OGH 9Ob156/02k

OGH9Ob156/02k10.7.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hradil, Dr. Hopf, Dr. Schramm und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Karl N*****, Geschäftsführer, ***** vertreten durch Dr. Ernst Gramm, Rechtsanwalt in Neulengbach, gegen die beklagte Partei Yvonne T*****, Steuerberaterin, ***** vertreten durch Foglar-Deinhardtstein & Brandstätter KEG, Rechtsanwälte in Wien, diese vertreten durch Mag. Detlev Baumgarten, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert EUR 72.672,83), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht vom 14. März 2002, GZ 15 R 235/01s-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 25. September 2001, GZ 10 Cg 116/00b-12, in der Hauptsache bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 1.852,92 (darin EUR 308,82 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Streitteile sind Kinder der Erblasserin Frieda Josefine N*****, welche am 19. 10. 1997 unter Hinterlassung eines Testamentes vom 20. 2. 1993 verstorben ist. Mit diesem, später nie widerrufenen letzten Willen verfügte die Erblasserin folgendes: "Für den Fall meines Todes bestelle ich meine drei Kinder Yvonne N*****, geboren ....., Karl N*****, geboren ..... und Harry N*****, geboren ....., grundsätzlich zu gleichen Teilen zu meinen Erben. Meine Anteile an der Firma ..... erben die Kinder, die die Berufsberechtigung haben. Um den Wünschen meines lieben verstorbenen Gatten und meinen eigenen, den Familienbesitz in der Familie zu erhalten, zu entsprechen, setze ich im Falle des Ablebens eines meiner Kinder meine beiden anderen Kinder als Nacherben ein. Dies gilt vor allem für das Grundstück 1190 Wien, ...... sowie für meine Firmenanteile an der R*****gmbH und R***** & Co KG."

Im Jahr 1993 beabsichtigte der Kläger, in K***** ein Grundstück zu erwerben, um darauf ein Haus zu errichten, weil er heiraten wollte. Seine Mutter erwarb das ins Auge gefasste Grundstück, um es dem Kläger schenken. Dies wurde mit Notariatsakt vom 7. 4. 1994 durchgeführt, in welchem es unter anderem heißt:

"Schenkungsvertrag

I) Frau Frieda N***** ist aufgrund des Kaufvertrages vom 17. Dezember 1993 Eigentümerin des Grundstückes ....., Bezirksgericht K*****.

II) Frau Frieda N***** schenkt und übergibt an ihren Sohn, Herrn Karl N*****, das in Punkt I dieses Vertrages näher beschriebene Grundstück ..... mit allen Rechten und Vorteilen, mit denen die Geschenkgeberin das Vertragsobjekt bisher besessen und benutzt hat, bzw zu besitzen und benützen berechtigt war und Herr Karl N***** nimmt diese Schenkung mit Dank an."

Gleichzeitig wurde noch folgende Bestimmung aufgenommen: "Herr Karl N***** verzichtet gegenüber seiner Mutter, Frau Frieda N*****, im Hinblick auf diese Schenkung auf sein gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und Frau Frieda N***** nimmt diesen Verzicht hiemit an."

In dem zu ***** des Bezirksgerichtes Döbling geführten Verlassenschaftsverfahren gaben die Streitteile und der weitere Sohn der Erblasserin zunächst zu je einem Drittel des Nachlasses die unbedingte Erbserklärung aufgrund des vorgenannten Testamentes ab. In der Folge änderte die Beklagte unter Berufung auf einen Erbverzicht des Klägers ihre Erbserklärung auf die Hälfte des Nachlasses ab. Mit Beschluss vom 20. 3. 2000, AZ *****, wies das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht dem Kläger infolge Vorliegens widersprechender Erbserklärungen die Klägerrolle zu. Sein Erbrechtstitel sei infolge des Erbverzichtsvertrages schwächer als jener der Beklagten. Er müsse nachweisen, dass seine Mutter den Vorbehalt eines letztwilligen Erbanspruchs und damit seine Bevorzugung gegenüber den anderen Kindern tatsächlich gewollt habe. Mit der am 11. 5. 2000 eingebrachten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, dass der im Notariatsakt des öffentlichen Notars Dr. ***** vom *****, enthaltene Erbverzicht des Klägers betreffend dessen Erb- und Pflichtteilsansprüche nach seiner Mutter Frieda N***** unwirksam sei. Er habe den Vertrag in der Notariatskanzlei in dem durch den Notar bestätigten Glauben unterschrieben, dass es sich um einen üblichen Schenkungsvertrag handle. Erst im Verlassenschaftsverfahren sei er darauf aufmerksam geworden, dass der Schenkungsvertrag einen Erbverzicht enthalte. Dies habe nicht dem wahren Willen der Vertragsteile entsprochen; vielmehr habe die spätere Erblasserin ihre Kinder immer gleich beteilen wollen und dementsprechend auch ihr Testament aus dem Jahre 1993 aufrechterhalten. Der Vertrag sei überdies mit dem Willensmangel des Irrtums behaftet.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Der Erbverzicht sei wirksam. Die Erblasserin habe mit der Schenkung bezweckt, dem Kläger die Begründung eines eigenen Wohnsitzes zu ermöglichen. Ein Erbverzichtsvertrag, durch welchen das testamentarische Erbrecht des Klägers aufrecht bleiben solle, entspreche nicht dem wahren Willen der Erblasserin. Diese habe auch später nicht auf den Erbverzicht des Klägers verzichtet. Die Geltendmachung eines Willenmangels oder einer Verkürzung über die Hälfte sei verfristet.

Das Erstgericht stellte fest (Punkt 1a des Ersturteils), dass der im Notariatsakt des öffentlichen Notars ***** enthaltene Erbverzicht des Klägers betreffend dessen testamentarischer Erbansprüche nach seiner Mutter Frieda N***** unwirksam sei und wies das Mehrbegehren (Punkt 1b des Ersturteils), es werde auch festgestellt, dass der im Notariatsakt enthaltene Erbverzicht des Klägers auch betreffend dessen gesetzliche Erb- und Pflichtteilsansprüche nach seiner Mutter unwirksam sei, ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass der Kläger zwar keinen Willensmangel ins Treffen führen könne, der übereinstimmende Vertragswille der Erblasserin und des Klägers bei Abschluss des Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages jedoch darauf gerichtet gewesen sei, dass der Kläger nur auf sein gesetzliches Erbrecht bzw seine Pflichtteilsansprüche, nicht jedoch auch aus einer Bedenkung durch letztwillige Verfügung verzichten wollte. Im Hinblick auf die Teilabweisung legte das Erstgericht seiner Kostenentscheidung eine Obsiegensquote des Klägers von zwei Drittel zugrunde. Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, dass Punkt 1. des Ersturteils zu lauten habe: "Zwischen den Streitteilen wird festgestellt, dass der im Notariatsakt des öffentlichen Notars ***** vom ***** enthaltene Erbverzicht des Klägers dessen testamentarische Erbansprüche nach seiner Mutter Frieda N***** nicht umfasst. Das Mehrbegehren, zwischen den Streitteilen werden festgestellt, dass der im genannten Notariatsakt enthaltene Erbverzicht des Klägers betreffend dessen gesetzliche Erb- und Pflichtteilsansprüche nach seiner Mutter Frieda N***** unwirksam sei, wird abgewiesen." Das Berufungsgericht sprach weiters aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000 übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass ein über den Wortlaut des Erbverzichtsvertrages hinausgehender bzw diesem widersprechender Parteiwille weder vorgebracht worden noch erkennbar sei. Auch liege keine Vertragslücke vor, welche eine ergänzende Vertragsauslegung in dem von der beklagten Partei begehrten Sinne ermögliche. Gemäß § 405 ZPO sei dem Klagebegehren ein mit dem Sachantrag in Einklang zu bringender richtiger Wortlaut in dem Sinn zu geben gewesen, dass der Spruch nicht auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbverzichtes, sondern dahin zu lauten habe, dass ein Verzicht auf testamentarische Ansprüche vom Verzicht "nicht erfasst sei".

Gleichzeitig erkannte das Berufungsgericht über einen vom Kläger gegen das Ersturteil erhobenen Kostenrekurs, in welchem sich dieser gegen die Kostenteilung gewendet und den Kostenzuspruch auf Basis eines vollen Obsiegens begehrt hatte. Das Berufungs(Rekurs-)gericht gab dem Rechtsmittel des Klägers Folge und änderte die Kostenentscheidung des Erstgerichtes dahin ab, dass es dem Kläger vollen Kostenersatz zuerkannte. Dabei vertrat es die Rechtsauffassung, dass auch die Abweisung des Mehrbegehrens nur einer Klarstellung diene und somit der Kläger als zur Gänze obsiegend zu betrachten sei.

Die ordentliche Revision sei wegen der Divergenz zu einer Vorentscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht zuzulassen.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren zur Gänze abgewiesen werde, in eventu, das angefochtene Urteil in seiner Kostenentscheidung dahin abzuändern, dass der beklagten Partei Kosten im gesetzlichen Ausmaß zugesprochen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragte, die Revision mangels Zulässigkeit zurückzuweisen; hilfsweise, der Revision keine Folge zu geben. Die Revision ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichtes zweiter Instanz über den Kostenpunkt und zwar sowohl über die Verpflichtung zum Kostenersatz als auch über die ziffernmäßige Festsetzung des Kostenbetrages - sind grundsätzlich und ausnahmslos unzulässig (überhaupt ist jede Entscheidung über die Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens unanfechtbar: Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 5 zu § 528). Da die Aufzählung der Revisionsgründe im § 503 ZPO eine erschöpfende ist (RIS-Justiz RS0042903), kann die Kostenentscheidung auch im Rahmen einer Revision nicht mehr angefochten werden.

Abgesehen davon, dass ein Abweichen des Berufungsgerichtes von einer Vorentscheidung eines Gerichtes zweiter Instanz für sich allein genommen noch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 ZPO begründet, ist das vom Berufungsgericht aufgeworfenen Problem, ob eine "echte" Teilabweisung oder nur eine Klarstellung im Spruch vorliegt, lediglich als Vorfrage der Kostenentscheidung zu beurteilen, zumal sich die beklagte Partei durch eine Teilabweisung nicht beschwert erachten kann. Ist aber die Kostenentscheidung des Berufungsgerichtes an sich nicht anfechtbar, kann einer bloßen Vorfrage hiefür umso weniger die Eigenschaft einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zuerkannt werden. Die Revisionswerberin vermag auch keine darüber hinausgehende erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 2 ZPO aufzuzeigen:

Das Berufungsgericht hält sich in seiner Rechtsauffassung an die Rechtsprechung, wonach auf die Auslegung einer Erbverzichtserklärung die Auslegungsregeln der §§ 914f ABGB Anwendung finden (RIS-Justiz RS0013023) und verkennt keineswegs, dass dabei nicht nur der objektive Erklärungswert des schriftlich Beurkundeten maßgebend ist, sondern auch die etwa mündlich erklärte Absicht der Parteien zu berücksichtigen ist (EvBl 1991/52). Die Auslegung von Verträgen ist aber regelmäßig eine Frage des Einzelfalles und daher auch nicht revisibel (RIS-Justiz RS0044298 uva).

Soweit sich die Revisionswerberin gegen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes wendet, dass eine über den Wortlaut des schriftlichen Erbverzichtsvertrages hinausgehende Parteiabsicht nicht einmal vorgebracht worden sei, entzieht sich dieser Behauptung ebenfalls einer Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof. Der Frage, wie ein bestimmtes Vorbringen zu verstehen ist, kommt nämlich grundsätzlich keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zu (RIS-Justiz RS0042828).

Entgegen dem Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes, an welchen der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (RIS-Justiz RS0102059 ua), erweist sich die Revision somit als unzulässig.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO: Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des von der beklagten Partei erhobenen Rechtsmittels, insbesondere in Bezug auf die Unanfechtbarkeit von Kostenentscheidungen, zutreffend hingewiesen, sodass sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung diente.

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