OGH 9Ob24/03z

OGH9Ob24/03z2.4.2003

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) I*****gmbH, *****, 2) B*****, beide vertreten durch Kadlec & Weimann, Rechtsanwälte-Partnerschaft in Wien, gegen die beklagte Partei DDr. W***** F*****, Rechtsanwalt, *****, vertreten durch Dr. Klaus Altmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen EUR 35.913,57 sA (Revisionsinteresse EUR 33.522,84), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 20. September 2002, GZ 40 R 192/02k-15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Der Antrag des Revisionsgegners auf Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens wird abgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Ob der Bestandnehmer wegen von ihm behaupteter Beeinträchtigungen der Benützung des Bestandobjektes iSd § 1117 ABGB zur Auflösung des Bestandverhältnisses aus wichtigem Grund berechtigt ist, hängt von den Umständen des zu beurteilenden Einzelfalles ab und ist daher - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO. Von einer krassen Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz kann hier nicht die Rede sein, zumal die Behauptungen des Beklagten, mit denen er sein Auflösungsrecht untermauert hat, im Beweisverfahren zum größten Teil nicht erwiesen wurden. Festgestellt wurde im Wesentlichen nur, dass gelegentlich Fahrräder und Kinderwägen im Gang abgestellt waren, sodass in Einzelfällen für ein Passieren des Ganges mit einem größeren Kinderwagen bzw einem Rollstuhl oder zur Nutzung der vollen Gangbreite ein Fahrrad oder ein Kinderwagen verschoben werden musste. Die Rechtsauffassung der zweiten Instanz, dass darin kein Grund für die vorzeitige Auflösung des Bestandverhältnisses aus wichtigem Grund liegt, ist jedenfalls nicht unvertretbar.

Die Rechtsauffassung des Revisionswerbers, dass dessen ungeachtet im Gefolge seiner auf § 1117 ABGB gestützten Auflösungserklärung das Bestandverhältnis im Hinblick auf die Übergabe des Bestandobjektes geendet habe, wurde vom Berufungsgericht zu Recht verneint. Insbesondere trifft es zu, dass im Anwendungsbereich des MRG die Aufkündigung - auch durch den Mieter - gerichtlich erfolgen muss (RIS-Justiz RS0069117; MietSlg 31.451; SZ 65/154), eine solche gerichtliche Aufkündigung aber hier nicht erfolgt ist. Dass der Beklagte im Gefolge seiner unberechtigten (und von den Klägern nicht akzeptierten) Auflösungserklärung der Hausverwaltung "unter Vorbehalt sämtlicher Rechte der klagenden Parteien Schlüssel zum Mietgegenstand übergab, damit das Objekt allenfalls an einen Dritten gegen Entgelt weitergegeben werden könnte", kann den daraus gezogenen Schluss des Beklagten auf eine Beendigung des Bestandverhältnisses nicht rechtfertigen. Zwar trifft es zu, dass die vom Vermieter akzeptierte Zurückstellung des Schlüssels zum Bestandobjekt bei Hinzutreten bestimmter Umstände die Annahme einer (konkludenten) Auflösung des Bestandverhältnisses rechtfertigen kann. Dies haben die Kläger aber mit dem Hinweis bestritten, dass der Beklagte sich selbst Schlüssel zum Bestandobjekt zurückbehalten habe, dass er auf die unverändert fortbestehende Verpflichtung zur Zahlung von Mietzins hingewiesen worden und nur zur Schadensminderung die Suche einer am Objekt interessierten Person vereinbart worden sei. Dazu fehlt es zwar an Feststellungen; allerdings bringt der Beklagte in seiner Revision selbst vor, dass er nie eine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses behauptet habe und dass eine solche auch nicht erfolgt sei (S 2 der Revision).

Seine Rechtsauffassung, das Bestandverhältnis sei dessen ungeachtet beendet worden (wann? wodurch?), begründet er mit dem Hinweis, dass im Hinblick auf die schon erfolgte Übergabe eine gerichtliche Kündigung nicht mehr möglich gewesen wäre, zumal diese ohne Übernahmsauftrag nicht denkbar sei. Dem hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass der Umstand, dass sich das Bestandverhältnis bereits im Besitz der Vermieter befinde, lediglich zum Entfall des Übergabe-/Übernahmeauftrages führe, an der Notwendigkeit der gerichtlichen Aufkündigung der nichts ändere. Mit seinen dagegen vorgebrachten Einwänden übersieht der Revisionswerber, dass die gerichtliche Aufkündigung nicht nur die formellrechtliche Funktion hat, dem Aufkündigenden einen Exekutionstitel für die Übernahme bzw Übergabe des Bestandobjektes zu verschaffen, sondern dass sie auch die materiellrechtliche Funktion hat, das Bestandverhältnis rechtsgestaltend zu beenden (SZ 72/26; SZ 73/6). Wenn daher der Vermieter bei aufrechtem Bestandverhältnis das Bestandobjekt wieder in Besitz nimmt und darin ausnahmsweise - wie hier nach dem Vorbringen beider Parteien - keine einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses liegt, ändert dies nichts an der Notwendigkeit der rechtsgestaltenden Beendigung des Vertragsverhältnisses, die - wie gezeigt - im Anwendungsbereich des MRG durch gerichtliche Aufkündigung zu erfolgen hat, wenngleich in diesem Fall ein Übernahms/Übergabsauftrag nicht mehr erforderlich ist und daher zu entfallen hat.

Dazu kommt, dass dem Ersturteil eine wirksame Rückstellung des Bestandobjektes gar nicht zu entnehmen ist. Darin ist nur davon die Rede, dass der Beklagte "unter Vorbehalt sämtlicher Rechte der klagenden Parteien der Hausverwaltung Schlüssel zum Bestandobjekt" übergeben hat. Daraus kann nicht einmal abgeleitet werden, dass der Beklagte - was ja von den Klägern bestritten wird - alle Schlüssel übergeben hat; umso weniger geht daraus hervor, dass der Beklagte das Bestandobjekt geräumt und seinen Besitz aufgegeben hat.

Der Oberste Gerichtshof hat dem Revisionsgegner die Beantwortung der von der beklagten Partei erhobenen außerordentlichen Revision nicht iS § 508a Abs 2 Satz 1 ZPO freigestellt. Die dennoch erstattete Revisionsbeantwortung gilt daher gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 ZPO nicht als zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig.

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