OGH 9Ob100/04b

OGH9Ob100/04b11.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Kurt O*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Albert Heiss, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Thomas B*****, Pensionist, *****, vertreten durch Dr. Siegfried Dillersberger und andere, Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Einwilligung, in eventu Unterfertigung einer Urkunde, (Streitwert EUR 72.670) über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 4. August 2004, GZ 2 R 161/04z-11, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 23. April 2004, GZ 18 Cg 111/03b-7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Der Kläger, welcher deutscher Staatsbürger ist, beabsichtigte im Jahre 1973, vom Beklagten ca 400 m² des Grundstückes Nr 622, inneliegend EZ 10 Grundbuch A***** zum Kaufpreis von DM 6.000 zu erwerben, um darauf ein Wohnhaus zu errichten. Da dem Kläger als deutschem Staatsbürger nach den damaligen Grundverkehrsbestimmungen der Eigentumserwerb nicht möglich war, entschloss man sich zu einer Umgehungskonstruktion, mit welcher der Kläger dem Beklagten „ein Darlehen" in Höhe des Kaufpreises gewähren sollte, während der Beklagte dem Kläger an Grundstück und zu errichtendem Neubau ein „mietzinsfreies Dauermietrecht" einräumte. Schon in dieser Vertragsurkunde vom März 1973 wurde aber ausdrücklich festgehalten, dass für den Fall der rechtlichen Möglichkeit des Grunderwerbs durch den Kläger der Liegenschaftsteil ohne weitere Kaufpreiszahlungen in dessen Eigentum übergehen sollte. In der Folge stellte sich heraus, dass der ursprünglich ins Auge gefasste Grundstücksteil keinen Baukonsens erhalten würde, sodass - bei Gleichbleiben der sonstigen Vereinbarung - eine andere Grundstücksfläche für das Bauvorhaben des Klägers bereit gestellt und in der Natur abgesteckt wurde. Dieser mit der Änderungsvereinbarung zuerkannte Grundstücksteil hatte eine Größe von 834 m² und einen Wert von S 125.100. Über den Mehrwert gegenüber dem ursprünglich ins Auge gefassten Grundstücksteil wurde nicht gesprochen.

In der Folge errichtete der Kläger auf dem Grundstück ein Wohnhaus, wobei gegenüber der Baubehörde der Beklagte formell als Bauwerber und Bauführer fungierte.

Durch die Änderung des Tiroler Grundverkehrsgesetzes ist ein Grunderwerb durch den Kläger als EU-Bürger möglich geworden (§ 3 Tiroler Grundverkehrsgesetz). Als dieser daher im Jahre 2000 an den Beklagten herantrat, um die Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers grundbücherlich durchführen zu lassen, war dieser zunächst geneigt, an diesem Vorhaben mitzuwirken, stellte sich jedoch in der Folge auf den Standpunkt, dass ihn der Mehrwert des Ersatzgrundstückes zur Forderung eines weiteren Betrages von DM 70.000 berechtige. Damit war der Kläger nicht einverstanden. Er brachte zu 10 Cg 226/01b des LG Innsbruck eine Klage ein, mit welcher der Beklagte verhalten werden sollte, eine verbücherungsfähige Aufsandungsurkunde zu unterfertigen. Dem hielt der Beklagte den Einwand der Verkürzung über die Hälfte des wahren Wertes nach § 934 ABGB entgegen. Das Berufungsgericht folgte diesem Einwand und wies daher mit Urteil vom 20. Februar 2003 das Klagebegehren ab. Den Einwand des Klägers, dass der Verkürzungseinwand des Beklagten verjährt sei, verwarf das Berufungsgericht, weil der Einwand des Klägers gegen das Neuerungsverbot verstoße. Dieses Urteil erwuchs in Rechtskraft.

Mit seiner Klage vom 5. 11. 2003 begehrt der Kläger nunmehr die Zustimmung des Beklagten zur lastenfreien Abschreibung des Grundstücks, auf welchem sich das von ihm errichtete Haus befindet, sowie die Zustimmung zur Einverleibung des Eigentumsrechtes des Klägers, in eventu werden Begehren auf Zustimmung zur Abtrennung und Einverleibung eines kleineren Teilstückes bzw der Abgabe einer entsprechenden Aufsandungserklärung gestellt. Der Kläger stützte nunmehr sein Begehren auf § 418 dritter Satz ABGB. Nach der Rechtsprechung finde ein originärer Eigentumserwerb des redlichen Bauführers auch dann statt, wenn zwar eine Vereinbarung zwischen Bauführer und Grundeigentümer vorliege, der Eigentümer sich aber in der Folge weigere, die Vereinbarung einzuhalten.

Dem hielt der Beklagte entgegen, dass einerseits der Kläger nicht als redlicher Bauführer anzusehen sei, weil die seinerzeitige Vereinbarung mangels Zustimmung der Grundverkehrsbehörde nichtig sei. Darüber hinaus hielt er auch seinen Verkürzungseinwand wie im Vorprozess aufrecht. Der Kläger sei nicht einverstanden, die vom Beklagten geforderte Aufzahlung zu leisten.

Das Erstgericht gab dem Klagehauptbegehren statt.

Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil in Stattgebung der Berufung des Beklagten ab und wies das Klagehaupt- sowie die Eventualbegehren ab. Es vertrat zusammengefasst die Rechtsauffassung, dass sich der Kläger nicht auf redliche Bauführung berufen könne, weil ihm von Anfang an die Notwendigkeit der Zustimmung der Grundverkehrsbehörde bekannt gewesen, diese aber nicht erteilt worden sei.

Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; in eventu mit einem Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

Die von den Streitteilen im Jahr 1973 gewählte Vertragskonstruktion ist als Umgehungsgeschäft für einen Kaufvertrag zu beurteilen, weil damals ein Eigentumserwerb durch den Kläger nicht möglich gewesen wäre. Dieses Umgehungsgeschäft war jedoch nicht von Anfang an nichtig, sondern lediglich schwebend unwirksam (RIS-Justiz RS0113579; RS0038704; zuletzt 9 Ob 106/04k mit Hinweisen auf neuere ständige Rechtsprechung). Eine Nichtigkeit wäre dann anzunehmen, wenn die Vertragsteile von Anfang an übereinkommen, dass eine erforderliche grundverkehrsbehördliche Genehmigung nie stattfinden soll (6 Ob 325/99h mwN). Letzteres kann jedoch im vorliegenden Fall nicht unterstellt werden, weil ja zwischen den Streitteilen ausdrücklich Einigung darüber bestand, im Falle der rechtlichen Möglichkeit des Grunderwerbs durch Ausländer eine entsprechende Kaufvertragsurkunde einverleibungsfähig auszufertigen. Zutreffend bemängelt daher der Revisionswerber die Rechtsauffassung, dass er bereits infolge seiner Kenntnis von der Nichtgenehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bei seiner Bauführung nicht redlich gewesen sei.

Dieser Umstand vermag jedoch dem Kläger im Ergebnis nicht zum Vorteil zu gereichen, weil es an den anderen, für den originären Eigentumserwerb im Sinn des § 418 dritter Satz ABGB erforderlichen Voraussetzungen fehlt:

Wenn jemand mit eigenen Materialien ohne Wissen und Willen des Eigentümers auf fremdem Grund baut, gilt die allgemeine Regel des § 418 erster Satz ABGB „superficies solo cedit". Hingegen gilt nach der Ausnahmebestimmung des § 418 dritter Satz ABGB und als eine der Ausnahmen vom Eintragungsgrundsatz des § 431 ABGB, dass kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Bauführung ein außerbücherlicher originärer Eigentumserwerb des Bauführers an der Grundfläche eintritt, wenn der Grundeigentümer von der Bauführung weiß und sie dem redlichen Bauführer nicht sogleich untersagt. Der Eigentümer eines Grundes kann dann in einem solchen Fall nur den gemeinen Wert für den Grund fordern. Im vorliegenden Fall führte der Kläger mit eigenen Materialien auf fremdem Grund, nämlich dem des Beklagten, ein Gebäude in der Absicht auf, es dort auf unabsehbare Zeit zu belassen. Voraussetzungen für einen Eigentumserwerb nach § 418 dritter Satz ABGB sind, dass der Bauführer redlich und der Grundeigentümer unredlich ist. Redlicher Bauführer im Sinn des § 418 dritter Satz ABGB ist nach ständiger Rechtsprechung nicht nur der, der im allgemein maßgeblichen Zeitpunkt der Bauführung aus plausiblen Gründen über die Eigentumsverhältnisse am verbauten Grund irren durfte oder irrt, sondern auch der, der aufgrund irgendwelcher Umstände, etwa einer Vereinbarung, annehmen durfte und annahm, dass ihm der Bau vom Eigentümer gestattet worden sei oder schließlich, wer überhaupt mit Zustimmung des Grundeigentümers gebaut hat (6 Ob 23/00a = NZ 2001, 305 unter Wiedergabe der bisherigen Rechtsprechung). Nach der Judikatur schließt das Vorliegen einer Vereinbarung über die Bauführung die Anwendung der subsidiären Vorschriften des § 418 ABGB überhaupt aus (RIS-Justiz RS0009923, zuletzt 4 Ob 299/00z mwN). Nur für den Fall, dass in einem solchen Übereinkommen vorgesehen wäre, dass der Grund dem Bauführer zufallen solle, der Grundeigentümer in der Folge aber die Überlassung des Grundes an den Bauführer vereitelt, ist der Bauführer nach der Judikatur (SZ 28/35; JBl 1956, 365; SZ 32/137, SZ 50/123, SZ 59/38 uva, zuletzt 4 Ob 299/00z) - die trotz Kritik in der Lehre weiter aufrecht erhalten wurde - so zu behandeln, als ob kein Übereinkommen vorliege. In einem solchen Fall ist für den originären Eigentumserwerb durch den Bauführer der Zeitpunkt der Vereitelung maßgeblich (SZ 59/38). Unter „Vereitelung" ist, wie sich auch aus den zu RIS-Justiz RS0009923 veröffentlichten Judikaturbeispielen ersehen lässt ( - die überwiegende Anzahl betrifft Veräußerungen eines von fremder Bauführung betroffenen Grundstücksteils durch den Eigentümer an Dritte - ), ein vorwerfbares Verhalten zu verstehen, wie überhaupt § 418 Satz 3 ABGB vor allem als Sanktion gegen unredliches Verhalten des Grundeigentümers gedacht ist (4 Ob 299/00z).

Hier erhob der beklagte Grundeigentümer betreffend die geschlossene (Umgehungs)vereinbarung den Einwand der Verkürzung über die Hälfte, dessen Berechtigung auf Grund des im Vorverfahren 10 Cg 226/01b des Landesgerichtes Innsbruck ergangenen Urteils zwischen den Parteien bindend (RIS-Justiz RS0042554, RS0041251, RS0041572) feststeht. Im Gebrauch eines von der Rechtsordnung zur Vertragsaufhebung eingeräumten Gestaltungsrechtes kann aber - von der hier nicht erkennbaren Ausnahme der Schikane iSd § 1295 Abs 2 ABGB abgesehen - kein unredliches Verhalten liegen. Damit ist aber auch klar, dass ein originärer Eigentumserwerb des Klägers iSd § 418 ABGB ausscheidet. Diese eindeutige Rechtslage macht die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage ( § 502 Abs 1 ZPO ) unzulässig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte