European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00104.22T.0124.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Anfechtungsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 156,54 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Gegenstand des Revisionsverfahrens ist das Begehren des Klägers auf Rückübertragung einer der Beklagten (seiner Tochter), im Weg einer Schenkung übertragenen geschlossenen Hofs, wegen (behaupteten) groben Undanks. Weiters begehrt der Kläger die Herausgabe einer näher bezeichneten Zugmaschine, die in seinem Eigentum stehe (in der Folge „Traktor“).
[2] Das Erstgericht wies die Klage ab.
[3] Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil infolge der Berufung des Klägers im klagestattgebenden Sinn ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 5.000 EUR, nicht jedoch 30.000 EUR übersteige und die Revision zulässig sei, weil die Rechtsfrage, ob und allenfalls inwieweit ein Inkaufnehmen der Kränkung des Geschenkgebers für die Annahme groben Undanks auf Seiten des Geschenknehmers genüge, noch nicht ausreichend geklärt erscheine.
[4] Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Kläger beantwortete Revision der Beklagten, mit der sie die Abweisung der Klage anstrebt.
Rechtliche Beurteilung
[5] Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch unzulässig.
[6] 1.1 Die Revisionswerberin rügt, sie habe die Feststellung, dass der Traktor im Eigentum des Klägers stehe, in der Berufungsbeantwortung bekämpft. Das Berufungsgericht habe jedoch die Tatsachenrüge nicht behandelt, sodass das Urteil des Berufungsgerichts mit einer Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO, einer Aktenwidrigkeit und einer Mangelhaftigkeit behaftet sei.
[7] 1.2 Um die Beweisrüge gesetzmäßig auszuführen, muss der Berufungswerber nach ständiger Rechtsprechung angeben, welche konkrete Feststellung bekämpft wird, infolge welcher unrichtigen Beweiswürdigung sie getroffen wurde, welche Feststellung begehrt wird und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen diese begehrte Feststellung zu treffen gewesen wäre (RS0041835; A. Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 471 Rz 15 mwN). Der Verweis auf einzelne für den Berufungswerber günstige Beweisergebnisse reicht nicht aus; erforderlich ist vielmehr eine Auseinandersetzung mit sämtlichen Beweisergebnissen. Dabei ist darzustellen, warum das Erstgericht bei richtiger Beweiswürdigung gerade die begehrte Feststellung (und nicht etwa aufgrund anderer vorliegender Beweismittel andere Feststellungen) hätte treffen müssen.
[8] 1.3 Das Berufungsgericht hat in seiner Entscheidung ausdrücklich darauf hingewiesen, dass in der Berufungsbeantwortung keine Feststellungen bekämpft wurden. Damit hat es knapp und ausreichend begründet, dass es nicht vom Vorliegen einer gesetzmäßig ausgeführten Beweisrüge ausgeht. Eine Korrekturbedürftigkeit dieser Rechtsansicht zeigt die Beklagte nicht auf, indem sie lediglich (mehrfach) jene Passagen aus ihrer Berufungsbeantwortung in der Revision zitierend wiedergibt, in denen sie die Ausführung einer Tatsachenrüge sieht. Darüber hinaus legt die Revisionswerberin nicht dar, inwiefern das Berufungsgericht konkret eine aus ihrer Sicht erhobene gesetzmäßig ausgeführte Beweisrüge unbehandelt ließ bzw in weiterer Folge, inwiefern ein solches behauptetes Übergehen überhaupt zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen könnte (vgl etwa auch RS0043190). Weder die in diesem Zusammenhang behauptete Nichtigkeit, noch eine Aktenwidrigkeit, noch der in diesem Zusammenhang behauptete Mangel des Berufungsverfahrens liegen vor.
[9] 1.4 Da das Berufungsgericht nicht von den Feststellungen des Erstgerichts abgewichen ist, liegt auch der weitere behauptete Mangel des Berufungsverfahrens, dass dies geschehen sei, ohne der Beklagten die Möglichkeit der Äußerung dazu zu geben, nicht vor.
[10] 2.1 Die Behauptung einer weiteren Nichtigkeit des Verfahrens begründet die Beklagte damit, dass das Berufungsgericht über einen Streitgegenstand – nämlich in Höhe von 38.400 EUR – entschieden habe, für den es „sachlich“ nicht zuständig sei. Eine Unzuständigkeit des Berufungsgerichts (§ 471 Z 1 ZPO) zeigt die Revisionswerberin mit diesen Ausführungen aber schon deshalb nicht auf, weil der Rechtszug gegen Urteile und Beschlüsse der Bezirksgerichte (Berufung, Rekurs) gemäß § 3 JN in zweiter Instanz an die Landesgerichte geht.
[11] 2.2 Soweit die Revisionswerberin sich in diesem Zusammenhang erkennbar auch gegen die Kostenentscheidung des Berufungsgerichts wendet, ist die Revision gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO unzulässig. Dieser Rechtsmittelausschluss erstreckt sich auf alle Entscheidungen des Gerichts zweiter Instanz, die – in welcher Form immer – über die Kosten absprechen (RS0044233 ua).
[12] 3.1 Voraussetzung des groben Undanks nach § 948 ABGB ist einerseits, dass der Beschenkte gegen den Schenker ein strafgerichtlich zu ahndendes Verhalten gesetzt hat, das andererseits das Merkmal des groben Undanks erfüllt. Ein Widerrufsrecht des Geschenkgebers begründet nur eine Handlung, die schwer genug scheint, um die Entziehung des Geschenks zu rechtfertigen (RS0079468 [T1]), die also eine verwerfliche Außerachtlassung der Dankbarkeit gegenüber dem Schenker zum Ausdruck bringt (vgl RS0079468 [T6]). Wird zu den Vorwürfen keine strafrechtliche Verurteilung behauptet, ist im Zivilverfahren als Vorfrage zu prüfen, ob ein strafbarer Tatbestand gesetzt wurde (RS0018970; RS0079468 [T9]). Eine vorausgegangene erhebliche Reizung durch den Schenker kann unter Umständen dem Verhalten des Beschenkten den Charakter des groben Undanks nehmen (RS0022117 [T1]). Streitereien und Feindseligkeiten reichen dafür nicht aus (5 Ob 205/21i). Dabei ist aber nicht nur das zum Anlass des Widerrufs genommene Verhalten für sich allein zu beurteilen, sondern eine Gesamtbeurteilung aller Umstände erforderlich (RS0079367 [T1]). Die Grundsätze dieser Rechtsprechung, die die Vorinstanzen beachtet haben, werden von der Revisionswerberin nicht in Frage gestellt.
[13] 3.2 Ob eine festgestellte strafgesetzwidrige Handlung eines Beschenkten einen Mangel an dankbarer Gesinnung bekundet, der den Widerruf der Schenkung wegen Undanks nach § 948 ABGB rechtfertigt, ist eine Frage der Einzelfallgerechtigkeit, die vom Obersten Gerichtshof nur überprüft werden darf, wenn dem Berufungsgericht ein grober Auslegungsfehler unterlief (RS0031380, vgl zuletzt 5 Ob 205/21i). Einen solchen Fall zeigt die Revisionswerberin nicht auf:
[14] 3.3 Nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen stand der Traktor im Eigentum des Klägers, als ihn die Beklagte mit Zueignungs‑ und Bereicherungsvorsatz zwischen dem Frühjahr 2021 und Oktober 2021 in einer Scheune versperrte, sodass ihn der Kläger nicht verwenden konnte: Der Traktor war – anders als zwei weitere Zugmaschinen – im Übergabevertrag vom 31. 3. 2017 nicht ausdrücklich als Teil der übergebenen landwirtschaftlichen Maschinen erwähnt. Im Rahmen des Übergabevertrags besprachen die Streitteile, dass der Traktor insbesondere zur weiteren Durchführung von Holzschlägerungen im weiteren Eigentum des Klägers verbleiben sollte. Die Beklagte sollte ihn jedoch auch zur Bewirtschaftung des ihr übergebenen Hofs verwenden dürfen, weil er zur Bewirtschaftung der teilweise steilen Hänge am besten geeignet war. Soweit die Revisionswerberin in ihren Ausführungen davon ausgeht, dass der Traktor entgegen diesen Feststellungen nicht im Eigentum des Klägers verblieb, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt, sodass darauf nicht weiter einzugehen ist. Mit ihren Ausführungen, dass der Übergabevertrag insgesamt dahin auszulegen sei, dass auch der Traktor an die Beklagte mit übergeben werden sollte, wünscht die Revisionswerberin letztlich eine andere Vertragsauslegung, womit sie jedoch keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigt.
[15] 3.4 Auch mit ihren weiteren Ausführungen zeigt die Beklagte schon deshalb keine unvertretbare Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht auf, weil dieses entgegen ihren Behauptungen sehr wohl eine Gesamtabwägung der Umstände vorgenommen hat und dabei auch die nachvollziehbare tiefe Kränkung der Beklagten berücksichtigt hat, die darin lag, dass der Kläger, ihr Vater, nach ihrer Scheidung nicht für sie, sondern für ihren geschiedenen Mann Partei ergriffen hatte (Berufungsurteil Pkt 1.2). Der Beklagten sind mehrere strafbare Handlungen gegen den Kläger vorwerfbar, auf die sie in ihrer Revision teilweise gar nicht mehr näher eingeht (etwa der Vorwurf der Nötigung des Klägers oder des Missbrauchs von Tonaufnahme‑ oder Abhörgeräten). Der Behauptung der Beklagten, sie hätte einen vertretbaren Rechtsstandpunkt eingenommen, als sie den Traktor des Klägers für ein halbes Jahr für diesen unzugänglich versperrte, stehen neuerlich die Feststellungen des Erstgerichts entgegen: Danach fassten die Beklagte und ihr Lebensgefährte gemeinsam den Entschluss, den Traktor in der Scheune zu versperren, was der Lebensgefährte nach Absprache mit der Beklagten im Frühjahr 2021 auch tat. Die Beklagte hielt es ernstlich für möglich und fand sich damit ab, dass der Traktor im Eigentum des Klägers steht und dass sie durch das Versperren den (Mit-)Gewahrsam des Klägers an der Zugmaschine bricht. Dabei kam es ihr darauf an, sich den Traktor zuzueignen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Das Berufungsgericht hob zutreffend hervor, dass zwar die Taten der Beklagten teilweise in einem nachvollziehbaren Kontext zum Verhalten des Klägers gesetzt wurden. Aber dem Wegsperren des – für den Kläger wirtschaftlich bedeutsamen – Traktors für ein halbes Jahr, der heimlichen Aufnahme von Gesprächen zwischen der Beklagten und ihren Eltern, die die Beklagte einem Dritten zugänglich machte, sowie dem Wegsperren des Einachsanhängers, den der Kläger kaufen wollte, ging jeweils keine Provokation des Klägers voran. Lediglich der Nötigung des Klägers – die Beklagte fuhr am 1. 5. 2020 mit dem Auto zügig beschleunigend auf ihn zu, um ihn zum Ausweichen zu zwingen – ging eine Provokation des Klägers voran („dir gehört eine runtergehauen“). An der Gesamtbeurteilung des Berufungsgerichts, dass vor diesem Hintergrund die Handlungen der Beklagten trotz der Spannungen der Streitteile nicht mehr zu rechtfertigen sind, vermag die Revisionswerberin keine begründeten Bedenken zu wecken.
[16] Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision daher zurückzuweisen.
[17] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO, der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger jedoch im konkreten Fall in der Revisionsbeantwortung auf eine Bemessungsgrundlage von 34.200 EUR.
[18] Richtig ist zwar, dass der Kläger das (ursprünglich allein erhobene) Begehren auf Einwilligung in die Einverleibung des Eigentumsrechts mit 30.200 EUR bewertet hat. Allerdings wurde in der Folge vom Landesgericht Innsbruck gemäß § 60 Abs 1 und 2 JN ausgesprochen, dass dieser Streitwert 15.000 EUR nicht übersteigt (ON 4, 10). Vor dem Erstgericht bewertete der Kläger in der ersten mündlichen Verhandlung zur Hauptsache (ON 27) das Einverleibungsbegehren entsprechend seinem Vortrag im Schriftsatz ON 24 gemäß § 60 Abs 1 JN mit dem Einheitswert von 4.600 EUR und das Herausgabebegehren – nach Einschränkung auf einen Traktor – mit 8.200 EUR. Das Erstgericht stellte dementsprechend fest, dass der Gesamtstreitwert 12.800 EUR beträgt (ON 27). Von diesem Streitwert gingen beide Parteien im weiteren Verfahren aus (vgl nur die wechselseitigen Einwendungen gegen die Kostennoten ON 36 und 37, sowie Berufung und Berufungsbeantwortung).
[19] Infolge der niedrigeren Neubewertung durch den Kläger kam es zu einer Einigung über den Gesamtstreitwert von 12.800 EUR, die auch vom Gericht so „festgestellt“ wurde. Auch für das Revisionsverfahren ist daher von diesem Streitwert auszugehen.
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