OGH 9Nc7/16b

OGH9Nc7/16b11.3.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Ernst Kohlbacher, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei M***** J*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel ua, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen 31.200 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090NC00007.16B.0311.000

 

Spruch:

Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache des Landesgerichts Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht, AZ 59 Cga 132/15y, zu bestimmen, wird abgewiesen.

Begründung

Mit ihrer am 22. 12. 2015 beim Landesgericht Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht eingebrachten Klage begehrt die in ***** (Sbg) ansässige Klägerin vom in ***** (NÖ) wohnhaften Beklagten die Zahlung einer Vertragsstrafe wegen mehrfacher Verstöße gegen das in seinem Agentenvertrag vereinbarte Wettbewerbsverbot. Zum Beweis ihres Vorbringens führt die Klägerin die Einvernahme ihrer Geschäftsführerin pA der Klägerin sowie von 11 Zeugen an, davon zwei Zeugen mit Adressen in Salzburg und Linz, die restlichen Zeugen mit Adressen in Niederösterreich und Wien.

Der Beklagte bestreitet einen Verstoß gegen das vereinbarte Wettbewerbsverbot, beantragt Klagsabweisung und bringt ua vor, bei der Klägerin nicht als selbständiger Handelsvertreter, sondern als Dienstnehmer im Sinn des ASVG tätig gewesen zu sein. Zum Beweis seines Vorbringens führt der Beklagte neben der Parteienvernehmung ua 13 Zeugen mit Adressen in Wien an.

Der Beklagte beantragt die Delegierung der Rechtssache an das Arbeits‑ und Sozialgericht Wien, weil er dort seinen beruflichen Lebensmittelpunkt habe und der Großteil der im Verfahren beantragten Zeugen aus dem Bereich Wien und Wien‑Umgebung komme.

Die Klägerin sprach sich gegen die Delegierung aus. Die vom Beklagten geführten Zeugen müssten großteils nicht gehört werden, weil sie nichts zur Sache beitragen können. Die Geschäftsführerin der Klägerin sei per Sitz der Gesellschaft in Salzburg zu laden. Ihre Kosten würden sich mit dem doppelten Einheitssatz unnötig erhöhen. Das Landesgericht Salzburg als Arbeits‑ und Sozialgericht sei schon mit den Rechtsangelegenheiten und regelmäßig gleichlautenden Vertragsgrundlagen und Provisions-abrechnungen der Klägerin seit Jahren vertraut.

Das den Delegierungsantrag vorlegende Landesgericht Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht verwies in seiner Stellungnahme ua auf ein beim angerufenen Gericht zu AZ 15 Cga 88/15d anhängiges Parallelverfahren.

Folgendes war zu erwägen:

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine Delegierung soll allerdings nur den Ausnahmefall darstellen. Keinesfalls soll durch eine zu großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046441). Aus Zweckmäßigkeitsgründen soll die Delegierung vor allem dann angeordnet werden, wenn die Übertragung der Zuständigkeit an ein anderes Gericht eine wesentliche Verkürzung, eine Kostenverringerung oder eine Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit zu bewirken verspricht (RIS‑Justiz RS0046333). Es entspricht daher der ständigen Rechtsprechung, dass die Delegierung gegen den Willen der anderen Partei nur dann auszusprechen ist, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten allerParteien des Verfahrens gelöst werden kann (RIS‑Justiz RS0046589; RS0046324 ua).

Im vorliegenden Fall führt die Klägerin die Vernehmung ihrer Geschäftsführerin pA der Klägerin sowie mehrerer Zeugen an, von denen vier in Wien, die übrigen in Niederösterreich, Salzburg und Oberösterreich wohnhaft sind. Der Klagevertreter selbst hat seinen Kanzleisitz in Salzburg. Der Beklagte wohnt in ***** (NÖ) und führt zahlreiche in Wien wohnhafte Zeugen. Der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz in Dornbirn. Der Großteil der Zeugen ist damit tatsächlich in Wien ansässig. Im Hinblick auf die Möglichkeit ihrer Vernehmung im Wege der Videokonferenz sind bei einer Verfahrensführung in Salzburg jedoch keine höheren (zB Fahrt‑)Kosten zu erwarten. Technische oder andere Gründe, die einer Vernehmung der auswärtigen Zeugen per Videokonferenz (§ 277 ZPO) entgegenstehen würden, sind nicht ersichtlich (vgl 9 Nc 14/15f). Eine Verfahrensbeschleunigung durch Delegierung wäre nicht zu erwarten. Überdies ist das Landesgericht Salzburg mit einem gleichgelagerten Fall (15 Cga 88/15d) befasst. Ein in diesem Parallelverfahren vom Beklagten gestellter Delegierungs-antrag wurde mit Beschluss vom 26. 2. 2016 abgewiesen (9 Nc 5/16h). Schließlich käme es bei einer Delegierung zu erhöhten Vertretungskosten, weil keiner der Parteienvertreter seinen Kanzleisitz in Wien hat (doppelter Einheitssatz, § 23 Abs 5 RATG).

Angesichts dessen, dass eine Delegierung lediglich den Ausnahmefall bilden soll, liegen danach auch im vorliegenden Fall keine ausreichenden Umstände zu Gunsten aller Parteien dafür vor, dass mit einer Delegierung eindeutig eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder Kostenreduzierung oder eine hinlängliche Erleichterung des Gerichtszugangs oder der Amtstätigkeit einherginge. Der Delegierungsantrag des Beklagten ist daher abzuweisen.

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