OGH 9Ob29/22p

OGH9Ob29/22p27.4.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei N* GmbH, *, vertreten durch Mag. Thomas Reisch, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Eigentümergemeinschaft G*, vertreten durch Dr. Gertraud Irlinger, Rechtsanwältin in Wien, wegen 12.235,23 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 6.326,21 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 16. Juni 2021, GZ 35 R 277/20z‑22, mit dem der Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichts Hietzing vom 13. Oktober 2020, GZ 6 C 67/20p‑18, nicht Folge gegeben wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00029.22P.0427.000

 

Spruch:

 

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahingehend abgeändert, dass sie unter Einschluss des in Rechtskraft erwachsenen Teils insgesamt zu lauten haben:

„1. Das Klagebegehren besteht mit 5.715,18 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2019 zu Recht.

2. Die Gegenforderung besteht nicht zu Recht.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 5.715,18 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2019 binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei weiters schuldig, der klagenden Partei 6.520,05 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 1. 2019 binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.

4. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 371,50 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 912,41 EUR (darin enthalten 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 626,52 EUR (darin enthalten 104,42 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist die Eigentümergemeinschaft der Liegenschaft mit der Adresse G*, an der Wohnungseigentum begründet ist. Mit Verwaltungsvertrag vom 26. 2. 2016 beauftragte sie die Klägerin mit der Verwaltung. Unter Punkt V.2.lit d des Vertrags wurde vereinbart: „Der Verwalter ist berechtigt, zusätzlich zum Verwaltungshonorar Barauslagen wie Verfahrens‑, Sachverständigen‑, Rechtsanwalts‑, Dolmetsch‑, Zeugen‑ oder sonstige Gebühren, (Bank‑)Spesen, Porti, Sicherheitsleistungen udgl weiterzuverrechnen.“

[2] 2017 kam es zu Unstimmigkeiten und letztlich zur Kündigung des Verwaltungsvertrags zum 31. 12. 2018 durch die Beklagte. Die Klägerin stellte daraufhin ein Übergabshonorar von 5.267,05 EUR brutto in Rechnung, sowie ein Sonderhonorar von 7.210,73 EUR brutto. Dieses Sonderhonorar setzt sich zusammen aus 5 % der Rechnungssumme für die Umgestaltung des zur Wohnungseigentumsanlage gehörenden Spielplatzes in Höhe von 425,45 EUR, Kopierkosten von 5.209,60 EUR sowie Barauslagen von 373,44 EUR, jeweils zuzüglich 20 % USt.

[3] Die Klägerin begehrt die Bezahlung der zwei Honorarnoten in Höhe von insgesamt 12.535,23 EUR sA.

[4] Die Beklagte wendet sich gegen die Zulässigkeit der Verrechnung des Sonderhonorars. Die Verwaltungskosten von 5 % der Rechnungskosten der Umgestaltung stünden erst ab einem Schwellenwert zu, der nicht überschritten sei. Die Kopierkosten seien von den Barauslagen laut Verwaltungsvertrag nicht umfasst, die Barauslagen – Portokosten – würden zu Unrecht mit Mehrwertsteuer verrechnet. Darüber hinaus bestehe eine Gegenforderung, weil die Klägerin es verabsäumt habe, einen Antrag auf Grundsteuerbefreiung zu stellen.

[5] Das Erstgericht erkannte die Klagsforderung mit 5.640,49 EUR zu Recht, die Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und sprach der Klägerin 5.640,49 EUR sA zu, ein Mehrbegehren von 6.594,74 EUR wies es ab. Über einen Betrag von 300 EUR wurde offenbar irrtümlich nicht entschieden. Da dies von keiner der Parteien gerügt wurde, ist dieser Betrag aus dem Verfahren ausgeschieden (RS0042365 [T2]).

[6] Rechtlich führte es aus, die Beklagte mache zu Recht das Übergabshonorar geltend. Vom Sonderhonorar seien nur die Portokosten (ohne USt) gerechtfertigt. Die Kopierkosten seien Aufwendungen im Rahmen der Verwaltungstätigkeit der Klägerin, jedoch nicht weiter verrechenbare Barauslagen. Die Berechtigung der Gegenforderung sei nicht erwiesen.

[7] Das Berufungsgericht gab der gegen die Abweisung eines Teilbetrags von 6.327,01 EUR (Kopierkosten und Umsatzsteuer aus den zugesprochenen Portokosten) gerichteten Berufung der Klägerin nicht Folge. Es teilte die Rechtsauffassung des Erstgerichts, dass die Kopierkosten nicht unter die „Barauslagen“ laut Verwaltungsvertrag fallen. Für die Porti falle gemäß § 6 Abs 1 Z 10 lit b UStG 1994 tatsächlich keine Umsatzsteuer an, sodass die Klägerin auch nicht zu einer Verrechnung berechtigt sei.

[8] Die Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich über Antrag der Klägerin zugelassen, weil die zur Zulässigkeit der Kopierkosten vorgebrachten Argumente „nicht von vornherein von der Hand zu weisen seien“. Wenn die Porti nicht als Durchlaufkosten im Sinn des UStG 1994 anzusehen seien, habe die Klägerin zu Recht Umsatzsteuer geltend gemacht.

[9] In der Revision begehrt die Klägerin, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass ihr weitere 6.326,21 EUR sA zugesprochen werden.

[10] Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

[11] Die Revision ist teilweise berechtigt.

[12] Die Klägerin macht geltend, dass sie nach dem Verwaltungsvertrag berechtigt sei, die Kopierkosten zu fordern, weiters Umsatzsteuer aus den Portokosten.

Rechtliche Beurteilung

[13] 1. Zur Berechtigung der Kopierkosten hat sich die Klägerin in erster Instanz auf die Bestimmung „laut S 10 des Verwaltungsvertrags“ (V.2. lit d) berufen. Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass die dort genannten „Barauslagen“, auch wenn es sich nur um eine demonstrative Aufzählung handelt, Kopierkosten nicht umfassen, ist nicht zu beanstanden.

[14] Für die Auslegung einer schriftlichen Vereinbarung ist zunächst der Wortlaut maßgeblich. Dabei ist jedoch nicht stehen zu bleiben, sondern nach §§ 914 ff ABGB der Wille der Parteien, das ist die dem Erklärungsempfänger erkennbare Absicht des Erklärenden, zu erforschen. Letztlich ist die Willenserklärung so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0017915).

[15] Die Regelung, auf die die Klägerin sich bezieht, spricht einerseits von „Barauslagen“, die zusätzlich zum Verwalterhonorar verrechnet werden können, andererseits werden diese beispielhaft aufgezählt, woraus sich ableiten lässt, was die Parteien in etwa darunter verstanden wissen wollten. Es werden dabei Kostengenannt, die zwar im Rahmen der Verwaltung anfallen können, aber an dritte Personen zu bezahlen sind, also regelmäßig keine vom Verwalter selbst erbrachte Leistungen darstellen. Untechnisch könnte man diese Kosten, wie auch die Bezugnahme auf Barauslagen zeigt, als „Durchlaufposten“ bezeichnen.

[16] Wenn die Klägerin dazu darauf verweist, dass sie auch Kopierkosten „zukaufen“ könnte, ist das zwar richtig. Das Kopieren von Unterlagen für den Auftraggeber stellt aber eine typische Verwaltungsleistung dar, mit deren Auslagerung an Dritte im Allgemeinen nicht gerechnet wird. Tatsächlich gibt es keinen Hinweis darauf, dass die Parteien eine gesonderte Verrechnung üblicher Verwaltungstätigkeiten als Barauslagen behandeln wollten.

[17] Die ausdrücklich genannten Porti stellen insofern einen Sonderfall dar, als es sich dabei zwar um üblicherweise bei der Verwaltungstätigkeit anfallende Kosten handelt, zugleich aber um eine notwendiger Weise zugekaufte Leistung eines Postdienstes. Allein aus der Nennung von Porti in diesem Vertragspunkt lässt sich daher kein Rückschluss auf die Verrechenbarkeit von Kopierkosten ziehen.

[18] Damit sind Kopierkosten weder im Vergleich zu den demonstrativ aufgezählten Beispielen, noch nach dem daraus ableitbaren Zweck unter Punkt V. 2. lit d des Vertrags zu subsumieren.

[19] Inwieweit der Ersatz von Kopierkosten aus anderen Bestimmungen des Verwaltungsvertrags abgeleitet werden könnte, muss nicht geprüft werden, da sich die Klägerin darauf in erster Instanz nicht berufen hat. Ebenso wenig kommt es darauf an, inwieweit Rechtsanwälte zu Verrechnung von Kopierkosten berechtigt sind oder nicht.

[20] 2. Hinsichtlich der Portokosten macht die Klägerin geltend, dass sich nach § 4 UStG 1994 der zu versteuernde Umsatz nach dem Entgelt richtet, zu dem auch Portokosten zu zählen sind.

[21] Richtig ist, dass sich nach § 4 Abs 1 UStG 1994 der Umsatz nach dem Entgelt bemisst. Entgelt ist danach alles, was der Empfänger einer Lieferung oder sonstigen Leistung aufzuwenden hat, um diese zu erhalten. Nicht zum Entgelt gehören nach § 4 Abs 3 UStG 1994 die Beträge, die der Unternehmer im Namen oder auf Rechnung eines anderen vereinnahmt und verausgabt (durchlaufende Posten).

[22] Die steuerlichen Folgen richten sich nach dem wirtschaftlichen Gehalt der Gesamtleistung, die im konkreten Fall die Verwaltung der Liegenschaft ist. Das Entgelt ist dabei nicht um die Aufwendungen des Unternehmers zu kürzen. Die Bemessungsgrundlage bildet vielmehr das ungekürzte Entgelt, weshalb auch weiterverrechnete Aufwendungen wie Porti, Grundsteuer oder Personalaufwand nicht aus der Bemessungs-grundlage auszuscheiden sind (VwGH 2007/15/0129; vgl auch VwGH 2001/14/0187; VwGH 98/14/0017; Kanduth‑Kristen in Berger/Bürgler/Kanduth‑Kristen/Wakounig, UStG‑ON3.01 § 4 Rz 48). Bei Portokosten handelt es sich nicht um Durchlaufposten im Sinn des UStG 1994, da solche zwar auf Rechnung des Auftraggebers, jedoch – weil dies nach außen nicht erkennbar ist – nicht in dessen Namen geleistet werden.

[23] Soweit das Berufungsgericht auf § 6 Abs 1 Z 10 lit b UStG 1994 verweist, ergibt sich daraus nur, dass Postdienstleistungen eines Universaldienstbetreibers nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Dies sagt jedoch nichts darüber aus, inwieweit eine Person, die solche Dienstleistungen in Anspruch nimmt, sie einem Geschäftspartner weiterverrechnen kann.

[24] Der Anspruch der Klägerin auf Umsatzsteuer aus den verrechneten Porti besteht daher zu Recht.

[25] 3. In teilweiser Stattgebung der Revision war daher die Umsatzsteuer aus den bereits rechtskräftig zuerkannten Porti in Höhe von insgesamt 74,69 EUR zuzusprechen. Im Übrigen war der Revision nicht Folge zu geben.

[26] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 43, 50 ZPO. Da die Klägerin im Rechtsmittelverfahren nur mit ca 1 % obsiegt hat, hat es bei den Kostenentscheidungen erster und zweiter Instanz zu bleiben. Im Revisionsverfahren hat sie zur Gänze die Kosten der Beklagten zu ersetzen, da auch hier ihr Obsiegen nur als geringfügig anzusehen ist.

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