OGH 9Ob216/02h

OGH9Ob216/02h2.10.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf sowie Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Veronique H*****, geboren 7. Dezember 1951, ***** über die außerordentlichen Revisionsrekurse des Verfahrenssachwalters (§ 238 Abs 1 AußStrG) Dr. Hannes H*****, Rechtsanwalt, ***** und des einstweiligen Sachwalters (§ 238 Abs 2 AußStrG) Dr. Franz M*****, Rechtsanwalt, ***** gegen den Beschluss des Landesgerichtes Krems an der Donau als Rekursgericht vom 19. Juli 2002, GZ 1 R 16/02m-57, womit infolge Rekurses des Verfahrenssachwalters der Beschluss des Bezirksgerichtes Krems an der Donau vom 22. November 2001, GZ 1 P 153/00m (nunmehr: 2 P 342/02s)-35, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1.) Der außerordentliche Revisionsrekurs des einstweiligen Sachwalters Dr. Franz M***** wird zurückgewiesen.

2.) Der außerordentliche Revisionsrekurs des Verfahrenssachwalters Dr. Hannes H***** wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht den Beschluss des Erstgerichtes, mit welchem Dr. Hagen G*****, Rechtsanwalt in *****, zum Sachwalter gemäß § 273 ABGB, beschränkt auf die Vertretung der Betroffenen vor Gericht (§ 273 Abs 3 Z 2 ABGB), bestellt worden war.

Zu 1.):

Rechtliche Beurteilung

Bereits mit Beschluss vom 7.12.2000, ON 18, war Dr. Hannes H*****, Rechtsanwalt in *****, zum Verfahrenssachwalter (§ 238 Abs 1 AußStrG) für die Betroffene bestellt worden. Mangels Enthebung bekleidete er diese Funktion auch bis zuletzt. Mit Beschluss vom 24.6.2002, ON 50, wurde Dr. Franz M*****, Rechtsanwalt in *****, zum einstweiligen Sachwalter "gemäß § 238 Abs 1 und 2 AußStrG" bestellt. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass er folgende dringende Anliegen zu besorgen habe, nämlich die Vertretung der Betroffenen in den Verfahren 1 C 25/99m und 1 P 61/99b des Bezirksgerichtes Krems an der Donau. Sowohl durch diese Aufgabenbeschränkung als auch durch das Fehlen eines erkennbaren, auf die Enthebung des bisherigen Verfahrenssachwalters gerichteten Willens, etwa in der Begründung, wird klar, dass die Ausdrücke "§ 238 Abs 1 AußStrG" im Spruch und "Verfahrenssachwalter" in der Begründung nur Fehlbezeichnungen darstellen und das Erstgericht Dr. Müller ausschließlich zum einstweiligen Sachwalter gem. § 238 Abs 2 AußStrG zwecks Vertretung der Betroffenen in zwei weiteren Gerichtsverfahren, nicht jedoch im Sachwalterschaftsverfahren selbst, bestellen wollte. Der einstweilige Sachwalter hat aber mit dem Bestellungsverfahren nur dann etwas zu tun, wenn er auch Verfahrenssachwalter nach § 238 Abs 1 AußStrG ist. Ansonsten ist er nicht berechtigt, im Verfahren für den Betroffenen aufzutreten, er hat auch keine Beteiligtenstellung wie der Verfahrenssachwalter (Gitschthaler, Verfahrenssachwalter und einstweilige Sachwalter, ÖJZ 1990, 762, 766; Maurer/Tschugguel, Das österreichische Sachwalterrecht in der Praxis2, Rz 11 zu § 238 AußStrG). Damit erweist sich der außerordentliche Revisionsrekurs des einstweiligen Sachwalters Dr. M***** schon wegen dessen fehlender Legitimation als jedenfalls unzulässig.

zu 2.):

a) Zur angeblichen Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens:

Das Rekursgericht, welches eine umfangreiche Beweisergänzung und -wiederholung vorgenommen hatte, erachtete die Aufnahme weiterer, vom Verfahrenssachwalter beantragter Zeugenbeweise für entbehrlich, weil dadurch die aufgenommenen Sachverständigenbeweise nicht entkräftet werden könnten. Abgesehen davon, dass diesbezüglich vom Verfahrenssachwalter auch noch im Rekursverfahren entweder überhaupt keine Beweisthemen genannt bzw. nur ein unzulässiger Erkundungsbeweis (AS 238: Zeuge Dr. K***** "...zum Beweis für den Zustand der Betroffenen bzw. die Grundlagen des Zustandekommens des fachärztlichen Befundes/Gutachtens Dris. K*****...") versucht worden waren, steht die Rechtsauffassung des Rekursgerichtes in voller Übereinstimmung mit der Rechtsprechung, nach der ein Sachverständigengutachten selbst durch sachverständige Zeugen nicht entkräftet werden kann (RIS-Justiz RS0040598, insbes 5 Ob 598/82[T1], zuletzt 8 Ob 110/02p). Genau dies beabsichtigt aber der Verfahrenssachwalter nach seinem Revisionsrekursvorbringen.

b) Zur Rechtsrüge:

Die im § 273 Abs 1 ABGB verwendeten Begriffe der psychischen Krankheit und der geistigen Behinderung sind Rechtsbegriffe, die nicht unbedingt mit medizinischen Definitionen übereinstimmen müssen. Sie umfassen jede geistige Störung, die die gehörige Besorgung der eigenen Angelegenheiten hindert (RIS-Justiz RS0049003). Die Gerichte sind daher auch dann, wenn eine Geisteskrankheit oder Geistesschwäche medizinisch nicht einwandfrei feststellbar ist, berechtigt, aufgrund des durch Sachverständigengutachten und auf andere Weise ermittelten Zustandsbildes des Betroffenen eine Geistesstörung anzunehmen, die den Kuranden unfähig macht, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen (RIS-Justiz RS0008862).

Soweit das Rekursgericht, ausgehend von dieser Judikatur, zur Rechtsauffassung gelangte, dass die Betroffene - zu ihrem Schutz - zur Vertretung in Verfahren vor Gericht eines Sachwalters bedarf, handelt es sich dabei um eine vertretbare Entscheidung im Einzelfall. Die Frage, ob im Einzelfall genügend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer Sachwalterbestellung bestehen, ist aber regelmäßig genausowenig revisibel (RIS-Justiz RS0087791; RS0106166) wie die Frage, in welchem Umfang ein Sachwalter zu bestellen ist (RIS-Justiz RS0106744).

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