OGH 9Ob115/99y

OGH9Ob115/99y9.7.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Benjamin Z*****, geboren am 25. Februar 1990, ***** vertreten durch die Mutter Regina Z*****, ebendort, diese vertreten durch Dr. Andrea Haninger, Rechtsanwältin in Innsbruck, wegen Obsorge (einstweilige Vorkehrung) und Übertragung der Zuständigkeit, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Vaters Andreas Z*****, vertreten durch Dr. Günter Tews, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis als Rekursgericht vom 9. März 1999, GZ 6 R 68/99p, 6 R 69/99k-30, womit den Rekursen des Vaters gegen die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Engelhartszell vom 15. Jänner 1999, GZ P 15/98k-21, und vom 19. Jänner 1999, GZ P 15/98k-22, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters gegen die Abweisung des Antrages auf einstweilige Vorkehrung wird mangels der Voraussetzungen des § 14 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 16 Abs 4 AußStrG iVm § 508a Abs 2 und § 510 ZPO).

2. Aus Anlaß des außerordentlichen Revisionsrekurses gegen den Beschluß des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 9. 3. 1999, Punkt 2, womit die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Kufstein bestätigt wurde, wird dieser Beschlußteil aufgehoben und die Akten werden dem Bezirksgericht Engelhartszell zurückgestellt.

Text

Begründung

Zu 1.)

Rechtliche Beurteilung

Da im Außerstreitverfahren die Beweisaufnahme an keine besonderen Förmlichkeiten gebunden ist (EFSlg 85.544), liegt der vom Rekursgericht verneinte Verfahrensmangel nicht schon dann vor, wenn Feststellungen auf schriftliche Ausführungen gestützt werden, wozu der mündlich vernommene Beweisgegner ohnehin Gelegenheit hatte, Stellung zu nehmen. Gerade wegen der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Maßnahme sind umfangreiche Erhebungen zu unterlassen, weil sonst bereits mit einer endgültigen Entscheidung vorgegangen werden könnte (EFSlg 84.106). Die pauschale Behauptung, es hätten noch zusätzliche Erhebungen durchgeführt werden müssen, lassen eine krasse auch noch im Revisionsrekursverfahren im Interesse des Kindeswohls zulässige Rüge der Verletzung von Verfahrensgesetzen und eine Verletzung des Kindeswohls nicht erkennen (RZ 97/57).

Es ist ständige Rechtsprechung, daß vorläufige Maßnahmen gemäß § 176 ABGB nur bei akuter Gefährdung des Kindeswohls, wenn besondere Umstände im Interesse des Kindes eine sofortige Entscheidung erfordern, getroffen werden dürfen (EFSlg 66.038, 81.219; 84.116). Das Rekursgericht hat eine eigenmächtige Änderung der faktischen bisher im Einvernehmen der Eltern geschaffenen Pflege- und Erziehungssituation durch die aufgrund des gerichtlich genehmigten Vergleiches und des bisherigen Übereinkommens der Eltern obsorgeberechtigte Mutter und das Herausreißen des Kindes aus der gewohnten freiwillig eingeräumten Umgebung beim Vater und dem Bruder sowie der bisherigen Schule und die Übernahme des Kindes in ihren eigenen Haushalt für sich allein noch nicht als akute Gefährdung des Kindeswohls angesehen. Es hielt eine sofortige Rückführung des Kindes in den Haushalt des Vaters nach den Umständen des Einzelfalles nicht für erforderlich. Darin kann keine krasse Verkennung der Rechtslage oder eine akute Gefährdung des Kindeswohls erblickt werden. Die Geschwistertrennung ist bei dem ohnehin gehandhabten Besuchsrecht nur eine zeitliche. Der Schulbesuch ist gesichert und auch die Wohnverhältnisse bei der Mutter und die Erziehungssituation bieten keinen Anhaltspunkt für eine schwerwiegende Interessenbeeinträchtigung, die ein sofortiges Handeln erforderlich macht.

Die Voraussetzungen des § 16 Abs 1 AußStrG liegen daher nicht vor.

Zu 2.)

Das Erstgericht hat seine Zuständigkeit nach § 111 Abs 1 JN über Antrag der Mutter dem Bezirksgericht Wörgl abgetreten, wogegen sich ebenfalls der Rekurs des Vaters richtete.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs mit der Maßgabe nicht Folge, daß die Übertragung der Zuständigkeit an das Bezirksgericht Kufstein zu erfolgen hat und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Das Bezirksgericht Kufstein hat die Zuständigkeit bisher weder übernommen noch sich geweigert, die Geschäfte zu übernehmen.

Den Parteien steht gegen den Beschluß, womit ein Pflegschaftsgericht auf Antrag oder von Amts wegen gemäß § 111 JN seine Zuständigkeit einem anderen Gericht überträgt, ein Rechtsmittelrecht zu. Die Zustellung an die Beteiligten stellt daher keinen reinen Formalakt dar, sondern ist Voraussetzung für die Wirksamkeit der Übertragung gegenüber den Parteien (SZ 46/86; EFSlg 76.010). Der Übertragungsbeschluß bedarf aber für seine Wirksamkeit nach § 111 Abs 2 JN der Übernahme der Zuständigkeit durch das andere Gericht, an das die Zuständigkeit übertragen wird. Im Falle seiner Weigerung bedarf die Übertragung zu ihrer Wirksamkeit der Genehmigung des den beiden Gerichten zunächst gemeinsamen höheren Gerichtes. Bis zur Übernahme bleibt es in Schwebe, ob überhaupt ein Zuständigkeitswechsel eintritt, so daß bis zum Vorliegen eines solcherart wirksamen Übertragungsbeschlusses es darüber keine Rekursentscheidung geben kann (RZ 1973/173; EFSlg 76.010).

Daher ist es nach der Rechtsprechung sinnvoll, daß der anfechtbare Übertragungsbeschluß in Analogie zu § 44 Abs 2 JN den Parteien erst von dem anderen Gericht, das die Zuständigkeit übernimmt, zugestellt wird (EFSlg 76.010).

Zur Herbeiführung der Wirksamkeit der Übertragung bzw der Genehmigung oder Nichtgenehmigung der Übertragung sind die Akten daher vorläufig dem Erstgericht zurückzustellen.

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