OGH 9Ob40/05f

OGH9Ob40/05f3.8.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sadik Z*****, vertreten durch Dr. Helmut Hackl, Mag. Michaela Fattinger und Mag. Christian Premm, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagten Parteien 1. Mehmed B*****, vertreten durch Dr. Birgitta Braunsberger-Lechner, Rechtsanwältin in Steyr, und 2. I***** GmbH, ***** vertreten durch Dr. Heinrich Oppitz Rechtsanwalt KEG in Wels, wegen EUR 15.000 sA und Feststellung (EUR 3.000), infolge Revisionsrekurses der zweitbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 30. Mai 2005, GZ 1 R 106/05x-26, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Steyr vom 21. März 2005, GZ 26 Cg 144/04b-18, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Zurückweisung der Rekursbeantwortung der zweitbeklagten Partei wendet, zurückgewiesen.

Im Übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht Folge gegeben.

Die zweitbeklagte Partei hat die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit seiner an das Erstgericht gerichteten Klage nahm der Kläger beide Beklagte wegen eines Arbeitsunfalls auf Schadenersatz in Anspruch. Der Erstbeklagte habe als sein Arbeitskollege dem Kranführer bei Hubarbeiten verfrüht das Zeichen zum Anheben der Last gegeben, wodurch es zu schweren Verletzungen des Klägers gekommen sei. Die Zweitbeklagte sei für den Baukran verantwortlich gewesen; sie habe den Unfall dadurch verschuldet, dass sie den Kranführer nicht eingeschult und belehrt habe. Die Klage wurde vom Erstgericht als allgemeine Streitsache (Cg) behandelt.

Nachdem der Erstbeklagte in seiner Klagebeantwortung die „Einrede der sachlichen Unzuständigkeit erhoben" und die „Überweisung an das sachlich zuständige Landesgericht als Arbeits- und Sozialgericht Steyr" beantragt hatte, wogegen die Zweitbeklagte die „Arbeitsrechtszuständigkeit" ihr gegenüber verneinte, erklärte der Kläger in einem noch vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung erstatteten Schriftsatz, die „Unzuständigkeitseinrede" zu erheben, und beantragte, die Rechtssache an das „LG Steyr für Arbeits- und Sozialrechtssachen zu überweisen". Nachdem das Erstgericht in der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung durch einen Einzelrichter die Verhandlung auf die Frage der Gerichtsbesetzung eingeschränkt hatte, präzisierte der Kläger seinen „Überweisungsantrag" dahin, dass sich dieser auch auf die Zweitbeklagte im Hinblick auf die Zuständigkeit des Zusammenhangs nach § 8 ASGG beziehe. Die Zweitbeklagte wandte ein, nach Streiteinlassung sei eine allenfalls bestehende Unzuständigkeit bzw unrichtige Gerichtsbesetzung geheilt und eine Zurück- bzw Überweisung nicht mehr möglich.

Das Erstgericht sprach aus, das Verfahren sei hinsichtlich des Erstbeklagten in der für Arbeits- und Sozialrechtssachen vorgesehenen Gerichtsbesetzung, hinsichtlich der Zweitbeklagten hingegen in der Besetzung eines Einzelrichters fortzuführen. Dass es sich bei der Streitigkeit zwischen dem Kläger und dem Erstbeklagten um eine Arbeitsrechtssache gemäß § 50 Abs 1 Z 3 ASGG handle, sei unstrittig und bedürfe keiner weiteren Erörterung. Gegenüber der Zweitbeklagten käme zwar - ausgehend von den Klagebehauptungen - der Gerichtsstand des Zusammenhangs gemäß § 8 ASGG zum Tragen, sodass die Rechtssache in einem einheitlichen Verfahren „vor dem Arbeits- und Sozialgericht" zu führen wäre. Das Erstgericht schließe sich jedoch der Auffassung der Zweitbeklagten an, wonach dieser Umstand mangels entsprechender Einrede infolge Streiteinlassung in der Sache selbst nicht mehr aufgegriffen werden könne. Auch wenn das Oberlandesgericht Linz in einer Entscheidung ausgeführt habe, die Bestimmung des § 8 ASGG sei entsprechend dem Normzweck möglichst weit auszulegen, um zu verhindern, dass zusammenhängende Tatbestände in verschiedenen unterschiedlich geregelten Verfahren behandelt werden, stünden einer derartigen Auslegung im vorliegenden Fall die eindeutigen Bestimmungen des § 38 Abs 1 ASGG über die Wahrnehmung von Unzuständigkeiten und deren Heilung entgegen. Daran ändere auch nichts, dass die Aufsplittung in zwei Verfahren für den Kläger höchst unzufriedenstellend und nachteilig sei.

Das Rekursgericht änderte aufgrund eines Rekurses des Klägers den Ausspruch hinsichtlich der Zweitbeklagten dahin ab, dass auch das Verfahren gegen ihn in der für Arbeits- und Sozialrechtssachen vorgesehenen Gerichtsbesetzung fortzuführen sei. Es wies weiters die Rekursbeantwortung der Zweitbeklagten zurück und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Das Rekursverfahren sei nicht zweiseitig; der Oberste Gerichtshof habe bereits ausgesprochen, dass eine Entscheidung nach § 37 Abs 3 ASGG unter keinen der in § 521a ZPO aufgezählten Fälle einzureihen sei. Zutreffend berufe sich der Kläger für das Verfahren gegen die Zweitbeklagte auf den Gerichtsstand des Zusammenhangs im Sinne des § 8 ASGG. Wäre die Klage von vornherein „beim Landesgericht Steyr als Arbeits- und Sozialgericht" eingebracht worden, hätte die Zweitbeklagte gemäß § 8 Abs 2 ASGG mitgeklagt werden können. Ein Streit über die (sachliche und örtliche) Zuständigkeit des Erstgerichts und eine Heilung durch rügelose Einlassung habe nicht eintreten können. Es sei vielmehr ein Verstoß gegen die Richtigkeit der Gerichtsbesetzung vorgelegen, worüber das Erstgericht im Sinne des § 37 Abs 3 ASGG zu entscheiden gehabt habe. Gegenüber der Zweitbeklagten habe eine Heilung eines Besetzungsmangels gar nicht eintreten können, da ihr gegenüber keine Arbeitsrechtssache vorliege und sie einen Besetzungsmangel daher nicht habe rügen können. Schon aus der gemeinsamen Klageführung sei der Wille des Klägers ersichtlich gewesen, einen gemeinsamen Rechtsstreit gegen beide Beklagten zu führen. Es müsse daher in einem Besetzungsstreit nach § 37 Abs 3 ASGG für den Kläger möglich sein, sich der Bemängelung des Erstbeklagten zu unterwerfen, sich aber in Bezug auf einen weiteren Beklagten auf den Wahlgerichtsstand des § 8 Abs 2 ASGG zu berufen. Lägen die Voraussetzungen dieses Gerichtsstands des Zusammenhangs vor, so dürfe keine zwischen den beiden Beklagten unterscheidende Entscheidung nach § 37 Abs 3 ASGG ergehen. Vielmehr sei dann zufolge § 55 ASGG einheitlich das für die Rechtsstreitigkeiten nach § 50 Abs 1 ASGG maßgebliche Verfahren anzuwenden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zu einer vergleichbaren Fallgestaltung keine Judikatur des Obersten Gerichtshofs aufgefunden werden könne.

Soweit sich der Revisionsrekurs der Zweitbeklagten gegen die Zurückweisung ihrer Rekursbeantwortung wendet, erweist er sich als unzulässig, weil insoweit keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 528 Abs 1 ZPO zu lösen war; es entspricht ganz herrschender Rechtsprechung (vgl nur RIS-Justiz RS0043996), dass das Rekursverfahren über einen Beschluss gemäß § 37 Abs 3 ASGG einseitig ist.

Rechtliche Beurteilung

Im Übrigen ist der Revisionsrekurs zulässig, jedoch nicht berechtigt.

Gemäß § 8 Abs 2 ASGG kann bei Anhängigmachen einer Arbeitsrechtssache im Sinne des Abs 1 auch ein anderer zivilrechtlicher Anspruch zwischen einem Arbeitnehmer und einem Dritten eingeklagt werden, sofern für die Geltendmachung dieses Anspruchs nicht eine ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist, die auch durch eine Parteienvereinbarung nicht geändert werden könnte. Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 8 Abs 2 ASGG im vorliegenden Fall für das Verfahren zwischen dem Kläger und der Zweitbeklagten erfüllt sind, was im Übrigen auch von der Revisionsrekurswerberin im Grundsatz nicht in Frage gestellt wird.

Diese geht allerdings unzutreffend davon aus, der Kläger habe die Klage „beim Landesgericht Steyr in der Besetzung als Einzelrichter" eingebracht bzw er wolle eine „einmal beantragte Gerichtsbesetzung" abändern. Richtig ist, dass die Klage ganz allgemein an das „Landesgericht Steyr" gerichtet war, ohne klarzustellen, ob dieses in Ausübung der allgemeinen Gerichtsbarkeit oder aber als Arbeits- und Sozialgericht tätig werden soll. Eine derartige Qualifikation ist vom Kläger auch nicht zu fordern. Dieser hat jedenfalls klargestellt, dass er die Ansprüche gegen beide als Solidarschuldner in Anspruch genommene Beklagte in einem gemeinsamen Verfahren durchsetzen will. Die Frage, in welcher Gerichtsbesetzung das angerufene Gericht tätig zu werden hat, insbesondere ob eine Arbeitsrechtssache im Sinne des § 50 Abs 1 ASGG vorliegt, hat das Gericht von sich aus zu prüfen und die Prozessakten dem nach der Geschäftsverteilung zuständigen Entscheidungsorgan (Einzelrichter, Senat) zukommen zu lassen. Ist eine Partei der Auffassung, jenes Gerichtsorgan, das die Sache in Behandlung nimmt, sei dazu nicht berufen, ist das Verfahren nach § 37 ASGG durchzuführen.

Die Revisionsrekurswerberin räumt ausdrücklich ein, der Kläger hätte „naturgemäß" die Möglichkeit gehabt, auch ihr gegenüber im Sinne des § 8 ASGG die Besetzung als Arbeits- und Sozialgericht zu begehren, es sei aber seine Sache, dass er diese Möglichkeit in der Klage nicht wahrgenommen habe. Wie bereits dargelegt, fordert das ASGG nicht, eine bestimmte Gerichtsbesetzung bereits in der Klage zu verlangen. Nach § 37 Abs 3 hat das Gericht stets mit Beschluss auszusprechen, in welcher Gerichtsbesetzung das Verfahren fortzuführen ist, sofern noch keine Heilung nach Abs 1 eingetreten ist. § 37 Abs 1 ASGG ordnet nun ausdrücklich die sinngemäße Anwendung des § 260 Abs 4 ZPO an, sofern die Parteien - wie hier - durch qualifizierte Personen vertreten waren. Nach § 260 Abs 4 ZPO kann eine unrichtige Gerichtsbesetzung nur dann nicht mehr berücksichtigt werden, wenn sich beide Parteien in die mündliche Streitverhandlung eingelassen haben, ohne diesen Umstand geltend zu machen.

Davon kann im vorliegenden Fall keine Rede sein, hat doch der Kläger bereits vor der ersten Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung schriftlich ausdrücklich die „Überweisung" der Rechtssache an das „LG Steyr für Arbeits- und Sozialrechtssachen" beantragt, was vernünftigerweise nicht anders verstanden werden kann, als dass er für „die Rechtssache", also für das Verfahren gegen beide Beklagte, eine Verhandlung und Entscheidung des angerufenen Gerichts in der für Arbeits- und Sozialrechtssachen vorgesehenen Gerichtsbesetzung anstrebte; im Rahmen der Erörterung der Frage der Gerichtsbesetzung zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung hat der Kläger unter Berufung auf § 8 ASGG neuerlich bekräftigt, hinsichtlich der Zweitbeklagten die „Zuständigkeit des Zusammenhangs" geltend zu machen. Da sich der Kläger somit keineswegs in die Verhandlung vor einem unrichtig besetzten Gericht eingelassen, sondern vielmehr die Verhandlung (und Entscheidung) durch einen arbeitsrechtlichen Senat begehrt hat, ist es ihm entgegen der Auffassung der Revisionsrekurswerberin keineswegs verwehrt, die Anwendung des § 8 Abs 2 ASGG zu begehren, die ja gerade verhindern soll, dass zwei Verfahren mit ganz ähnlichem Prozessthema nebeneinander geführt werden müssen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50 Abs 1, 40 Abs 1 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte