OGH 9Ob101/01w

OGH9Ob101/01w25.4.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer, Dr. Spenling, Dr. Hradil und Dr. Hopf als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Bronislava G*****, Bürokauffrau, 2) mj. Silvia G*****, geb. 5. März 1989, 3) mj. Martin G*****, geb. 27. September 1991, alle ***** , alle vertreten durch Dr. Walter Geißelmann und Dr. Günther Tarabochia, Rechtsanwälte in Bregenz, gegen die beklagte Partei P*****GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hermann Tschiderer ua, Rechtsanwälte in Reutte, wegen S 94.715,80 sA und Feststellung (Feststellungsinteresse S 80.000,-), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht vom 7. Dezember 2000, GZ 2 R 250/00g-27, womit über Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. Juni 2000, GZ 40 Cg 130/99z-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

 

Spruch:

gefasst:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Auf dem im Eigentum der Beklagten stehenden P*****see (Fläche 400 ha; Uferlänge 15 km) findet seit Jahren in den Wintermonaten ein unentgeltlicher Eislaufbetrieb statt. An schönen Wintertagen kann es vorkommen, dass auf dem P*****see zwischen 1200 und 1500 Menschen Eis laufen. Eine konkrete Erlaubnis hiezu hat die Beklagte nicht erteilt; sie und die drei Anliegergemeinden haben den Eislaufbetrieb aber auch nicht verboten. Im nordöstlichen Seebereich liegt das Hotel "F*****", das in seinem Hotelprospekt mit dem P*****see als "größter Natureislauffläche Tirols" wirbt. In der Nähe des dort gelegenen Bootsstegs wird im Winter ein Glühwein- und Würstelstand aufgestellt. Nach Bedarf wird ein bestimmter Teil der Eisfläche mit einem von einem Traktor gezogenen Schneepflug, der von einem Eissportverein gehalten wird, geräumt und gebürstet, und zwar in Form einer Schleife, die ihren Ausgang etwa auf Höhe des Hotels"F*****" nimmt und dann nach Westen weiterverläuft. Östlich des Hotels gibt es keine geräumte Eisfläche; dort läuft normalerweise auch niemand Eis. Die vom Schnee geräumte und gebürstete Fläche wird auf ihre Tragfähigkeit überprüft und gilt dann als sicher. Ihr Verlauf ist an den durch die Präparierung entstehenden wulstigen Eispistenränder deutlich erkennbar. Im nicht geräumten Bereich ist die Eisdecke mitunter - besonders im Nahbereich warmer Strömungen oder Quellen - dünner; fallweise verbleiben eisfreie Stellen. Absperrungen sind nicht vorhanden. Nachdem 1996 mehrere Eisläufer im dünnen Eis eingebrochen waren, wurden an verschiedenen Stellen - darunter auch im Bereich des Hotels "F*****" - Warnschilder mit der Aufschrift "Betreten der Eisfläche auf eigene Gefahr! (Eisstärke unterschiedlich - offene Stellen)" aufgestellt.

Der Kläger begab sich am 7. 2. 1998 im Bereich des Hotels "F*****" auf den zugefrorenen See, um dort Eis zu laufen. Er fuhr in den weit östlich des Hotels gelegenen Bereich des Sees, in dem die Eisdecke zunehmend dünner wurde. Schließlich brach er ein und konnte nicht mehr auf die Eisfläche zurückkehren. Er konnte nur mehr tot geborgen werden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist die Frage, ob die Beklagte eine sie treffende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Das Erstgericht hat diese Frage verneint und das Klagebegehren abgewiesen.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Über Antrag der Kläger (§ 508 ZPO) änderte das Berufungsgericht diesen Ausspruch im Sinne der Zulassung der Revision ab, weil zur Frage, ob und in welchem Ausmaß auf einer zugefrorenen Seefläche Verkehrssicherungspflichten für den Seeeigentümer bestehen, höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht existiere.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Kläger ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden. Es ist daher aufzugreifen, dass die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage die in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Voraussetzungen nicht erfüllt.

Der konkrete Inhalt einer Verkehrssicherungspflicht kann immer nur von Fall zu Fall bestimmt werden; entscheidend ist, welche Maßnahmen unter den konkret gegebenen Umständen möglich und zumutbar sind (RIS-Justiz RS0110202; zuletzt 9 ObA 31/01a; 10 Ob 26/00x). Auch die hier zu treffende Entscheidung über das Ausmaß der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten hängt ganz von den besonderen Umständen des Falles ab und geht in ihrer Bedeutung über diesen Einzelfall nicht hinaus. Allgemein gültige Aussagen über die Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers eines zugefrorenen Sees sind nicht möglich, weil Ausmaß und Inhalt dieser Pflichten je nach Sachlage völlig unterschiedlich sein können.

Entscheidungen der zweiten Instanz, die in ihrer Bedeutung über den konkreten Einzelfall nicht hinausgehen, sind nur dann revisibel, wenn dem Berufungsgericht eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen ist, die ein Einschreiten des Obersten Gerichtshofs erforderlich macht (Kodek in Rechberger, ZPO**2 Rz 3 zu § 502 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung). Eine solche krasse Fehlbeurteilung liegt aber hier nicht vor. Es darf nicht übersehen werden, dass die Beklagte den Eislaufbetrieb nicht eröffnet oder organisiert, sondern nur nicht untersagt hat. Sie hat daher die Gefahrenlage nicht geschaffen und profitiert auch nicht davon. Zudem ist zu berücksichtigen, dass an verschiedenen Stellen des Seeufers - und gerade auch im Bereich der Unfallstelle - Warntafeln angebracht sind, die auf die letztlich verwirklichten Risken hingewiesen haben. Bedenkt man überdies, dass der Verunfallte den (optisch erkennbaren) Bereich verlassen hat, der (von Dritten) betreut und gesichert wird, und dass eine Absicherung des nicht betreuten Bereichs angesichts der Größe des Sees nur mit größtem Aufwand möglich wäre, ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes jedenfalls nicht unvertretbar, sodass im Sinne der oben erläuterten Rechtslage die Zulässigkeit der Revision zu verneinen ist.

Die Revision war daher zurückzuweisen.

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