European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00045.15F.0729.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
1. Die Fragen, ob ein Sachverständigengutachten - hier zur Geschäftsfähigkeit der Beklagten ‑ schlüssig und nachvollziehbar ist, ob dem Gutachten gefolgt werden kann oder ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, gehören zur Beweiswürdigung und können im Revisionsverfahren nicht mehr überprüft werden (RIS‑Justiz RS0043320 [zB T1, T12]; RS0043163 [T16] ua). Die Ausführungen des Sachverständigen, dass die Beklagte ab dem Zeitpunkt des Todes ihres Gatten im Jahr 2007 nicht geschäftsfähig gewesen sei (ON 16 AS 199) und auch ohne diese Belastung geschäftsunfähig gewesen wäre (ON 32 AS 283), stehen zueinander aber ohnehin nicht in Widerspruch, weil damit der Tod des Gatten nicht als Ursache, sondern allenfalls als zusätzlicher Belastungsfaktor für die fehlende Fähigkeit der Beklagten zur Beurteilung komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge und für ihre dauerhaft erhöhte Beeinflussbarkeit durch andere Menschen angesehen wird.
2. Hingegen ist die Schlussfolgerung, ob aufgrund der tatsächlichen Umstände und persönlichen Eigenschaften im Zeitpunkt der Abgabe einer Willenserklärung diese im vollen Gebrauch der Vernunft (§ 865 ABGB) abgegeben wurde, eine Rechtsfrage. Geschäftsunfähigkeit ist nicht nur bei völliger Unfähigkeit zur Willensbildung gegeben; es reicht vielmehr aus, wenn eine durch Geisteskrankheit oder Geistesschwäche behinderte Person zur Willensbildung unfähig ist oder die Tragweite des konkreten Geschäfts nicht richtig abschätzen kann (6 Ob 44/13h mwN). Die Beurteilung, ob eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt die Tragweite bestimmter Willenserklärungen verstandesmäßig erfassen konnte, ist aber eine typische Frage des Einzelfalls (RIS‑Justiz RS0117658).
Die Beklagte hatte Vereinbarungen unterzeichnet, in denen sie sich unwiderruflich verpflichtete, für einen Wohnbauförderungskredit und einen Altbausanierungskredit der Kläger für den Hausumbau monatlich je 120 EUR zu bezahlen und die „anfallenden Zinsen“ zu übernehmen. Die Vereinbarungen standen im Zusammenhang damit, dass den Klägern zwei Kredite eingeräumt worden waren, die Beklagte der Bank als Sicherheit ein ihrem grundbücherlich einverleibten Wohnungsgebrauchsrecht und Ausgedinge vorrangig einzuverleibendes Pfandrecht einräumte, sie auch den zweiten Kreditvertrag mitunterzeichnete und dessen Aufstockung akzeptierte. Dem wäre schon die Höhe und Dauer der Zahlungspflicht der Beklagten nicht zu entnehmen. Wenn die Vorinstanzen die Vereinbarungen danach als „komplexere Rechtsgeschäfte“ ansahen, die die Verstandeskraft der Beklagten überstiegen, so ist dies in keiner Weise zu beanstanden.
3. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Kläger zurückzuweisen.
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