht absolut unzulässig, wenn man einen tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang der beiden in der Klage geltend gemachten Ansprüche im Sinne des § 55 Abs 1 Z 1 JN verneint.

Die Revision ist bezüglich dieses Anspruches aber auch gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig, weil zu der vom Revisionswerber - mit den Ausführungen, bei der Familienbeihilfe handle es sich um einen öffentlich-rechtlichen Anspruch, die Rückforderung stehe nur dem Staat zu - aufgeworfenen Frage der Zulässigkeit des Rechtsweges für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe der vom Beklagten bezogenen Familienbeihilfe keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht.

Die Revision ist diesbezüglich auch berechtigt.

Anspruch auf Familienbeihilfe hat gemäß § 2 Abs 2 FamLAG die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört. Gemäß § 13 Abs 1 FamLAG hat über den Antrag auf Gewährung der Familienbeihilfe das nach dem Wohnsitz oder dem gewöhnlichen Aufenthalt des Antragstellers zuständige Finanzamt zu entscheiden. Personen, denen Familienbeihilfe gewährt wird, sind gemäß § 25 FamLAG verpflichtet, Tatsachen, die bewirken, daß der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt, dem zuständigen Finanzamt zu melden. Wer zu Unrecht Familienbeihilfe bezogen hat, hat die entsprechenden Beihilfen zurückzuzahlen, soweit der unrechtmäßige Bezug nicht ausschließlich durch eine unrichtige Auszahlung durch den Dienstgeber oder eine auszahlende Stelle verursacht worden ist (§ 26 Abs 1 FamLAG). Bei der Familienbeihilfe handelt es sich demnach um eine aus öffentlichen Mitteln (Ausgleichsfonds) gewährte Leistung; über die Bezugsberechtigung und die Rückforderung zu Unrecht bezogener Leistungen hat nach der dargestellten Rechtslage ausschließlich das zuständige Finanzamt zu entscheiden (siehe auch ÖStZB 1988, 392; vgl RdW 1988, 323). Für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe dieser Leistungen - da nicht der Beklagte, sondern sie anspruchsberechtigt gewesen sei - ist daher der Rechtsweg nicht zulässig.

Der Revision war sohin bezüglich dieses Anspruches stattzugeben, die darüber ergangenen Entscheidungen und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage insoweit zurückzuweisen.

Da der Anspruch auf Ersatz des für den Minderjährigen geleisteten Unterhaltes aus einem anderen Sachverhalt abgeleitet wurde als der auf Herausgabe der Familienbeihilfe, ist ein Zusammenhang dieser Ansprüche gemäß § 55 Abs 1 Z 1 JN zu verneinen (siehe Fasching I 344 f; SZ 58/134; zuletzt GesRZ 1990, 41) und die Zulässigkeit der Revision für diesen weiteren Anspruch gesondert zu prüfen.

Bezüglich dieses Anspruches ist die Revision aber mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

In der Entscheidung des verstärkten Senats SZ 61/143 = JBl 1988, 586 (Pichler), mit der von der bisherigen Rechtsprechung abgegangen und Unterhalt auch für die Vergangenheit zuerkannt wurde, wurde ausdrücklich auf das allfällige Erlöschen des Unterhaltsanspruches für die Vergangenheit für den Fall Bedacht genommen, daß ein Dritter den gesetzlichen Unterhalt in Erwartung des Ersatzes vom Unterhaltsschuldner leistete und ihm daher der Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB zusteht. In der Folge hat der Oberste Gerichtshof in den Entscheidungen 6 Ob 626/88, 2 Ob 551/90, JBl 1991, 309 sowie 6 Ob 529/91 ausdrücklich die Möglichkeit bejaht, daß die Mutter, in deren Obsorge sich das Kind befindet, die Unterhaltsleistungen an das Kind in Erwartung des Ersatzes durch den unterhaltspflichtigen Vater erbringt und dadurch einen Ersatzanspruch gemäß § 1042 ABGB erwirbt. Es trifft daher nicht zu, daß zu dieser Rechtsfrage keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes besteht. Soweit der Revisionswerber ausführt, der Minderjährige habe sich gegen den Willen des Beklagten bei der Mutter befunden, der Beklagte habe in nennenswertem Umfang zum Unterhalt des Minderjährigen beigetragen, geht er nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 51 Abs 1 und 43 Abs 1 ZPO. Der Beklagte hat bereits in der Klagebeantwortung auf die öffentlich rechtliche Natur des Anspruches auf Familienbeihilfe und damit auf die Unzulässigkeit des Rechtsweges für das Begehren auf Herausgabe dieser Leistungen hingewiesen. Der Klägerin waren daher gemäß § 51 Abs 1 ZPO sämtliche auf diesen Teil des Begehrens entfallenden Kosten aufzuerlegen.

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