OGH 9Ob71/06s

OGH9Ob71/06s28.9.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Dr. Kuras als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Martin W*****, geboren 29. September 1990, vertreten durch die Mutter Susanne W*****, und der volljährigen Kinder Franz und Nikolaus W*****, geboren jeweils 27. Juni 1987, alle vertreten durch Mag. Michael Aurednik, Rechtsanwalt in Baden, wegen Unterhaltsherabsetzung, über den Revisionsrekurs der Kinder gegen den Beschluss des Landesgerichtes Eisenstadt als Rekursgericht vom 14. März 2006, GZ 20 R 19/06b-U-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Neusiedl am See vom 13. Jänner 2006, GZ 2 P 1586/95d-U-21, aufgehoben wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsrekursbeantwortung bleibt der Endentscheidung in der Sache vorbehalten.

Text

Begründung

Der Vater war zuletzt zu monatlichen Unterhaltszahlungen in Höhe von je EUR 350 für seine Kinder Franz und Nikolaus W***** und in Höhe von EUR 300 für den mj Martin W***** verpflichtet. Dieser Unterhaltsfestsetzung lag ein anrechenbares monatliches Durchschnittseinkommen des Vaters in Höhe von EUR 1.900 sowie der Umstand zu Grunde, dass diesen keine weiteren Sorgepflichten trafen. Der Vater ist selbständiger Zimmerermeister. Über sein Vermögen wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg vom 13. 6. 2005 der Konkurs eröffnet. Der Betrieb wurde während des Konkursverfahrens und wird nach wie vor weitergeführt. In der Tagsatzung vom 21. 9. 2005 wurde der Zwangsausgleichsvorschlag des Vaters angenommen, wonach die Gläubiger 25 % ihrer Forderung zu erhalten haben, wobei eine 5 %ige Barquote bereits beim Masseverwalter erlag und von diesem binnen vierzehn Tagen nach rechtskräftiger Konkurseröffnung auszuschütten war, weitere jeweils 5 % binnen 6, 18 und 24 Monaten nach Annahme des Zwangsausgleichsvorschlags zu entrichten sind und zusätzliche 5 % im September 2008 bezahlt werden sollen. Bei Säumigkeit mit nur einer Quote trotz qualifizierter Mahnung lebt die gesamte Restforderung wieder auf. Nach rechtskräftiger Bestätigung des angenommenen Zwangsausgleichs wurde der Konkurs mit Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 7. 10. 2005 gemäß § 157 Abs 1 KO aufgehoben. Im Hinblick auf die Konkurseröffnung beantragte der Vater am 16. 6. 2005 die Herabsetzung seiner monatlichen Unterhaltsverpflichtung auf je EUR 190 für seine Söhne Franz und Nikolaus und auf EUR 160 für den mj Martin. Im Hinblick auf seine Vermögenssituation sei er außer Stande, die bisher auferlegten Unterhaltsbeträge weiterhin zu leisten. Zuletzt hielt der Vater seinen Herabsetzungsantrag nur insoweit aufrecht, dass für die Söhne Franz und Nikolaus monatlich EUR 210 und für den mj Martin monatlich EUR 180 zu bezahlen seien. Die unterhaltsberechtigten Kinder sprachen sich gegen die begehrte Herabsetzung aus.

Das Erstgericht wies den Herabsetzungsantrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass ein Konkursverfahren ohne Einfluss auf die Unterhaltspflicht des Vaters sei.

Das Rekursgericht hob diesen Beschluss auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass nach neuerer Judikatur die Konkurseröffnung auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage Einfluss nehme, weil dadurch in geradezu typischer Weise die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Gemeinschuldners herabgesetzt werde. Ausgehend von seiner durch das Rekursgericht nicht gebilligten Rechtsansicht habe das Erstgericht jedoch Feststellungen sowohl zu den Bedürfnissen der Kinder als auch zur konkreten Leistungsfähigkeit des Vaters unterlassen, weil auch die für den Zwangsausgleich zu leistenden Zahlungen zu berücksichtigen seien. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch nicht eindeutig klargestellt sei, ob der Oberste Gerichtshof seine Rechtsansicht generell beibehalte und es auch an konkreter Rechtsprechung betreffend die Bedeutung des Zwangsausgleichs mangle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der unterhaltsberechtigten Kinder mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Beschluss des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig, weil der Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt. Abgesehen davon, dass der Oberste Gerichtshof bei der Prüfung der Zulässigkeit eines Revisionsrekurses an den Zulässigkeitsausspruch des Rekursgerichtes gemäß § 71 Abs 1 AußStrG nicht gebunden ist, ist ein Revisionsrekurs auch dann nicht zulässig, wenn das Rechtsmittel nur solche Gründe geltend macht, deren Erledigung nicht von der Lösung erheblicher Rechtsfragen abhängt (RIS-Justiz RS0102059).

Die Behauptung, dass durch die Entscheidung 1 Ob 86/04k = SZ 2004/77 keine Judikaturwende eingeleitet worden sei, widerspricht der im Anschluss daran ergangenen und veröffentlichten Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0119130). Die Revisionsrekurswerber halten dieser Rechtsprechung auch keine grundsätzlichen Argumente entgegen, sondern meinen lediglich, dass diese im konkreten Fall nicht anwendbar sei. Sie behaupten auch gar nicht, dass von dem vom unterhaltspflichtigen Vater zu erfüllenden Zwangsausgleich auch Forderungen umfasst seien, die für die Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage außer Betracht zu bleiben hätten. Die Revisionsrekurswerber argumentieren vielmehr damit, dass ja noch gar nicht feststehe, dass der Unterhaltsschuldner künftig auch unter Berücksichtigung seiner Zwangsausgleichsschulden nicht in der Lage sein werde, seine Unterhaltsverpflichtungen in der bisherigen Höhe zu tragen. Damit stellen die Revisionsrekurswerber auf die konkrete Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ab. Das Argument, dass nur eine einen längeren Zeitraum der Vergangenheit umfassende Einkommensbetrachtung zu einem Unterhaltsänderungsantrag legitimiere, findet in dieser Verallgemeinerung keine Stütze in der Rechtsprechung. Vielmehr kommt es darauf an, inwieweit die Vergangenheitsbetrachtung verlässliche Schlüsse auf die künftige Leistungsfähigkeit zulässt (s zuletzt 10 Ob 8 /07k). Der angefochtene Aufhebungsbeschluss verkennt keineswegs, dass auch selbständig Erwerbstätige der Obliegenheit unterliegen, ihr Einkommen in zumutbarer Weise zu maximieren, dh ihre Erwerbstätigkeit mit der erforderlichen wirtschaftlichen Sorgfalt zu betreiben (RIS-Justiz RS0047511). Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass er diesen Verpflichtungen nachkommt, trifft ohnehin den eine Herabsetzung seiner Unterhaltspflichten anstrebenden Unterhaltsschuldner (RIS-Justiz RS0047536). Der an das Erstgericht erteilte Ergänzungsauftrag dient daher auch dazu, dem unterhaltspflichtigen Vater Gelegenheit zu solchem Vorbringen und dessen Beweis zu geben.

Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage erweist sich der Revisionsrekurs daher als unzulässig.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 1 AußStrG. Auch dann, wenn sich ein Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss der zweiten Instanz richtet und der Gegner auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hinweist, liegt darin noch kein Zwischenstreit, der einen gesonderten Kostenzuspruch ermöglichen würde (RIS-Justiz RS0117737). Dass dem Vater im vorliegenden Fall - gegenüber den mittlerweile volljährig gewordenen Kindern Franz und Nikolaus - überhaupt ein Kostenanspruch erwachsen könnte und damit der Ausspruch des Kostenvorbehalts notwendig ist, ergibt sich durch Auslegung des § 78 iVm § 101 Abs 2 AußStrG: Gemäß § 101 Abs 2 AußStrG findet in Verfahren über Unterhaltsansprüche eines minderjährigen Kindes ein Kostenersatz nicht statt. Hinsichtlich minderjähriger Kinder änderte sich durch diese mit BGBl I 111/2003 neu eingeführte Bestimmung nichts; es wurde aber auch die Frage der Kostenersatzpflicht für den Fall nicht ausdrücklich geregelt, wenn ein Unterhaltsantrag (- Anmerkung: wohl auch ein Unterhaltsherabsetzungsantrag -) noch während der Minderjährigkeit eines unterhaltsberechtigten Kindes gestellt wird, das Verfahren aber erst nach Erreichen der Volljährigkeit endet (Gitschthaler „Unterhalt, Besuchsrecht, Obsorge und Vermögensverwaltung" in ecolex 2004, 924). Gitschthaler (aaO) bezeichnet es als „fraglich", ob die perpetuatio fori für den Kostenzuspruch anwendbar ist. Fucik/Kloiber (AußStrG § 101 Rz 15) vertreten die Meinung, dass dann, wenn sich ein Unterhaltsverfahren eines Minderjährigen über dessen achtzehnten Geburtstag hinauszieht, nur für Vertretungshandlungen vor Erreichen der Volljährigkeit kein Kostenersatz stattfindet. Auch Deixler-Hübner (in Rechberger AußStrG § 101 Rz 13) vertritt die Auffassung, dass für Vertretungskosten in Unterhaltsverfahren nach Erreichen der Volljährigkeit grundsätzlich ein Kostenanspruch besteht. Dieser Auffassung ist beizupflichten. Wenn der Gesetzgeber von der Prämisse ausgeht, dass minderjährige Unterhaltsberechtigte nicht mit Kostenfolgen belastet werden sollen, wenn sie im Unterhaltsverfahren unterliegen (Deixler-Hübner aaO), ist es auch sachgerecht, § 101 Abs 2 AußStrG dahin auszulegen, dass im anhängigen Unterhaltsverfahren ab dem Zeitpunkt, wo ein Unterhaltspflichtiger volljährig wird, die Kostenersatzregelung des § 78 AußStrG Platz greift. Ab diesem Zeitpunkt ist es dem mittlerweile volljährig und verfahrensfähig gewordenen Kind möglich, über den Verfahrensgegenstand zu disponieren, wie durch Zurückziehen eines aussichtslosen Antrages oder das Fallenlassen aussichtsloser Einwendungen. Damit ist es auch in die Hand des volljährigen Kindes gegeben, ein weiteres Kostenrisiko zu vermeiden.

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