European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0090NC00009.17Y.0505.000
Spruch:
Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht AZ 56 Cga 16/17w zu bestimmen, wird abgewiesen.
Begründung:
Mit ihrer am 8. 3. 2017 beim Landesgericht Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt die in Wals-Siezenheim (Sbg) ansässige Klägerin vom in Wien wohnhaften Beklagten die Rückforderung von Provisionen wegen Stornos aus dem Geschäftsvermittlungsvertrag. Zum Beweis ihres Vorbringens führt die Klägerin die Einvernahme einer Zeugin pA der Klägerin an. In ihrer Äußerung zum Delegierungsantrag des Beklagten verweist sie zudem auf die erforderliche Einvernahme ihrer Geschäftsführerin pA der Klägerin.
Der Beklagte bestreitet den Klagsanspruch und beantragt zum Beweis seines Vorbringens die Parteienvernehmung.
Der Beklagte beantragt die Delegierung der Rechtssache an das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien. Die Klagsführung am Sitz der Klägerin sei – ohne dass die Zuständigkeit des Erstgerichts bestritten wurde – „rechtsmissbräuchlich“, weil er während des gesamten Vertragsverhältnisses in Wien aufhältig und gemeldet gewesen sei und auch sämtliche von ihm der Klägerin vermittelten Kunden, bei denen die behaupteten Stornos angefallen seien, ihren Sitz bzw Aufenthalt in Wien und Wien-Umgebung hätten; zum Beweis dafür beantragt der Beklagte in seinem Delegierungsantrag die Einvernahme von zwei Zeugen. Die aufgrund des Unmittelbarkeitsprinzips erforderliche Einvernahme dieser Zeugen vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien sei aus Kosten‑ und Zweckmäßigkeitsgründen geboten.
Die Klägerin sprach sich mangels klarer und überwiegender Zweckmäßigkeit einer Delegierung gegen den Antrag aus. Die vom Beklagten genannten Kunden müssten aus rechtlichen Gründen nicht gehört werden. Auswärtige Zeugen könnten allenfalls im Rechtshilfeweg oder mittels Videokonferenz einvernommen werden. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei über den Sitz der Gesellschaft in Salzburg zu laden. Die Prozesskosten würden sich mit dem doppelten Einheitssatz unnötig erhöhen. Das Landesgericht Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht sei auch mit den Rechtsangelegenheiten und regelmäßig gleichlautenden Vertragsgrundlagen und Provisionsabrechnungen der Klägerin seit Jahren vertraut.
Das den Delegierungsantrag vorlegende Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht sprach sich mangels Zweckmäßigkeit gegen den Delegierungsantrag des Beklagten aus.
Rechtliche Beurteilung
Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.
Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS‑Justiz RS0046333). Die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei ist daher nur dann auszusprechen, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten allerParteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS‑Justiz RS0046589).
Im vorliegenden Fall führt die Klägerin die Einvernahme ihrer Geschäftsführerin sowie einer Zeugin pA der Klägerin an. Der Klagevertreter selbst hat seinen Kanzleisitz in Salzburg. Der Beklagte wohnt in Wien und behauptet die Notwendigkeit der Einvernahme zahlreicher in Wien und Wien‑Umgebung aufhältiger (derzeit noch nicht namhaft gemachter) Zeugen. Der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz ebenfalls in Wien. Im Hinblick auf die Möglichkeit der Einvernahme auswärtiger Zeugen im Wege der Videokonferenz sind bei einer Verfahrensführung in Salzburg keine höheren (zB Fahrt‑)Kosten zu erwarten. Technische oder andere Gründe, die einer Vernehmung der auswärtigen Zeugen per Videokonferenz entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich (vgl 9 Nc 14/15f). Die Beweisaufnahme im Wege der Videokonferenz hat der Gesetzgeber sogar zur unmittelbaren Beweisaufnahme erklärt (§ 277 ZPO). Eine Verfahrensbeschleunigung durch die vom Beklagten gewünschte Delegierung wäre nicht zu erwarten. Überdies ist gerichtsbekannt, dass das Landesgericht Salzburg schon seit mehreren Jahren mit gleichgelagerten Fällen befasst ist (vgl 9 Nc 19/13p; 8 Nc 38/13z uva).
Eine Delegierung soll lediglich den Ausnahmefall bilden. Auch im vorliegenden Fall liegen keine ausreichenden Umstände zu Gunsten aller Parteien dafür vor, dass mit einer Delegierung eindeutig eine wesentliche Verfahrens-beschleunigung oder Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit einherginge. Dass sich die Klägerin auf den vom Gesetz vorgesehenen Zuständigkeitstatbestand des § 4 Abs 1 Z 1 lit b ASGG stützt, ist hier nicht rechtsmissbräuchlich.
Der unbegründete Delegierungsantrag des Beklagten ist daher abzuweisen.
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